Italiens Regierungschef Mario Monti sieht das “Projekt Europa“ gefährdet, denn die Euro-Gegner in dem Krisenland haben Konjunktur.

Rom. Bringt die Finanz- und Schuldenkrise in der Eurozone das "Projekt Europa" zu Fall? Italiens Mario Monti, einst EU-Kommissar und heute Regierungschef in Rom, sieht die Gefahr heraufziehen. Und er befürchtet vor allem eine gefährlich anwachsende Stimmung gegen den Euro und den "Bremser" Deutschland.

Was Monti warnend dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ sagte, dass Deutschland in der Euro-Krise flexibler sein müsste, ist von Furcht getragen: Die spätestens im April 2013 in Italien anstehenden Parlamentswahlen könnten zu einem Referendum über Europa werden. Konjunktur haben derzeit Euro-Skeptiker und Seitenhiebe auf Berlin.

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Wirtschaftsprofessor Monti, von Staatspräsident Giorgio Napolitano im November eingesetzt, hat das hoch verschuldete und unter massiver Wachstumsschwäche leidende Italien vor dem Absturz bewahrt – vorerst jedenfalls. Im Jahr der Rezession in der drittgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone hagelte es für die Italiener harte Sparpakete mit noch höheren Steuern. Und die Technokratenregierung legt die Axt an den aufgeblähten Verwaltungsapparat. Dass Italien weiterhin wie das andere Sorgenkind Spanien unter dem Druck der Anleihemärkte steht, dafür ist aus Montis Sicht Europas Politik verantwortlich. Er betont auch, dass Italien trotz Krise massiv in die Rettungskassen einzahlt.

Er war als „Retter Italiens“ ins Amt gekommen. Wenn dann der andere „Super-Mario“, EZB-Chef Draghi, wie zuletzt am Donnerstag keinen neuen Maßnahmen gegen die Zinslast und die nervösen Märkte ankündigt, muss Monti um sein Werk bangen. Die Schuld daran geben Medien – wie am vergangenen Freitag das rechtskonservative Blatt „Il Giornale“ – indes auch Angela Merkel: „Das Nein Merkels und Deutschland lässt uns und Europa in die Knie gehen.“ Selbst die zurückhaltende, liberale „La Stampa“ sprach am Montag von der deutschen Neigung, gegen den ganzen Rest der Welt – oder fast – Recht behalten zu wollen. Zeichen einer steigenden „Anti-Stimmung“ wie in Athen.

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Der parteilose Regierungschef mit der leisen Stimme und den offenen Worten muss populistische Strömungen befürchten, die schlimmstenfalls gefährden, was er als Reformen eingeleitet hat. Da ist zum einen der Komiker Beppe Grillo, dessen Anti-Euro-Mantra ein Klassiker in seinen Shows ist. Grillo ist auch der Chef der Internet-Bewegung „Fünf Sterne“. Diese hat bei Regionalwahlen schon bemerkenswerte Erfolge erzielt und will jetzt in Rom ins Parlament. In Internet-Foren der Grillo-Bewegung wird auch schon mal über einen Boykott deutscher Waren diskutiert. „Die nächsten Wahlen könnten zum Referendum über Europa werden“, vor allem, falls Italien unter den Rettungsschirm müsse, meinte der Mailänder „Corriere della Sera“.

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Und dann ist da noch Silvio Berlusconi. Wegen der verschärften Finanzkrise musste er zurücktreten, seine Mitte-Rechts-Partei PdL (Volk der Freiheit) ist in der Wählergunst eingebrochen und droht von der populistischen Grillo-Bewegung weggedrängt zu werden. Was macht Berlusconi? Er macht Stimmung mit Anti-Merkel-Parolen, bringt eine Rückkehr zur Lira ins Spiel, ist auch auf Europa nicht sonderlich gut zu sprechen. „Technokraten und Euro-Bürokraten sind gescheitert: über den Euro müssen die Italiener entscheiden“, wird aus seiner Partei schon getwittert. Und Berlusconis Medien-Imperium bringt Umfragen, wonach 70 Prozent der Italiener jetzt die Lira zurückhaben wollen.

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Anhaltende Rezession, anhaltender Druck der Finanzmärkte, soziale Hiobsbotschaften in allen Ecken Italiens über die Folgen der Krise - gehen die bislang folgsamen Italiener nach dem Urlaubsmonat August nach dem Vorbild der Spanier auf die Straßen? Immer wieder ist auch mal von Neuwahlen noch in diesem Jahr die Rede. Die drohten dann zu einer Abstimmung gegen Europa zu werden. Derweil muss Monti das Parlament, in dem ihn Berlusconis Partei widerstrebend noch stützt, zu erhöhter Schlagzahl antreiben. Und ein Gesetz nach dem anderen mit dem Vertrauensvotum rasch abhaken. Denn er hat nicht mehr viel Zeit.