Ob ICE-Züge, Flop-Käufe, Osram-Tochter – der Dax-Konzern hat mehrere Baustellen. Anleger stimmen über Osram-Abspaltung ab

München. Auf dem „absteigenden Ast“ sieht Aktionärsschützerin Daniela Bergdolt Siemens-Chef Peter Löscher zwar noch nicht. Bei der Hauptversammlung am Mittwoch (23. Januar) will sie jedoch einige Probleme innerhalb des Münchner Konzerns offen ansprechen.

„Wir zeigen ihm unsere Gewehre und Pistolen, aber wir schießen noch nicht“, kündigte die Vertreterin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) in Anspielung auf den neuen Quentin-Tarantino-Western „Django Unchained“ an.

Bergdolt und andere Kritiker werfen dem Vorstandsvorsitzenden vor, im Frühjahr 2011 das plakative Ziel von 100 Milliarden Euro Jahresumsatz als Ziel ausgegeben, dabei aber die Profitabilität aus den Augen verloren zu haben. Siemens steigerte seitdem zwar die Umsätze, gleichzeitig aber auch die Kosten.

Der Gewinn sank: Nach 7,4 Milliarden Euro im Geschäftsjahr 2010/2011 verdiente Siemens von Oktober 2011 bis September 2012 mit seinen fortgeführten Aktivitäten noch knapp 5,2 Milliarden Euro. Das ursprüngliche Ziel verfehlte der Konzern damit um 800 Millionen Euro. Löscher steuerte gegen und kündigte bei der Bilanzvorlage im November an, bis 2014 sechs Milliarden Euro Kosten einzusparen.

Für Bergdolt ist das zwar der richtige Weg, der Vorstandsvorsitzende damit aber noch längst nicht über den Berg. „Wir werden Löscher künftig daran messen“, sagte sie.

Das rückläufige Ergebnis ist aber nur einer von mehreren Kritikpunkten am 55-jährigen Siemens-Chef. So konnte der Konzern der Deutschen Bahn die versprochenen neuen ICE-Züge nicht wie geplant zum laufenden Winterfahrplan ausliefern. Als Grund führte Siemens Softwareprobleme an. Zwar belasten die Verzögerungen die Bilanz vergleichsweise wenig. Dafür leidet das Image des Konzerns.

Auch bei grünen Energien, einem Prestigeprojekt Löschers, hakte es in der jüngsten Vergangenheit mehrfach. Der Kauf der israelischen Solarthermie-Firma Solel entwickelte sich als Flop. Nach dreistelligen Millionenverlusten bot Löscher Ende vergangenen Jahres das Solarengagement zum Verkauf an. Und beim Bau der Windparks in der Nordsee übernahm sich Siemens. Die Anbindung ans Stromnetz verzögerte sich immer mehr. Rund eine halbe Milliarde Euro musste Siemens deswegen abschreiben.

Die Problemtochter Osram will der Konzern schon seit längerer Zeit abspalten. Doch nachdem der ursprünglich geplante Börsengang im vergangenen Jahr abgeblasen wurde, will Siemens den Leuchtmittelhersteller nun an seine Aktionäre abtreten. Für je zehn Siemens-Aktien sollen sie eine Osram-Aktie erhalten. Siemens will künftig so nur noch 19,5 Prozent an Osram halten.

Es wird zwar damit gerechnet, dass auf der Hauptversammlung in der Münchner Olympiahalle die notwendige Drei-Viertel-Mehrheit erreicht wird. Trotz der Abspaltung kommen auf Siemens aber noch weitere massive Verluste zu. Allein im vergangenen Geschäftsjahr verbuchte Osram einen Nachsteuerverlust von 378,3 Millionen Euro.

Nach der heftigen Kritik auf der Hauptversammlung von ThyssenKrupp wird Aufsichtsratschef Gerhard Cromme auch bei der Aktionärsversammlung von Siemens sicher nicht verschont. Das „Manager Magazin“ schreibt, Cromme sei angezählt. Das Wirtschaftsblatt nennt Aufsichtsratsmitglied Josef Ackermann als möglichen Nachfolger.

Aktionärsschützerin Bergdolt will den Aufsichtsrat zwar ebenso wie den Vorstand entlasten. Allerdings beklagt sie, dass die Chance vertan worden sei, im Kontrollgremium einen Neuanfang zu machen. Der Aufsichtsrat sei zu alt und zu männlich, sagt sie.

Mit den Zahlen des ersten Geschäftsquartals (zum 31. Dezember 2012), die unmittelbar vor der Hauptversammlung veröffentlicht werden, kann die Siemens-Führung die Aktionäre offenbar etwas beruhigen. Der Gewinn im fortgeführten Geschäft liegt laut „Handelsblatt“ mit 1,3 Milliarden Euro auf Vorjahresniveau. Der Umsatz sei mit etwa 17,9 Milliarden Euro auch stabil geblieben, und der Auftragseingang habe sich sogar verbessert.