Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer versündigt sich an einem Grundrecht.

Bei allem Respekt vor dem Streikrecht und für Streikende: Was die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) diesem Land und vor allem seinen Bahnfahrern zumutet, ist unerträglich und nicht mehr nachvollziehbar. Der Betroffene, der in den kommenden Tagen auf die gewohnten Verkehrsanschlüsse verzichten muss, ärgert sich zu Recht. Der Außenstehende fragt sich, ob es der GDL wirklich nur um bessere Bedingungen für ihre Mitglieder geht. Oder nicht vor allem darum, die eigene Position im Kampf gegen die konkurrierende Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) zu stärken.

Fakt ist: Weder die Anzahl der Streiks noch deren Länge sind normal. Es scheint, als wollten die Gewerkschafter einen Rekord nach dem anderen aufstellen, als ginge es nicht mehr um mehr oder weniger nachvollziehbare Forderungen, sondern nur noch darum, möglichst viele Schlagzeilen zu produzieren.

Nein, dies ist nicht mehr das Duell David (GDL) gegen Goliath (Deutsche Bahn), bei dem der kleinere der beiden Kontrahenten die Sympathien auf seiner Seite hat. Dies ist das Duell GDL gegen die Bahnfahrer, und dabei können die Lokführer nur verlieren, und wenn sie demnächst monatelang streiken.

Nach der Loyalität ist nun auch das Mitgefühl der Fahrgäste aufgebraucht, mit Verständnis können GDL-Chef Claus Weselsky und seine Truppen nicht mehr rechnen. Das mildeste, was ihnen entgegenschlagen wird, dürfte in dieser Woche Desinteresse oder Gleichgültigkeit, viel öfter werden es Wut und Empörung sein. Denn es kann doch nicht angehen, dass es nach derart vielen Streiktagen und Verhandlungen nicht möglich ist, sich auf ein für beide Seiten, und damit auch für die Fahrgäste, vernünftiges Ergebnis zu einigen. Es kann doch nicht sein, dass man lieber 138 (!) Stunden streikt, als es wenigstens mal mit ein paar Schlichtungsrunden zu versuchen. Die Botschaft, die die GDL mit ihrem Verhalten sendet, ist leider eindeutig: Die beteiligten Lokführer haben offenbar kein Interesse, sich schnell zu einigen. Sie haben Spaß, ihre Macht auszuspielen, koste es, was es wolle, zum Beispiel den Rückhalt bei den Kunden.

Mindestens genauso schlimm ist, dass die GDL auf diesem Weg den Streik an sich in Verruf bringt und sich damit an einem der wichtigsten Rechte unserer Demokratie versündigt. Der Arbeitskampf ist das letzte Mittel in (Tarif-)Verhandlungen und nichts, was sich für Machtspielereien oder Sonstiges eignet. Ihn inflationär einzusetzen heißt, Wirkung und Relevanz zu gefährden und eine Stimmung im Land zu erzeugen, die sich gegen andere, berechtigte Streikanliegen wendet. So schadet die GDL derzeit nicht nur sich selbst, sondern auch vielen anderen Beschäftigen, die für bessere Arbeitsbedingungen in den Ausstand treten. Und denen es im Zweifel deutlich schlechter geht, als es den Lokomotivführern je gegangen ist.

Liebe GDL, lieber Claus Weselsky: Es reicht. Ihr habt bewiesen, wie stark eine kleine Gewerkschaft sein, welchen Schaden sie in einem Land wie dem unsrigen bewirken kann. Ihr habt genügend Aufmerksamkeit für eure Ziele erhalten, so viel mehr, als sie andere Interessengruppen jemals bekommen werden. Nun solltet ihr endlich zeigen, dass ihr nicht nur hart streiken, sondern auch vernünftig verhandeln könnt – im Sinne eurer Mitglieder, aber auch im Sinne der Millionen Fahrgäste, die ihr derzeit vergrätzt.

Denn am Ende ist es nicht die Deutsche Bahn, die die Gehälter der Lokführer bezahlt. Am Ende sind es die Kunden, auch wenn das bei der GDL niemanden mehr zu interessieren scheint.