Es spitzt sich zu an den Anleihenmärkten - und der Kurs aus der Schuldenkrise ist umstrittener denn je.
Brüssel. Es spitzt sich zu an den Anleihenmärkten - und der Kurs aus der Schuldenkrise ist umstrittener denn je: EU-Kommissonschef José Manuel Barroso warf Bundeskanzlerin Angela Merkel mangelnden „Respekt vor den europäischen Institutionen“ vor, weil sie die Debatte über Euro-Bonds abwürgen wolle. Merkel nannte Barrosos Vorschläge „äußerst bekümmerlich“. Denn so werde der Anschein erweckt, durch die Vergemeinschaftung der Schulden könne man aus den Mängeln der Währungsunion herauskommen. „Genau das wird nicht klappen“, sagte sie vor dem Bundestag.
Dass Merkel wirklich bei ihrer Blockade bleibe, davon zeigte sich Barroso aber keinesfalls überzeugt. Er verwies auf den inzwischen aufgegebenen Widerstand Berlins gegen einen stärkeren und flexibleren Rettungsschirm EFSF: „Manchmal ist die Realität ein großartiger Lehrer.“ Zudem sehe er gar keine prinzipielle Ablehnung in Berlin. Dort hatte Merkel am Dienstag erklärt, über eine Haftungsgemeinschaft in der Währungsunion könne „frühestens am Ende der Krise gesprochen werden“. In dem Streit gehe es also nur um die Zeitschiene, interpretierte Barroso. Und er registriere zunehmende Unterstützung.
Der Kommissionschef stellte in Brüssel eine Machbarkeitsstudie zu den von ihm „Stabilitätsbonds“ genannten Gemeinschaftsanleihen vor. Darin werden drei Modelle analysiert: Zunächst eine Koordinierung des Schuldendienstes ohne Gemeinschaftshaftung, dann Euro-Bonds für ein Teil der Staatsschulden, schließlich der vollständige Ersatz nationaler Anleihen durch Anleihen der Eurozone. Auf ein Modell wollte sich Barroso noch nicht festlegen. „Ich habe so meine Ideen“, sagte er, aber vor einem konkreten Vorschlag müsse die Diskussion abgewartet werden.
Barroso geht auf deutsche Bedenken ein
Dass er für Euro-Bonds kämpfen werde, daran lies der Kommissionschef keinen Zweifel. Denn „schon die Einigung auf gemeinsame Anleihen könnten die Refinanzierungskosten für Staaten unter Druck senken“, wie es in seiner Studie heißt. Und die Lage nahm am Mittwoch an Dramatik zu: Selbst Berlin blieb bei einer Auktion von Bundesanleihen auf einem Drittel der Papiere sitzen. Und nach Italien, Spanien und Frankreich geriet auch Belgien heftig unter Druck, die Zinsen stiegen zwischenzeitlich auf 5,5 Prozent.
Barroso sieht deswegen keine Alternative zum stufenweisen Einsatz der Wunderwaffe Euro-Bonds: Durch die Schuldenaufteilung könne ein attraktiver Euro-Anleihenmarkt entstehen, der dem US-Markt ebenbürtig sei, meint seine Kommission. Allerdings sei die Einführung „nur wünschenswert und machbar, wenn zugleich die Haushaltsdisziplin gestärkt wird“. Damit geht Barroso auf den Einwand Berlins ein, erst nach der Sicherstellung der Sparkurse könne über Euro-Bonds gesprochen werden.
Er legte dazu auch konkrete Vorschläge vor: So will Brüssel in allen Ländern Schuldenbremsen einführen. Zudem sollen die Regierungen künftig jeweils bis zum 15. Oktober ihre vollständigen Budgetentwürfe bei der Kommission einreichen. Zwar bleibt die Haushaltshoheit bei den nationalen Parlamenten. Aber wenn sie trotz Einwänden der EU-Kontrolleure verabschiedet werden, droht die Kommission mit Sanktionen. Bei dem Verfahren müsste auch Deutschland seine Regeln ändern.
Brüssel will Wackelkandidaten unter Rettungsschirm zwingen
Länder am Eurotropf sollen noch schärfer und permanent überwacht werden und die Kuratel soll erst enden, wenn mindestens 75 Prozent der erhaltenden Unterstützung auch zurückgezahlt worden sind. Die Disziplinierungsmaßnahmen wären ohne Vertragsänderungen möglich - und gehen Deutschland deswegen nicht weit genug. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte am Dienstag verlangt, beim EU-Gipfel am 9. Dezember müsse es eine „Richtungsentscheidung“ für Vertragsänderungen geben, die Brüssel mit Durchgriffsrechten in die Haushaltspolitik von Schuldensündern ausstatten.
Die EU selbst plant einen weiteren wichtigen Eingriff in die Souveränität von Wackelkandidaten: Sie will die Problemländer künftig unter den Euro-Rettungsschirm zwingen können, damit die Krise durch das Zögern der Regierungen nicht weiter verschärft wird. Die Kommission verlange das Recht, „Staaten die Anfrage um finanziellen Beistand vorzuschlagen“, sagte Währungskommissar Olli Rehn. Grundlage sollte eine gemeinsame Analyse mit der Europäischen Zentralbank sein.
Die Regierungen von Irland und vor allem Portugal hatten lange gezögert, zum Eurotropf zu greifen, weil mit den Notkrediten scharfe Sparauflagen verbunden sind. Doch durch das Abwarten habe sich die Lage für andere Länder zugespitzt, sagte Rehn. Die Drohung, Regierungen unter den Rettungsschirm zu zwingen, richtet sich in erster Linie an Rom und Madrid.