Industriegigant räumt auf: Drei sechs Vorstandsmitgliedern müssen nach Korruptionsvorwürfen und Verlusten in Amerika gehen.

Düsseldorf. Milliardenverluste in den USA, Schlagzeilen um Kartelle und Luxusreisen: Der größte deutsche Stahlkonzern will einen Neuanfang und schmeißt drei der insgesamt sechs Vorstandsmitglieder raus. Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat begrüßten die Pläne als „Signal für einen Neuanfang“.

Der Personalausschuss von ThyssenKrupp hatte am Mittwochabend mit der Entlassung des halben Vorstands Konsequenzen aus Missmanagement und Unregelmäßigkeiten im Konzern gezogen. Die Verträge von Olaf Berlien, Edwin Eichler und Jürgen Claassen sollen zum 31. Dezember aufgehoben werden.

Berlien, Claassen und Eichler seien mit der Aufhebung ihrer Verträge einverstanden, teilte ThyssenKrupp mit. Das Vorhaben sei eng mit Vorstandschef Heinrich Hiesinger abgestimmt. Claassen war bereits auf eigenen Wunsch bis auf weiteres von seinen Aufgaben entbunden worden, nachdem die Staatsanwaltschaft Essen Ermittlungen im Zusammenhang mit Berichten über Luxusreisen eingeleitet hatte.

Auf ThyssenKrupp kommen nach der Aufdeckung eines Aufzugs- und Rolltreppenkartells gleich mehrere Schadenersatzklagen zu. Dem Berliner Landgericht liegen Schadenersatzklagen von Städten und der Bahn sowie von mehreren Bauunternehmen vor. Die EU-Kommission hatte bereits eine millionenschweren Geldbuße verhängt. Berlien ist für den betroffen Unternehmensbereich Aufzugtechnik zuständig. Sein Vertrag sollte eigentlich erst am 31. März 2017 auslaufen.

In der Vergangenheit war der Essener Konzern auch mit einem Schienenkartell in die Schlagzeilen geraten. Es war im vergangenen Jahr aufgeflogen. Das Bundeskartellamt hatte daraufhin im Juli dieses Jahres wegen Absprachen zulasten der Bahn ein Bußgeld von 103 Millionen Euro gegen ThyssenKrupp verhängt.

Claassen steht wegen Luxusreisen mit Journalisten und eigener Reisen in der Kritik. Die Staatsanwaltschaft Essen prüft die Aufnahme von Ermittlungen wegen Untreue. Claassen hatte bereits am vergangenen Wochenende den Aufsichtsrat gebeten, ihn bis auf weiteres von seinen Vorstandsaufgaben zu entbinden. Der frühere Pressesprecher war im Vorstand für die Einhaltung rechtlicher Vorgaben zuständig, sein Vertrag sollte ursprünglich bis 20. Januar 2016 gehen.

Eichler ist bisher im Vorstand für die Stahlsparte zuständig, sein Vertrag sollte am 30. September 2017 enden. Für seine Sparte Steel Americas mit den Werken in Brasilien und den USA sucht ThyssenKrupp Käufer. Die Anlagen haben sich als Milliardengrab erwiesen.

Der Bau und Hochlauf beider Werke hat nach Angaben von Hiesinger aus dem Mai bislang rund zwölf Milliarden Euro verschlungen. Die Prüfung der Projekte habe ergeben, dass die Planungen des früheren Vorstands deutlich zu optimistisch gewesen seien oder sich im Nachhinein als falsch erwiesen hätten, teilte ThyssenKrupp jetzt mit.

Die drastische Neuordnung des Vorstands beim krisengeplagten ThyssenKrupp-Konzern wurde an der Börse verhalten aufgenommen. Nach Ansicht der DZ-Bank-Analysten dürfte der Personalschnitt einen Wechsel in der Unternehmenskultur signalisieren. Gleichzeitig zeige der Schritt, wie dramatisch die Lage für ThyssenKrupp sei, schrieben die Experten in einem Kurzkommentar. Die Aktie stieg am Donnerstag mit dem Gesamtmarkt um gut ein Prozent.

Der Aufsichtsrat will sich in seiner Sitzung am Montag mit einer Reihe von Problemen befassen – von Korruptionsvorwürfen gegen Mitarbeiter, den Verluste schreibenden Übersee-Stahlwerken bis zum schwächelnden Geschäft mit dem Werkstoff in Europa. Am Dienstag (11. Dezember) legt der Konzern dann seine Zahlen für das Geschäftsjahr 2011/12 vor.