Die OECD warnt vor “katastrophalen Resultaten“ für den Fall, dass Amerikaner und Europäer die Schuldenkrisen nicht in den Griff bekommen.

Rom/Brüssel. Die OECD wählt starke Worte. Das Zukunftsszenario in ihrem neuen Konjunkturbericht fällt düster aus. Vor „absolut katastrophalen Resultaten“ warnt die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) für den Fall, dass Amerikaner und Europäer ihre Schuldenkrisen nicht in den Griff bekommen. Weltweit müssten sich Politiker aufs Schlimmste vorbereiten, wenn nicht schnell starke Signale für entschlossenes Handeln kämen. Die OECD mahnt: „Anders als im früheren Jahresverlauf erwartet, hat die Weltwirtschaft das Schlimmste noch nicht hinter sich.“

Was zu den geforderten starken Signalen gehört, machte OECD-Chef-Volkswirt Pier Carlo Padoan auf einer Pressekonferenz am Sitz der Organisation in Paris klar: Neben einer Aufstockung des Europäischen Rettungsfonds EFSF „um ein Vielfaches dessen, was wir bisher gelesen haben“, müsse auch die Europäische Zentralbank (EZB) „stärkere Feuerkraft“ erhalten.

Der Zentralbank komme in der Euro-Krise eine Schlüsselstellung zu: „Die EZB hat die Mittel für glaubwürdige Maßnahmen“, sie könne eine Ansteckung noch verhindern, sagte er mit Blick auf die hochnervösen Kapitalmärkte. Offen fordert die OECD, die EZB solle ihre Macht auch voll ausschöpfen, obwohl dafür eine Änderung ihres gesetzlichen Rahmens unausweichlich wäre.

Die Märkte haben die Zinsschraube für die Eurozone am Montag indes weiter angezogen: Italien musste für zwölfjährige Anleihen eine bedrohliche Rendite von 7,2 Prozent gewähren. Belgien wurde seine Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit nur für einen Aufschlag von 5,66 Prozent los – obwohl sich die zerstrittenen Parteien dort am Wochenende auf einen Sparhaushalt verständigt hatten.

Die Ratingagentur Moody's klingelte mit der Alarmglocke: Die „schnelle Eskalation der Euro-Schulden- und Bankenkrise“ bedrohe die Kreditwürdigkeit „aller europäischen Staaten“, hieß es in einer Erklärung vom Montag. Laut Moody's werden das Pleite-Risiko und damit die Geldkosten steigen, solange keine starken Maßnahmen zur Eindämmung der Krise beschlossen werden.

Auch Analysten warnten einen Tag vor dem nächsten Treffen der Euro-Finanzminister in Brüssel, die Zeit laufe der Politik davon. Die weiteren Anleihenauktionen in dieser Woche „könnten über die Zukunft der EU entscheiden“, sagte der Ökonom Gary Jenkins von Evolution Securities.

Medienspekulationen über eine Einführung von Gemeinschaftsanleihen der sechs kreditwürdigsten Euro-Länder hatten am Morgen kurzfristig für ein Aufatmen an den Märkten gesorgt. Das umgehende Dementi aus Berlin, die sogenannten Elite-Bonds seien kein Thema – ließ die Unsicherheit zurückkehren. Rom sah sich gezwungen, wegen der geforderten Rendite von 7,2 Prozent statt 750 Millionen Euro nur 567 Millionen Euro aufzunehmen.

Das sind keine guten Vorzeichen für Dienstag: Dann muss sich die italienische Schuldenagentur acht Milliarden Euro beschaffen. Angesichts der hohen Zinsen und des enormen Refinanzierungsbedarfs von 200 Milliarden Euro bis Ende April steigt die Sorge, dem neuen Ministerpräsidenten Mario Monti könnte die Zeit ausgehen, die Märkte von seinen Reformen zu überzeugen.

Dann müsste sich Italien an den Internationalen Währungsfonds wenden oder unter den Euro-Rettungsschirm EFSF flüchten. Der IWF wies am Montag Berichte zurück, es werde schon eine Finanzspritze für Italien in Höhe von 600 Milliarden Euro vorbereitet.

Damit der EFSF einspringen könnte, müssen die Euro-Finanzminister am (morgigen) Dienstag zunächst die Hebel zur Steigerung der Feuerkraft beschließen. Noch immer gibt es erhebliche Zweifel, ob die anvisierte Hebelwirkung erreicht werden kann. Statt wie im Oktober erhofft, rechnen Eingeweihte nicht mehr mit einer Verfünffachung der verbleibenden 270 Milliarden Euro, sondern maximal mit einer Vervierfachung. Doch die Investoren würden sich erst aus der Reserve locken lassen, wenn es um einen konkreten Fall gehe.

Neben Italien kommt dafür auch Belgien immer stärker in Betracht: Das Finanzministerium konnte am Montag zwar zwei Milliarden Euro aufnehmen. Die Rendite war mit 5,66 Prozent aber deutlich höher als zuletzt im Oktober (4,37 Prozent). Zwar einigten sich die Parteien am Wochenende auf Einsparungen und Reformen. Doch die müssen noch vom Parlament bestätigt werden. Und auch eine neue Regierung ist anderthalb Jahre nach der Wahl noch immer nicht installiert.

Damit die Zinsen nicht noch weiter hochschießen, haben die Zentralbanken des Eurosystems ihre Staatsanleihenkäufe in der vergangenen Woche weiter aufgestockt. Wie die Europäische Zentralbank mitteilte, wurden bis zum 25. November Bonds in Höhe von 8,581 Milliarden Euro gekauft, in der Vorwoche waren es 600 Millionen weniger.

Weil das nicht ausreiche, und die Entscheidungen zu massiveren Rettungseinsätzen ausbleiben, malte die Organisation für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) am Montag ein schwarzes Bild. Politiker auf der ganzen Welt müssten sich „auf das Schlimmste vorbereiten“, heißt es in ihrem Wirtschaftsausblick. Denn sollte die EU die Lage nicht unter Kontrolle bringen, könnte sich die Störung der Wirtschaft massiv ausweiten und „in absolut katastrophalen Resultaten enden“.

Doch weder für eine Garantie der EZB, Pleitekandidaten aufzufangen, noch für eine Schuldenaufteilung über sogenannte Euro-Bonds lässt sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bislang gewinnen. Berlin sieht den Ausweg in Vertragsänderungen, die die Haushaltsdisziplin in der Eurozone garantieren sollen. Gemeinsam mit dem französischen Staatschef Nicolas Sarkozy will sie dazu in den kommenden Tagen Vorschläge präsentieren. Am Freitag will sie ihren Plan vor dem Bundestag erklären. (dapd/abendblatt.de)