Ob Telefone, Computer, Halbleiter oder Geldautomaten – Sparten kamen und gingen unter Schmerzen. Viele Problme für Konzernchef Löscher.
München. Peter Löscher hat im vergangenen Jahr rund 870.000 Euro weniger verdient. Das ist viel Geld, doch der Verlust dürfte den Siemens-Chef kaum schmerzen; auch weil noch immer 7,87 Millionen Euro als Gesamtvergütung für ihn im Geschäftsbericht des Elektroriesen vermerkt sind.
Viel mehr dürfte Löscher treffen, dass sein Konzern wieder zu der Dauerbaustelle geworden ist, die er so gerne abgeschlossen hätte. Ein grüner Riese sollte Siemens werden, schlagkräftig, erfolgreich und langfristig mit einem Jahresumsatz von 100 Milliarden Euro. Von diesem Ziel ist Löscher weit entfernt – der Manager würde die selbst gelegte Latte vermutlich am liebsten wieder abhängen.
Dabei hatte der Österreicher, der als erster Siemens-Boss von außen 2007 auf den Chefsessel des Industrieriesen wechselte, einen guten Start geschafft: Die milliardenteure Schmiergeldaffäre abgewettert, den Konzern durch die Krise 2008/09 gesteuert und einen ersten Umbau hingelegt. „Siemens ist wieder ein normales Unternehmen der Spitzenklasse“, fasste er Ende 2010 seine ersten Jahre zusammen.
Wie diesen Satz dürfte Löscher auch manch andere Äußerung wohl am liebsten zurückholen wollen, denn die Problemliste ist lang, auch wenn der Konzern gerade das zweitbeste Jahr seiner Geschichte hinter sich hat. Doch ob es der teure Ausstieg aus dem eher kleinen Geschäft mit der Solar-Technik ist, die Rückschläge bei Windkraftanlagen auf hoher See, die zähe Trennung von der Licht-Tochter Osram oder die schwer am Image kratzenden Verspätungen bei der Auslieferung von Zügen: Löscher hat viel zu tun, um seinen eigenen Zielen gerecht zu werden.
Bei den Mitarbeitern ist die Unruhe groß. „Es kann nicht sein, dass Menschen in der jetzigen Situation Angst um ihren Arbeitsplatz haben“, sagte IG-Metall-Vorstand und Siemens-Aufsichtsrat Jürgen Kerner. Wichtig sei, das Unternehmen langfristig zu entwicklen, erklärte der Gewerkschafter und mahnte Löscher, sich nicht zu sehr vom kurzfristigen Gewinninteresse des Finanzmarkts treiben zu lassen. Entscheidend für den Erfolg sei, die Mitarbeiter auf diesen Weg mitzunehmen. Doch gerade bei denen wächst die Unsicherheit.
Denn Löscher muss Siemens jetzt auch noch ein Mittel verabreichen, das eigentlich in den Giftschrank sollte: das Sparprogramm. Bis 2014 will Siemens sechs Milliarden Euro sparen, drei davon soll allein der Einkauf beitragen. Die zuständige Vorstandsfrau Barbara Kux hatte in den vergangenen Jahren dieses System zentralisiert. „Wir haben den Einkauf gebündelt: von 29 Prozent im Jahr 2008 auf 55 Prozent im Geschäftsjahr 2012“, sagte Kux dem „Handelsblatt“. Die Managerin war 2008 die erste Frau im Vorstand von Siemens.
Doch im gleichen Interview bestätigt Kux ihren bereits von vielen erwarteten Abgang, der Ende 2013 erfolgt. Ihr Auftrag sei erfüllt, sagte sie. Im verbleibenden Jahr soll sie nun, die von ihr „vorgeschlagene Integration der Einkaufs-Funktion in die geschäftsführenden Einheiten“ erarbeiten – also wieder dezentralisieren. Wie dies im Detail genau aussehen wird, ist noch offen, auch ob es nach Kux wieder einen zentralen Einkaufsvorstand geben wird.
Ebenso unklar ist noch, wer die Gepäckabfertigungssparte kaufen soll – die stellt Siemens im Rahmen des Umbaus ins Schaufenster. 3600 Stellen hat die Sparte, die rund 900 Millionen Euro Umsatz liefert. Einen Käufer hat Siemens noch nicht, die IG Metall warnt aber schon vor einem Stellenabbau. Der läuft auch bereits in anderen Sparten. Eine Planzahl für den Abbau insgesamt hat Siemens bisher nicht genannt. Klar ist aber, es wird Stellenstreichungen geben.
Daneben baut Siemens aber auch Geschäfte aus, zuletzt in der Bahntechnik. Für rund 2,2 Milliarden Euro kauft der Konzern von Invensys die Bahnautomatisierungssparte der britischen Gruppe. Unter dem Strich sei der Kauf und der Verkauf ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, sagte Deutsche-Bank-Analyst Peter Reilly. Wie die großen Schritte aussehen werden, ist noch nicht bekannt.