Lange war das Projekt ein Wunschtraum, jetzt ist es technologisch machbar. Wie es funktioniert, was die Chancen und Risiken sind.
Hamburg. Fritz Vahrenholt, Vorstandsmitglied beim nordrhein-westfälischen Energieriesen RWE und früher SPD-Umweltsenator in Hamburg, ist bekannt dafür, dass er sich um die Zukunft der weltweiten Energieversorgung und um den Klimaschutz sorgt. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass sein Arbeitgeber an einem Projekt mitwirkt, das fantastisch klingt, dem Experten aber eine Realisierbarkeit nachsagen.
Rund 20 Unternehmen, darunter neben dem Stromversorger E.on auch RWE, die Deutsche Bank, Siemens und Vertreter der Solarwirtschaft, werden sich am 13. Juli auf Einladung der Versicherung Münchener Rück in München treffen, um eine Kooperation zum Bau von Solarkraftwerken in der afrikanischen Wüste zu vereinbaren. 400 Milliarden Euro soll das Projekt kosten, das nicht nur Länder wie Marokko, Algerien oder Ägypten mit Strom versorgen soll, sondern Überschüsse der Produktion über noch zu legende Stromkabel unter dem Mittelmeer nach Europa und damit am Ende auch nach Deutschland liefern wird. Damit entstünde das größte Ökostromprojekt aller Zeiten.
"Einzigartig an dem Projekt ist, dass es von Umweltgruppen initiiert wurde und jetzt Umweltvertreter und die Großindustrie zusammen an der Realisierung arbeiten werden", sagte Vahrenholt, der bei RWE die für Erneuerbare Energien zuständige Konzernsparte Innogy leitet, dem Abendblatt. Vertreter des Clubs of Rome und der Umweltschutzorganisation BUND seien unter anderem mit im Boot, genauso wie die im Jahr 2003 gegründete Stiftung Desertec. Auch der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Günter Gloser (SPD), soll seine Teilnahme an dem Treffen zugesagt haben und ein Vertreter der Arabischen Liga.
Neue Wege zur Stromerzeugung
Erstes Ziel des Konsortiums könnte laut Vahrenholt sein, die afrikanischen Staaten mit Strom aus Sonnenenergie zu beliefern. "Damit wird auch dort eine nachhaltige Energieversorgung entstehen." Zudem sollen laut Münchener Rück Produktionsüberschüsse über noch zu verlegende Kabel nach Europa transportiert werden, und damit auch Deutschland erreichen. Doch bis die Hochspannungsleitungen gelegt werden, können Jahre vergehen. Außerdem gilt es laut Experten als sicher, dass vor Deutschland noch Spanien und Italien wegen ihrer räumlichen Nähe zum Mittelmeer Strom aus der Wüste beziehen werden.
Auf ihrem ersten Treffen in München wollen die Beteiligten als Erstes eine "vertiefte Machbarkeitsstudie" des Projekts beschließen. Ein Sprecher der Deutschen Bank betonte gestern jedoch, es gebe bislang noch keine konkreten Abmachungen.
Das Interesse der Teilnehmer an dem Projekt ist unterschiedlich. Rückversicherungen wie die gastgebende Münchener Rück sind immer stärker von Naturkatastrophen betroffen, die wiederum Folgen des Klimawandels sind. Die Schadenssummen nehmen seit Jahren zu. Stromkonzerne wie RWE und E.on nehmen eine zunehmende Ablehnung ihrer Kunden und der Politik gegenüber Kohlekraftwerken wahr und suchen in den regenerativen Energien neue Wege der Stromerzeugung.
Siemens ist führend beim Bau von Fernleitungen und Marktführer bei Dampfturbinen für solarthermische und Parabolrinnen-Kraftwerke, wie sie in Afrika errichtet werden sollen. Eine Stromerzeugung auf Basis der Technik der Solarthermie ist heute laut Desertec-Sprecher Michael Straub nur halb so teuer wie Solarstrom aus den in Deutschland gängigen Fotovoltaikanlagen.
Die Münchener Rück betonte gestern, dass das Interesse in Nordafrika an dem Plan groß sei. Zudem wolle der Rückversicherer Spanien und Italien von der Idee begeistern, während man im Atomstromland Frankreich weniger Zustimmung erwartet. Deutschlands größte Solarfirma Solarworld dagegen betrachtet die Pläne mit Skepsis. "Baut man die Solarkraftwerke in politisch instabilen Ländern, bringt man sich in die gleiche Abhängigkeit wie beim Öl", sagte Solarworld-Chef Frank Asbeck. Grundsätzlich sei es aber richtig, Solarstrom dort zu produzieren, wo er am günstigsten sei.
Zwar würde man sich mit dem Afrika-Projekt weniger abhängig von den Ölförderstaaten der Opec machen, sich aber dafür in die Hand von nordafrikanischen Staaten begeben, sagte auch Karsten von Blumenthal, Analyst bei der Warburg-Tochter SES Research. "Man sollte sich nicht übermäßig abhängig machen von mäßig regierten Ländern", sagte er dem Abendblatt. Blumenthal plädiert für mehr dezentrale Anlagen für die deutsche Stromversorgung wie Windkraft, Fotovoltaik oder Biomasse. Der Analyst ist zudem überzeugt, dass die Kosten für Fotovoltaikanlagen auf Dächern weiter sinken werden. "In wenigen Jahren ist Fotovoltaik auf privaten Häusern beim Preis wettbewerbsfähig."