Das Schienenkartell soll der Bahn schon früh bekannt gewesen sein. ThyssenKrupp will gegen alle in den Skandal Verwickelten vorgehen.
Düsseldorf/München. Der Schienenkartell-Skandal lässt ThyssenKrupp und die Deutsche Bahn nicht zur Ruhe kommen. Deutschlands größter Stahlproduzent will nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ (Montagausgabe) jetzt einen früheren Manager wegen seiner mutmaßlichen Beteiligung an den verbotenen Preisabsprachen zulasten der Bahn auf 103 Millionen Euro Schadenersatz verklagen. Unterdessen sieht sich die Deutsche Bahn mit Vorwürfen konfrontiert, bereits im Jahr 2000 von den Mauscheleien gewusst zu haben.
ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger will mit der Millionenklage dem Bericht zufolge Zugriff auf die für den früheren Spartenvorstand abgeschlossene Manager-Haftpflichtversicherung erlangen. Außerdem wolle er ein klares Signal an die Beschäftigten geben, dass Fehlverhalten nicht mehr akzeptiert werde, berichtete die Zeitung. Die Summe von 103 Millionen Euro entspricht dem Bußgeld, das vom Bundeskartellamt gegen den Konzern verhängt wurde.
Es könnten aber noch einmal mehrere Hundert Millionen Euro hinzukommen, falls ThyssenKrupp in dieser Höhe Schadenersatz für die überteuerten Schienen an die Bahn zahlen muss. Der Stahlkonzern glaube, dem ehemaligen Spartenvorstand nachweisen zu können, dass er eine Schlüsselfigur im Kartell gewesen sei, berichtete die Zeitung. Dem Vernehmen nach bestreite der Manager aber alle Vorwürfe.
ThyssenKrupp selbst bekannte sich zu einer „Null Toleranz“-Politik. Der Konzern habe hart durchgegriffen und sich von mehreren Managern getrennt. „ThyssenKrupp verfolgt Schadenersatzansprüche gegen diesen Personenkreis“, hieß es in Essen.
Unterdessen berichtete das „Handelsblatt“ (Montagausgabe), die Bahn habe nicht erst 2011, sondern schon im Jahr 2000 Kenntnis von dem Kartell erlangt. Die Zeitung zitierte aus dem Brief eines Bahn-Anwalts an die Staatsanwaltschaft vom August 2000, wonach Unterlagen sichergestellt wurden, „die eindeutig auf Preisabsprachen zu dem Einkauf von Schienen hinweisen“. Das Schreiben nenne die später überführten Kartellsünder ThyssenKrupp und Voestalpine.
Hätte die Bahn wirklich bereits zu diesem Zeitpunkt über die Absprachen Bescheid gewusst, könnte dies erhebliche Auswirkungen auf die von dem Konzern gegen die Schienenlieferanten geltend gemachten Schadenersatzansprüche haben.
Die Bahn selbst erklärte allerdings in einer Stellungnahme, sie habe damals „alles ihr Mögliche getan, um zur Aufklärung von Straftaten in diesem Zusammenhang beizutragen“. Doch habe die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main offenbar keinen hinreichenden Tatverdacht gesehen.
Ohnehin hätten die damaligen Anhaltspunkte einen anderen Sachverhalt als das jetzt bekanntgewordene Schienenkartell betroffen, erklärte die Bahn. Der Konzern verwies darauf, dass nach Angaben des Bundeskartellamts die 2011 bekanntgewordenen Preisabsprachen auf dem Schienenmarkt erst ab 2001 begonnen hätten.