Deutschland gilt als der „sichere Hafen“ im Euroraum. Jetzt blieb der Bund erstmals auf einem Teil seiner Staatsanleihen sitzen. Manche Experten finden die geringe Nachfrage besorgniserregend.
Frankfurt. Erstmals in der Schuldenkrise der Eurozone hat auch Deutschland bei einer Versteigerung von Staatsanleihen seine Grenzen aufgezeigt bekommen. Bei einer Auktion neuer Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren blieb die Bundesfinanzagentur auf etwa einem Drittel der Papiere sitzen. Bei einem Angebot im Volumen von 6,0 Milliarden Euro fanden nur Anleihen im Wert von 3,89 Milliarden Euro einen neuen Besitzer. Händler sprachen in ersten Reaktionen von einem erschreckend schwachen Ergebnis.
Analyst Ralf Umlauf von der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) bezeichnete die geringe Nachfrage als „sehr besorgniserregend“. In der Versteigerung sah er sogar „ein Misstrauensvotum gegen die gesamte Eurozone“. Ähnlich äußerte sich auch Experte Johannes Rudolph vom Bankhaus HSBC Trinkaus: „Dass Deutschland einen so hohen Anteil einer Auktion nicht an den Markt bringen kann, habe ich noch nicht erlebt.“
Die Bundesfinanzagentur versuchte sich nach der gefloppten Versteigerung in Schadensbegrenzung: „Das Ergebnis der heutigen Auktion spiegelt das äußerst nervöse Marktumfeld“, sagte ein Sprecher. Ein solcher Erklärungsversuch ist nach einer Auktion von Staatsanleihen sehr ungewöhnlich. Der Sprecher versicherte außerdem, dass es keinen Engpass bei der Refinanzierung für den Bundeshaushalt gebe.
Es gab aber auch Analystenstimmen, die vor einer Überbewertung der schwachen Nachfrage warnten. In der Vergangenheit habe es immer wieder Versteigerungen gegeben, bei denen die Finanzagentur nicht alle Anleihen absetzen konnte, sagte Michael Krautzberger vom US-Vermögensverwalter Blackrock. Außerdem würden die Banken als Abnehmer deutscher Anleihen derzeit bei Investitionen etwas kürzer treten. Das schwache Ergebnis der Versteigerung sei daher „weniger Maßstab für die Endnachfrage nach Bundesanleihen“, sagte Krautzberger.
Dennoch reagierten die Finanzmärkte teilweise heftig auf die geringe Nachfrage nach deutschen Staatsanleihen. Vor allem der Euro geriet mit der Veröffentlichung des Auktions-Ergebnisses kräftig unter Verkaufsdruck und rutschte deutlich unter die Marke von 1,34 US-Dollar auf ein Tagestief bei 1,3327 Dollar. Am deutschen Anleihenmarkt ging der richtungsweisende Euro-Bund-Future auf Talfahrt und rutschte 0,84 Prozent auf 136,09 Punkte. Auch der deutsche Aktienindex DAX rutschte zeitweise in die Verlustzone ab.
Die neue Bundesanleihe war mit einem Kupon über zwei Prozent ausgestattet. Laut der Bundesfinanzagentur war das der niedrigste Zinssatz, der jemals für Papiere mit einer Laufzeit von zehn Jahren angeboten wurde. Bei einem Durchschnittskurs von 100,15 Prozent lag die erzielte Rendite bei 1,98 Prozent. Dies ist etwas weniger als der Zins, mit der zehnjährige deutsche Staatsanleihen derzeit frei gehandelt werden.
HSBC-Experte Rudolph zeigte sich besorgt, dass mittlerweile selbst Deutschland in dem aktuell nervösen Marktumfeld kaum noch große Summen am Anleihemarkt platzieren könne. In den letzten Tagen und Wochen hatte sich die Lage am europäischen Markt für Staatsanleihen immer weiter verschlechtert. Nach Italien und Spanien waren zuletzt auch Länder wie Frankreich, Belgien und Österreich unter Druck geraten. (dpa/abendblatt.de)