Verhandlungen um zentrale Bankenaufsicht vor dem Durchbruch – Berlin hat noch Zweifel an Schutz der EZB-Unabhängigkeit.
Brüssel. Für die Südländer ist sie ein dickes Abwehrgeschütz gegen die Schuldenkrise. Für die anderen ein höchst unwillkommener Türöffner zu weiterer Milliardenhilfe: die einheitliche Bankenaufsicht für die Eurozone.
Denn sobald die Aufsicht funktioniert, soll sie strauchelnden Banken direkte Finanzspritzen aus dem Rettungsfonds ESM ermöglichen. Die betroffenen Staaten würden nicht länger belastet, sondern die Steuerzahler der solventen Länder, allen voran aus Deutschland.
Seit der Grundsatzentscheidung im Juni gehört die Bundesregierung deswegen zu den Bremsern bei dem ehrgeizigen Projekt. Am Dienstag (4. Dezember) wird sich zeigen, ob Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) einlenkt: Dann verhandeln Schäuble und seine 26 EU-Kollegen über das schwierige Dossier. „Eine Einigung ist in greifbarer Nähe“, hieß es am Montag aus hohen Diplomatenkreisen. Damit wäre der Startschuss für die Aufsicht noch in diesem Jahr möglich.
Die Botschafter der Mitgliedsstaaten haben in den vergangenen Tagen in zähen Verhandlungen einen Deal vorbereitet. „Die entscheidende Frage ist jetzt: Ist der politische Wille groß genug“, sagte ein weiterer Diplomat in Brüssel. Für die kniffligsten Fragen gebe es zwar Lösungsvorschläge. „Doch abgeräumt ist noch keine.“
Einer der wichtigsten Knackpunkte für Berlin: Wie kann erreicht werden, dass die geldpolitische Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB) unberührt bleibt, wenn die EZB die Banken künftig auch kontrolliert? Schließlich sind beide Aufgaben verquickt und Interessenkonflikte programmiert.
Der Kompromissvorschlag: Der EZB-Rat, höchstes Entscheidungsgremium in Frankfurt, soll nicht inhaltlich in die Beschlüsse des neu zu schaffenden Überwachungsgremiums hinein funken dürfen. Es soll die Entscheidungen der Kontrolleure entweder pauschal akzeptieren – oder zurückweisen, damit die Überwacher einen neuen Beschluss fassen.
Allerdings scheint man in Berlin nicht davon überzeugt, dass die Formel ausreicht, um die geforderte „chinesische Mauer“ zwischen Aufsehern und Geldpolitikern zu bauen. Schließlich würde der EZB-Rat, der über die Geldpolitik bestimmt, ein Vetorecht für die Bankenaufsicht bekommen. Wirklich unabhängig wären beide Bereiche also nicht.
Gestritten wird auch nach wie vor, welche der mehr als 5.000 Banken ans kurze Gängelband der EU-Aufsicht gelegt werden sollen. Einigkeit herrscht, dass sich die EZB grundsätzlich alle Banken schnappen kann. Doch soll das aus Sicht Schäubles an klare Kriterien geknüpft werden: Bilanzsumme, Bedeutung der Bank für die nationale Wirtschaft, internationale Aufstellung. Nur wenn das wirklich detailliert ausgearbeitet sei, ließen sich Flickwerk und unnötige Einmischung der Zentralaufsicht verhindern.
Große Schwierigkeiten bereitet nicht zuletzt die Frage, wie die Nicht-Euro-Länder eingebaut werden können. Es gibt ja schon eine Europäische Bankenaufsicht (EBA) für alle 27 EU-Staaten, und die Regeln müssen nun angepasst werden. Und in dem Zusammenhang pochen Briten, aber auch Polen und andere Nicht-Euro-Länder auf größeren Einfluss in der EBA. Frankreich und Deutschland wiederum sehen das gar nicht ein. Allerdings muss die neue Aufsicht auch von den Briten akzeptiert werden – sie haben damit ein Vetorecht. Ob es der zyprischen Ratspräsidentschaft gelingt, auch dafür am (morgigen) Dienstag einen tragfähigen Kompromiss zu präsentieren, blieb am Montag noch offen.
Und selbst wenn eine Einigung auf den technischen Rahmen gelingt, muss anschließend noch der Kalender ausgehandelt werden: Klar ist, dass es Schritt für Schritt gehen soll. Doch während Frankreich Riesenschritte machen will, sind es in Berlin eher Trippelschritte. Präsident Francois Hollande sagte im Oktober in Brüssel, für ihn sei es nur „eine Frage von Monaten“, bis der ESM nach dem Startschuss für die Zentralaufsicht ersten Banken direkt unter die Arme greifen kann.
Für die Bundesregierung wäre es denkbar unbequem. Dann müsste der Bundestag noch vor der Wahl im Spätsommer 2013 über neue Milliardenhilfe abstimmen. Und diesmal nicht für Staaten – sondern für Banken. Das wäre eine Steilvorlage für die Opposition, das rettungsmüde Wahlvolk in Aufregung zu versetzen.