Ausstellerzahl bei der New Energy rückläufig. Politische Debatte verunsichert Branche der erneuerbaren Energien. SPD-Politiker Gabriel prägt die diesjährige Branchenschau mit seinen Plänen wie derzeit niemand sonst.
Husum. Sigmar Gabriel ist schon da. Ein Transparent mit seinem Porträt hängt über dem Eingang zur Husumer Messe, mit dem Satz: „Lieber Herr Gabriel, herzliche Grüße von der Bürgerenergiewende!“ Der Bundeswirtschafts- und Energieminister kommt nicht persönlich zur Messe New Energy Husum, die am heutigen Donnerstag in der nordfriesischen Kleinstadt eröffnet wird. Doch prägt der SPD-Politiker die diesjährige Branchenschau mit seinen Plänen wie derzeit niemand sonst.
Im ganzen Land lotet Gabriel in diesen Wochen in Hunderten Gesprächen die Sach- und Interessenlage zur Energiewende aus. Eine Flut von Vorschlägen und Forderungen, aber auch von Jammertiraden und wirtschaftlichen Schreckensszenarien aus Verbänden, Unternehmen, Kommunen muss der Minister in seine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) einarbeiten, die vor der Sommerpause den Bundestag passieren soll. Das EEG ist die Grundlage für die Energiewende in Deutschland. Geregelt ist darin unter anderem die Vergütung für Strom aus Windparks oder Solaranlagen. Vor allem diese Förderkosten für die erneuerbaren Energien will Gabriel senken.
Auf die New Energy schlägt die heftige politische Debatte um das Energiegesetz voll durch. Die Zahl der Aussteller sank auf 220 gegenüber rund 300, die im vergangenen Jahr nach Husum gekommen waren. Die Ausstellungsfläche wurde von 16.000 auf 14.000 Quadratmeter reduziert. „Viele Unternehmen in der Branche der erneuerbaren Energien warten zunächst mal ab, wie das EEG im Detail novelliert wird und welche Größen und Bedingungen etwa bei den Förderbeträgen sich daraus ergeben“, sagte Husums Messechef Peter Becker, 45, dem Abendblatt. „Wir setzen als Messestandort allerdings weiter voll auf das Thema erneuerbare Energien. Die Energiewende in Deutschland ist ein Thema für Jahrzehnte.“ Rund 15.000 Besucher erwartet Becker vom heutigen Donnerstag bis zum Sonntag, so viele waren es auch 2013. Rund 1000 Besucher hätten sich per Internet bereits angemeldet. Der Basispreis für einen Tag auf der Messe beträgt zehn Euro. Der Anteil der Fachbesucher werde gegenüber der zurückliegenden New Energy auf unter die Hälfte sinken, sagt Becker. Dafür rechnet der Messechef mit mehr Endverbrauchern. „Die New Energy bietet Themen, die stark im Trend liegen, etwa die Stromversorgung aus dem eigenen Kleinkraftwerk im Keller oder der Solaranlage auf dem Dach. Viel Neues gibt es auch zur Elektromobilität. Einen der Schwerpunkte bilden in diesem Jahr zudem die neuen Entwicklungen bei energieeffizienten sogenannten Passivhäusern.“
Kein anderer Messestandort in Deutschland wirkt so präzise als Seismograf für die Entwicklung der Energiewende wie Husum. Alle Aufschwünge und Rückschläge beim Umbau der Energieversorgung lassen sich in den Messehallen nachvollziehen, die bei Bedarf um transportable Ausstellungsräume ergänzt werden. Besonders der Niedergang der Solarbranche in Deutschland, die Insolvenz von Herstellern, die strenge Begrenzung der Solarförderung macht sich dieses Jahr in Husum bemerkbar. „Die New Energy war immer auch getrieben vom Boom der Solarwirtschaft in Deutschland“, sagt Becker. Auf der anderen Seite war die Vielfalt der Themen und Technologien zur Energiewende noch nie so groß. Etliche Kleinwindanlagen sind in Husum zu sehen, Batteriespeicher für den Keller, Blockheizkraftwerke, die aus Biogas gleichzeitig Strom und Wärme erzeugen. „Europa steht mit Russland, einem unserer wichtigsten Energielieferanten, in einem schweren politischen Konflikt um die Zukunft der Ukraine“, sagt Becker. „Selten in jüngerer Zeit war doch so offensichtlich, dass es bei der Energiewende in Deutschland auch um unsere Versorgungssicherheit geht.“
Auch über neue Strukturen am Markt für erneuerbaren Energien informieren zahlreiche Aussteller auf der Messe. „Wir müssen die einzelnen Technologien – Windkraft, Solarenergie, Biomasse oder Wasserkraft – viel enger zusammenbringen und sie in einem System integrieren“, sagte Torge Wendt vom Unternehmen Nordgröön, das Energie aus Wind-, Solar- oder Biogasanlagen vermarktet. „Das Potenzial der Biomasse als einer speicherbaren Energie ist in Deutschland noch längst nicht ausgeschöpft. Die vorgesehenen Beschränkungen bei der Vergütung von Biogasanlagen sind falsch, denn für die Energiewende brauchen wir auch jederzeit abrufbare Energieformen.“
Besonders die Windkraft prägte Husum als Messestandort über Jahrzehnte. In Schleswig-Holstein hat die deutsche Windkraftbranche ihre Wurzeln. Seit der ersten Husumer Windmesse, die 1989 noch in der alten Viehauktionshalle am heutigen Messestandort ausgerichtet worden war, entwickelte sich die Branche zu einer weltumspannenden Industrie mit immer größeren Anlagen. Zum ersten Mal wird in diesem Jahr Hamburg die weltweite Leitmesse der Windkraftwirtschaft ausrichten, die WindEnergy Hamburg vom 23. bis zum 26. September. Im kommenden Jahr startet Husum dann erstmals seine neue Windkraft-Messe speziell für den deutschen Markt, die künftig mit der Hamburger Windmesse im jährlichen Wechsel stattfinden soll. Die Husum Wind läuft vom 15. bis zum 18. September 2015.
Der Neuformierung der beiden norddeutschen Windmessen war ein langer Streit in der Branche und auch zwischen den Messegesellschaften vorausgegangen. Husums Messechef Becker zieht nun, wie auch sein Hamburger Kollege Bernd Aufderheide, eine positive Bilanz nach dem Kooperationsabkommen darüber, künftig zwei Messen zu veranstalten: „Wir stimmen uns mit Hamburg bei der Ausrichtung der beiden Messen eng ab und haben dafür auch einen gemeinsamen Messebeirat“, sagte er. „Wir werden im kommenden Jahr mit gut 600 Ausstellern und voraussichtlich mehr als 30.000 Besuchern starten und uns auf den deutschen Mark konzentrieren. Alle wichtigen Hersteller werden dabei sein. Husum hat für die Branche nach wie vor einen sehr hohen Stellenwert.“
Bei der Zahl der Aussteller und Besucher knüpfe Husum an das Niveau der Jahre 2007 und 2008 an: „Unser Einzugsgebiet wird bei der Windmesse auch künftig vor allem Norddeutschland und Dänemark sein. Und Deutschland bleibt für die Windenergiebranche einer der wichtigsten Märkte der Welt.“