Alles lief auf neuen Zeithorizont für die Bankenaufsicht hinaus. Bei der Umsetzung würden sich Staaten auch 2013 Zeit lassen.
Brüssel. Bei der umstrittenen europäischen Bankenaufsicht ist ein Kompromiss in greifbare Nähe gerückt. Deutschland und Frankreich näherten sich auf dem EU-Gipfel nach einem Schlagabtausch an. Für die Aufsicht soll es nun einen erweiterten Fahrplan geben. Das berichteten EU-Diplomaten am Donnerstagabend am Rande des Spitzentreffens in Brüssel. Der rechtliche Rahmen für die mächtige Aufsicht über alle 6000 Banken im Euroraum soll demnach – wie bisher geplant – bis Jahresende stehen. Für die praktische Umsetzung wollten sich die Staaten aber noch das kommende Jahr Zeit lassen.
Falls diese Pläne so kommen, hätte sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit der Forderung durchgesetzt, dass die EU sich mehr Zeit für die Bankenaufsicht lassen muss. Merkel hatte noch am Vormittag in einer Regierungserklärung gewarnt: „Allerdings muss Qualität an dieser Stelle vor Schnelligkeit gehen.“ Es gebe eine Vielzahl komplizierter rechtlicher Fragen.
Die „Südländer“ wie Italien und Spanien hatten als Starttermin der neuen Aufsicht Anfang 2013 verlangt. Diese ist Voraussetzung dafür, dass marode Banken in Krisenstaaten direkte Hilfe aus dem Euro-Rettungsschirm ESM bekommen können. Spanien gilt als erster Anwärter dafür.
Die Aufseher unter dem Dach der Europäischen Zentralbank (EZB) werden wohl nicht bereits zum kommenden Jahreswechsel die Arbeit aufnehmen – das zeichnete sich ab. EZB-Präsident Mario Draghi hatte zuletzt Anfang 2014 als Startdatum genannt. Endgültige Beschlüsse soll es erst beim EU-Gipfel im Dezember geben.
Deutschland und Frankreich hatten sich zuvor in Brüssel ein Duell von ungewöhnlicher Härte geliefert. Staatspräsident François Hollande warf Merkel vor, das Umsetzen alter Gipfelbeschlüsse zur Absicherung der Eurozone zu verzögern. „Beenden wir doch erstmal die Ratifizierung und Umsetzung dessen, was wir vereinbart haben“, forderte Hollande zum Auftakt des zweitägigen Spitzentreffens. Auch den deutschen Vorstoß nach raschen Änderungen des EU-Vertrags zur Stärkung der Eurozone lehnte Frankreichs Staatspräsident ab. Deutsche Diplomaten betonten jedoch, es gebe keine schweren Meinungsverschiedenheiten mit Paris.
Die Bankenaufsicht ist keineswegs das einzig kontroverse Gipfel-Thema. Hollande hatte bereits zuvor seine alte Forderung nach einer gemeinsamen Schuldenpolitik („Eurobonds“) bekräftigt. Dies lehnt Deutschland kategorisch ab, weil es die Schuldenaufnahme verteuern würde. Auch Österreichs Kanzler Faymann plädierte für eine Vergemeinschaftung von Schulden. Er lehnte auch den von der Kanzlerin vorgeschlagenen Topf von zeitlich befristeten und projektbezogenen Geldern ab: „Ich bin gar nicht der Meinung, dass wir zur Stunde so ein Eurozonenbudget brauchen.“ Nach Merkels Idee könnte das Budget aus Einnahmen der geplanten Börsensteuer gespeist werden.
Auch die von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vorgeschlagenen Vertragsänderungen kommen in Paris und anderen Hauptstädten nicht gut an. Schäuble hatte sich für ein „Eurogruppen-Parlament“ ausgesprochen, bei dem Entscheidungen zur Eurozone nur von Abgeordneten aus diesen Staaten abstimmen sollten. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz widersprach und plädierte „für den Ansatz 27 minus“ – minus Dänemark und Großbritannien, die beim Euro nicht mitmachen wollen.
Der von Schäuble und Merkel geforderte „Super-Währungskommissar“, der ein starkes Durchgriffsrecht gegenüber nationalen Haushalten haben soll, ist ebenfalls umstritten. Merkel sagte, ihr sei bewusst, dass es in vielen Staaten dazu noch keine Bereitschaft gebe. „Das ändert nichts daran, dass wir uns dafür stark machen werden.“
Akute Krisen in Griechenland und Spanien blieben bei dem Spitzentreffen zunächst ausgeklammert. Der Madrider Regierungschef Mariano Rajoy äußerte sich in Brüssel nicht zu Spekulationen, wonach er schon bald neue Hilfen der Euro-Partner beantragen könnte. Dabei ginge es dann um Milliardenzahlungen an den Gesamtstaat – Madrid bekam bereits Unterstützung für seine maroden Banken zugesagt.
Der Friedensnobelpreis für die Europäische Union wird am 10. Dezember von den drei Präsidenten des EU-Rates, des Europaparlaments und der EU-Kommission entgegengenommen. Das sagte Parlamentspräsident Martin Schulz nach einem Gespräch mit den EU-Staats- und Regierungschefs. Zuvor hatte Ratspräsident Herman Van Rompuy auch die Staatenlenker selbst eingeladen, bei der Verleihung dabei zu sein.