Werner Otto, Unternehmer mit sozialer Ader, wollte mit seinen vielen Spenden für Kultur und Medizin andere animieren, es ihm gleichzutun.
Hamburg. Dass Werner Otto ein sozial denkender und handelnder Mensch war, zeigt schon sein Verhalten als Unternehmer. Das Wohl seiner Mitarbeiter bedeutete ihm viel, auch hier war er sozial. Das fing schon bei den "Führungsrichtlinien" für die Manager des Hamburger Otto-Versands an, in denen eine "faire Haltung gegenüber den Untergebenen" festgeschrieben war. Außerdem sollten die Führungskräfte "frei von Dünkel" sein.
Dass Werner Otto als einer der ersten deutschen Unternehmer die Fünf-Tage-Woche einführte, ist häufig erwähnt worden. Aber schon 1957, also nur acht Jahre nach Gründung des Versandhandels, wurde im Unternehmen für die Mitarbeiter eine Sozialkasse für Beihilfen-, Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung gegründet, hinzu kam eine Betriebssportgemeinschaft. Otto legte großen Wert auf ein gutes Betriebsklima. So streng und unnachgiebig er mit seinen Spitzenmanagern war, so fürsorglich trat er gegenüber den einfachen Angestellten auf.
Wer Werner Otto näher kannte, weiß, dass seine vielen Spenden keine "Masche" waren, sondern auf gründlichen Überlegungen basierten. Zum einen hatte er die Einstellung, dass ein erfolgsverwöhnter Mensch der Gesellschaft etwas zurückgeben muss, zum anderen ging es ihm darum, nicht nur Stifter, sondern auch Anstifter zu sein. Das heißt: Er wollte andere animieren mitzuziehen.
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Dabei trat er ebenso entschlossen und selbstbewusst auf wie bei geschäftlichen Aktivitäten. Denn Otto konnte es - bei aller persönlichen Anspruchslosigkeit - absolut nicht leiden, wenn man ihn als "bescheiden" bezeichnete. Männer in seiner Position, die sich bescheiden gerierten, waren für ihn entweder Heuchler oder beschränkt.
Weil Werner Otto vor allem ab den späten 1990er-Jahren sehr viel spendete, wird oft übersehen, dass sein Mäzenatentum schon viel früher einsetzte und kontinuierlich über viele Jahrzehnte wirkte. Bereits 1963 stiftete er einen Spielplatz für den Stadtteil Hamm, ein Jahr zuvor hatte der Otto-Versand den Opfern der verheerenden Sturmflut in der Hansestadt mit Sach- und Kleiderspenden im Wert von rund 100 000 Mark geholfen.
Die Werner-Otto-Stiftung zur Förderung der medizinischen Forschung wurde schon 1969 gegründet. In mehr als 40 Jahren hat sie rund 20 Millionen Euro ausgeschüttet - Geld, das vor allem medizinischen Forschungsprojekten und kranken Menschen in Hamburg zugutegekommen ist. Wenn man diese hohe Summe mit anderen Großspenden addiert, zum Beispiel dem Geld für die Sanierung des Belvedere in Potsdam und des Werner-Otto-Saals in Berlin, ist es realistisch, dass dieser Mäzen der Allgemeinheit rund 50 Millionen Euro geschenkt hat. Hinzu kommen noch die vielen Spenden seiner Angehörigen.
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Werner Otto war nie taub für die Hilferufe anderer, allerdings ist er bei der Verteilung seiner Zuwendungen genauso gewissenhaft und strukturiert vorgegangen wie beim Aufbau seiner Unternehmen. Getreu dem von ihm oft zitierten Satz "Erst kommt der Mensch" spendete er über Jahrzehnte fast ausschließlich für medizinische Einrichtungen wie das Hamburger Werner-Otto-Institut oder das Werner-Otto-Haus in Berlin.
Erst als diese Einrichtungen erfolgreich auf den Weg gebracht waren, wandte sich der Architekturliebhaber der Bewahrung und Neugestaltung historisch wertvoller Bauten zu. Hilfegesuche ließ Werner Otto von Mitarbeitern gründlich prüfen, die eigentliche Zusage ging dann immer schnell über die Bühne.
Otto, der bei aller Nüchternheit als Geschäftsmann auch sehr viel Humor hatte, liebte es, gelegentlich die Zusage für eine Spende dem Empfänger fast nebenbei mitzuteilen, quasi im Vorbeigehen. Der Grund: Die dann einsetzende ungläubige Freude gefiel ihm - ungefähr so wie eine gelungene Überraschungsparty.
In Hamburg, der viel zitierten "Hauptstadt der Stifter", hat man sich an die Großzügigkeit von Mäzenen gewöhnt. Aber Werner Otto ist nicht irgendein Stifter, und sein Engagement kann gar nicht hoch genug geschätzt werden. So ist es auch nicht überraschend, dass viele der von ihm gegründeten und geförderten Einrichtungen heute seinen Namen tragen.
Im Jahr 1997 bedankte sich Werner Otto in einem Brief an das Abendblatt sehr stilvoll für einen gelungenen Artikel. Dass er darin als "Unternehmerlegende" bezeichnet worden war, amüsierte ihn - "und das schon zu Lebzeiten". Nun ist Werner Otto gestorben, doch als legendärer Unternehmer und Mäzen wird er ewig weiterleben.
Lesen Sie im Internet den Nachruf und alle Teile der Serie über Werner Otto www.abendblatt.de/werner-otto