Gewinn der einst so rentablen Sparte des Investmentbanking bricht um mehr als 60 Prozent ein. Führungsduo will neue Unternehmenskultur.
Frankfurt. Die Deutsche Bank geht schweren Zeiten entgegen und reagiert mit einer Schrumpfkur - vor allem im Investmentbanking. In der einstigen Vorzeigesparte werden künftig deutlich weniger Banker arbeiten, und sie sollen auch lange nicht mehr so generös entlohnt werden wie bisher. Die neuen Co-Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen wollen 1900 Stellen streichen, davon allein 1500 im Investmentbanking. Die Bezahlung der Mitarbeiter soll sinken, sowohl absolut als auch in Relation zum Gewinn für die Aktionäre. Insgesamt will die Bank damit ihre Kosten um drei Milliarden Euro reduzieren.
Angesichts der anhaltenden Euro-Krise läuft das Kapitalmarktgeschäft schlecht. Im zweiten Quartal verdiente sogar die Privatkundensparte mit einem Vorsteuergewinn von 398 Millionen Euro mehr als das Investmentbanking - das war bis vor wenigen Jahren noch unvorstellbar, sorgte das Wertpapiergeschäft doch lange beinahe im Alleingang für Rekordgewinne. Die neue Hackordnung hat allerdings weniger mit strategischen Entscheidungen wie etwa dem Kauf der Postbank zu tun als mit der Konjunktur an den Finanzmärkten. Der Gewinn des Investmentbankings brach im Vergleich zum zweiten Vierteljahr 2011 um mehr als 60 Prozent auf 357 Millionen Euro ein.
Doch Jain und Fitschen wollen nicht nur als Sparkommissare antreten - zweiter Eckpunkt ihrer Strategie soll eine neue Kultur für die Bank werden. "Wir sind uns bewusst, dass die Bankenindustrie einen Kulturwandel braucht - vor allem im Investmentbanking", sagte Jain in einer Telefonkonferenz. Dabei wolle die Deutsche Bank eine Vorreiterrolle spielen. Ein Kernthema sind die Bonuszahlungen. Veränderungen bei den Vergütungsmodellen seien die wichtigsten überhaupt, betonte Jain. Die Deutsche Bank habe die Boni in den vergangenen Jahren bereits reduziert. Nun müsse man die absolute Höhe der Bezahlung noch einmal prüfen ebenso wie das Verhältnis zu den Gewinnen der Aktionäre. Außerdem will die neue Führung für hohe Verhaltensstandards stehen - auch wenn man bei mehr als 100 000 Mitarbeitern "Ausrutscher" nicht ausschließen könne, so Jain.
Immerhin soll er selbst sich in der schwelenden Affäre um Zinsmanipulationen keine Ausrutscher erlaubt haben - zu diesem Ergebnis kommt zumindest Aufsichtsratschef Paul Achleitner. Er tat dies auf ungewöhnliche Weise kund: "Sie werden es ungewöhnlich finden, ein Schreiben vom Aufsichtsrat zu erhalten, aber wir haben ein neues Kapitel in der Entwicklung unserer Bank aufgeschlagen", schreibt der Chef-Kontrolleur in einem Brief an die Mitarbeiter. Zur Libor-Affäre erklärt er darin: "Nach aktuellem Stand der Untersuchungen war kein amtierendes oder früheres Mitglied des Vorstands auf irgendeine unangemessene Weise in die untersuchten Vorgänge um Referenzzinssätze verwickelt." Dass einzelne Mitarbeiter getrickst haben, räumt die Bank ein.
Bei der britischen Großbank Barclays waren die Manipulationen dagegen offenbar von ganz oben angeordnet worden, Barclays-Chef Bob Diamond und weitere Top-Manager traten zurück. Bei der Deutschen Bank steht Jain besonders im Fokus, weil er für die Sparte der Deutschen Bank verantwortlich war, in der es zu den Zinsmanipulationen kam. Endgültig ausgestanden ist die Affäre damit aber noch nicht. Auch Achleitner verweist auf die Untersuchungen der Aufsichtsbehörden.
Auch das raue Geschäftsumfeld wird die Deutsche Bank noch länger begleiten. Die Euro-Krise belaste alle Geschäftsbereiche, warnten die neuen Chefs. Der Jobabbau, der bis Jahresende durch sein soll, fällt größer aus als erwartet. Er folgt ähnlich rigiden Maßnahmen der Konkurrenten in den USA und der Schweiz. Die meisten Jobs fallen im Ausland weg, denn die hoch bezahlten Investmentbanker - bei der Deutschen Bank 10 000 - sitzen vor allem in New York und London. Die letzte Sparrunde hatte es bei der Bank mitten in der Finanzkrise 2009 gegeben: Damals mussten 3400 Mitarbeiter gehen. Allein mit den Entlassungen hofft Jain 350 Millionen Euro zu sparen.
Mit den Zahlen zum zweiten Quartal hatte die Bank zuvor auf breiter Front enttäuscht. Der Vorsteuergewinn lag nur noch bei 960 Millionen Euro - knapp halb so viel wie im Vorjahr. Dazu trug auch die wenig rentable Vermögensverwaltung bei. Die Sparte wird radikal umgebaut. Im September wollen Jain und Fitschen Details ihrer Strategie vorstellen - dann wollen sie nicht nur Sparziele ausgeben, sondern auch verraten, wo die Bank Geld einnehmen soll. "Wachstum ist ein Muss", forderte Jain schon einmal. "Der Gegenwind darf keine Entschuldigung sein."