Der Druck auf die Politiker nimmt zu und die Zeit wird immer knapper. Auf dem EU-Gipfel müssen die Staats- und Regierungschefs eine Lösung finden.

Berlin. Erbarmungslos treiben die Märkte seit fast zwei Jahren die Politik vor sich her. Weder Milliarden-Hilfspakete noch die zähen Debatten um immer neue Vorschläge zur Lösung der Euro-Schuldenkrise vermochten bisher, Ruhe zu schaffen. Zuletzt sahen sich die Notenbanken gezwungen, gemeinsam gegen das Misstrauen im Finanzsystem und gegen die Euro-Zone vorzugehen. Mehr denn je wird auf den „großen Wurf“ gewartet, der das Vertrauen wiederherstellt, dass die Euroländer die überbordenden Schuldenprobleme in den Griff bekommen können.

In ihrer Regierungserklärung zum EU-Gipfel (8. und 9. Dezember) hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag (2. Dezember) für eine Änderung der EU-Verträge ausgesprochen, um die Schuldenkrise in den Griff zu bekommen und Wiederholungen zu verhindern. „Es führt kein Weg vorbei, die europäischen Verträge zu ändern“, sagte Merkel. Der zweitbeste Weg wären neue Verträge. Eine Spaltung der Europäischen Union müsse dabei verhindert werden. Jedem der zehn EU-Mitglieder, die nicht der Währungsunion beigetreten sind, müsse es freistehen, sich den geplanten härteren Haushaltsregeln für die Euro-Länder anzuschließen.

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Den Vorstoß von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für nationale Tilgungsfonds der Euro-Länder zum Schuldenabbau begrüßte Merkel. Dies sei ein interessanter Vorschlag, mit dem die Schulden transparent abgebaut und Zweifel der Märkte und Anleger zerstreut werden könnten, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin.

Schäuble hatte vorgeschlagen, dass die Euro-Staaten sich verpflichten könnten, den Teil ihrer Gesamtverschuldung in einen speziellen nationalen Fonds auszulagern, der über 60 Prozent der Wirtschaftsleistung liegt. Entsprechende Überlegungen für solche Sonderfonds könnten den europäischen Partnern unterbreitet werden. Die nationalen Fonds könnten laut Schäuble wie der Erblastentilgungsfonds in Deutschland agieren und müssten mit eigenen Einnahmen unterlegt werden. Der „Erblastentilgungsfonds“ war ein Sondervermögen neben dem Bundeshaushalt, in den die Kosten der deutschen Einheit ausgelagert und abgezahlt wurden.

Schäubles Vorschlag ähnelt einem „Schuldentilgungspakt“, den die „Wirtschaftsweisen“ vorgestellt hatten. Statt nationaler Fonds schlugen sie aber einen gemeinsamen Euro-Schuldentilgungstopf vor. Deutschland hat einen Gesamtschuldenstand – also von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialkassen – von gut 80 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Die Vorgabe des Maastricht-Vertrages mit der Obergrenze von 60 Prozent wird damit klar verfehlt.

Schon jetzt gilt die Vorgabe, dass die Länder ihre Schulden in jährlich gleichen Schritten auf 60 Prozent der Wirtschaftsleistung drücken müssen. Mit nationalen Fonds wäre es aus Sicht Schäubles aber klar überprüfbar, dass die Euro-Länder tatsächlich ihre Schulden senken wollen. Dies wäre auch eine vertrauensbildende Maßnahme. Sollte es in Deutschland einen solchen Fonds geben, müssten sich laut Schäuble auch Bund und Länder verständigen. Dann werde man sicher auch auf gemeinsame Anleihen von Bund und Ländern, sogenannte Deutschlandbonds, zu sprechen kommen.

Fest steht: Wichtige Weichenstellungen werden für die kommende Woche erwartet. EU-Währungskommissar Olli Rehn sprach von einer kritischen Phase, um die Krisenantwort der EU zu beschließen.

Die wichtigsten Etappen im Überblick:

Montag (5. Dezember):

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy wollen in Paris ihre Rettungspläne präsentieren. Paris und Berlin dringen auf zügige Änderungen der EU-Verträge, damit die Euro-Stabilitätsregeln strenger überwacht und durchgesetzt werden können. Mit anderen Worten: Der Geburtsfehler des Euro soll angegangen werden – eine Währungsunion ohne politische Union.

Mehr Disziplin beim Sparen und verbindliche Budgetregeln könnten dann auch der EZB die Tür dafür öffnen, sich stärker als bisher bei der Stützung der angeschlagenen Euroländer zu engagieren. Das französische Enthüllungsblatt „Le Canard Enchainé“ zitiert dazu Sarkozy: „Das Tauschgeschäft ist eher einfach. Das Ende des EZB-Dogmas gegen absolute Einhaltung der Haushaltsdisziplin. Das setzt eine verstärkte Kontrolle Brüssels über die nationalen Haushalte voraus und eine teilweise Aufgabe von Hoheitsrechten, schwer in der Öffentlichkeit zu vermitteln, aber man hat keine Wahl.“

Am selben Tag geht der Blick auch nach Italien, der Dreh- und Angelpunkt in der Schuldenkrise. Der neue Ministerpräsident Mario Monti beginnt Verhandlungen über ein neues Sparpaket. Die Erwartungen der Märkte sind groß – die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone ist hoch verschuldet und gilt als größter Sprengsatz. Würden Italien weiter so hohe Zinsen wie zuletzt abverlangt, geriete das Land an den Abgrund, was alle bisherigen Hilfsinstrumente überfordern würde.

Mittwoch (7. Dezember):

Angesichts der laufenden Debatten kaum bemerkt, geht es im schuldengeplagten Irland mit kleinen Schritten voran: Der neue Premierminister Enda Kenny will an diesem Tag seinen Haushalt 2012 ins Parlament bringen. Erst vergangenen Mittwoch hatten die EU-Finanzminister die irischen Fortschritte gewürdigt – und die nächste Zahlung aus dem Irland-Hilfspaket freigegeben.

Donnerstag (8. Dezember):

Mit Spannung wird auf die Sitzung des EZB-Rates in Frankfurt geblickt. Die Währungshüter um den neuen EZB-Präsidenten Mario Draghi dürften, so die Erwartung vieler Volkswirte, abermals ihren Leitzins senken; er wäre dann wieder beim bisherigen Rekordtief von 1,0 Prozent angelangt.

Auch die EZB gilt als Dreh- und Angelpunkt in der Schuldenkrise: Nur die Notenbank kann jederzeit – und ohne lange Debatten – tätig werden, wenn sie es für geboten hält, auch als „Feuerwehr“ in Krisenzeiten. In der Debatte um einen forcierten Ankauf von Staatsanleihen aus Krisenländern ist sie – wegen ihrer potenziell unbegrenzten Mittel – entscheidender Akteur. Die EZB pocht allerdings auf Unabhängigkeit, Präsident Draghi bekräftigte am Donnerstag, die EZB könne Schuldenstaaten nur in begrenztem Umfang mit dem Kauf von Staatsanleihen helfen: „Die Regierungen müssen – einzeln und gemeinschaftlich – ihre Glaubwürdigkeit gegenüber den Finanzmärkten wiederherstellen.“

Freitag (9. Dezember):

Die Staats- und Regierungschefs der EU treffen sich in Brüssel zum Gipfel. Dieses Treffen soll nun richten, was bisher nicht gelang: ein durchgreifendes Paket gegen die Schuldenkrise zu schnüren. (dpa/reuters/abendblatt.de)