Der Schuldenkrise begegnen die Euro-Regierungen mit mehr Geld und politischem Druck. Zu spüren bekam das Silvio Berlusconi.

Brüssel. Angela Merkel hatte die Beobachter vorgewarnt: "Konkrete Entscheidungen wird es erst am Mittwoch geben", sagte sie und versuchte auf diese Weise, zumindest ein bisschen, den Druck von dem Euro-Gipfel am Sonntag zu nehmen. Nicht ganz ohne Erfolg: Auch wenn sich in den Medien am Morgen nach dem ersten Gipfel die Enttäuschung abzeichnet, dass es wieder keine befriedigende Antwort auf die brennende Frage nach der Schulden- und Bankenkrise gab - zumindest die Finanzmärkte scheinen beruhigt. Und spekulieren auf eine baldige Lösung: Der Euro liegt am Montag über der 1,39-Dollar-Marke. Die Gemeinschaftswährung notierte zeitweise auf dem höchsten Stand seit Anfang September. Am Freitag hatte der Euro im New Yorker Schlussgeschäft bei 1,3894 Dollar gelegen. „Wir warten zwar immer noch auf den großen Anti-Krisen-Plan, aber es sieht so aus, dass man im Streit um die Ausgestaltung des EFSF und in der Frage der Banken-Rekapitalisierung auf einem guten Weg ist“, sagte ein Händler einer großen japanischen Bank. Die Analysten der Commerzbank warnen allerdings vor zu viel Euphorie: „Wir können unsere Zweifel nur erneuern, denn auch jetzt sind die Versprechen wieder groß“, hieß es einem Kommentar.

Und tatsächlich gibt es noch viele Baustellen: Das Gesamtpaket ist nach wie vor offen, die Probleme stauen sich an: Griechenland muss vor einem Zusammenbruch gerettet werden. Risiko-Staaten wie Italien und Spanien sollen aus der Schusslinie der Finanzmärkte genommen werden. Deutschland und Frankreich erhöhten auf dem EU-Gipfel entsprechend den politischen Druck auf Italiens Premier Silvio Berlusconi – seine Regierung müsse die Schuldenlast verringern. Aber auch die Banken stehen unter Druck: Sie müssen mehr Kapitalpuffer gegen Risiken aufbauen und sich weit stärker an der Rettung Griechenlands beteiligen. Trotz des Verhandlungsmarathons, der am Freitag mit mehreren Ministerrunden begonnen hatte, blieb strittig, wie der Euro-Rettungsschirm EFSF wirksamer eingesetzt werden kann. Darüber wollen die Staats- und Regierungschefs der Eurozone nun beim nächsten Gipfel an diesem Mittwoch entscheiden. Zuvor muss der Bundestag grünes Licht geben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy waren bemüht, in Brüssel den Eindruck zu zerstreuen, es gebe Streit zwischen Berlin und Paris. "Frankreich und Deutschland sprechen mit einer Stimme“, sagte Sarkozy. "Wir sehen, dass die Bestandteile eines umfassenden Paketes zusammenkommen“, sagte der britische Premierminister David Cameron. "Am Mittwoch wird es eine Einigung geben, die die Finanzkrise eindämmt“, versprach Sarkozy.

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EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy sagte nach den Beratungen der "Chefs“ der Eurozone, mehrere, namentlich ungenannte Länder sollten bis zum Mittwoch Reformpläne vorlegen. Dem Vernehmen gehört Italien dazu. Berlusconi sagte, Sarkozy habe angeregt, dass Italien ergriffene und künftige Maßnahmen öffentlich bestätigen sollte. Mit ungewöhnlich scharfen Worten forderten Merkel und Sarkozy Berlusconi auf, den Schuldenabbau "glaubwürdig“ zu beschleunigen und das Wachstum anzukurbeln. "Wir setzen voll auf das Verantwortungsbewusstsein der politisch Verantwortlichen“, sagte Sarkozy. Merkel ergänzte, Vertrauen entstehe nicht allein durch Schutzwälle, sondern durch klare Perspektiven.

Die Staats- und Regierungschefs bereiteten einen Schuldenschnitt für Griechenland unter höherer Beteiligung der Banken vor. Das zweite Rettungspaket von 109 Milliarden Euro, das erst im Juli beschlossen wurde, muss nun neu verhandelt werden, weil das Geld wegen der Turbulenzen auf den Finanzmärkten nicht mehr reicht. Nach Ansicht der internationalen Finanzinspekteure benötigt Athen bis zum Ende des Jahrzehnts mindestens 252 Milliarden Euro - möglicherweise noch mehr. Zu den Griechenland-Verhandlungen sagte Sarkozy: "Die Dinge gehen voran, sind aber noch nicht beendet.“

Die Banken und die Euro-Länder liegen beim angestrebten höheren Forderungsverzicht für Griechenland noch weit auseinander. Zwar sind die Geldhäuser nach Angaben aus Delegationen vom Sonntag zu einem größeren Forderungsverzicht bereit – aber nicht so weitgehend wie gefordert. Bislang hatten sich die Banken freiwillig zu einem Verzicht von 21 Prozent bereiterklärt. Um einen Schuldenschnitt zu verkraften, sollen sie ihr Eigenkapital um 100 Milliarden Euro aufstocken. Darauf hatten sich die Finanzminister am Samstag weitgehend geeinigt.

Um notfalls auch große Länder wie Italien aus dem Euro-Krisenfonds stützen zu können, sollen dessen Gelder effektiver eingesetzt werden. Sein Kreditrahmen war gerade erst auf 440 Milliarden Euro erhöht worden. Zwei Modelle liegen dabei auf dem Tisch. Der Fonds soll wie eine Teilkaskoversicherung für einen Teil von neuen Anleihen wackelnder Eurostaaten garantieren. Eine andere Option sieht die Einbeziehung des Internationalen Währungsfonds IWF vor. Der von Frankreich geforderte Ausbau des EFSF zu einer Bank sei vom Tisch, sagte Merkel. Damit hätte der Rettungsfonds als eine Art Finanzierungsmaschine für Staaten agiert.

"Auf Druck Berlins steht auch eine Änderung des EU-Vertrags auf der Tagesordnung. Deutschland will auf diese Weise mehr rechtliche Handhabe schaffen, um die nationalen Haushalte von Schuldensündern zu kontrollieren – und notfalls frühzeitig einzugreifen. Fehlende Aufsicht über die Finanzpolitik gilt als ein Auslöser der Schuldenkrise. "Wir brauchen mehr Europa. Stärkere Durchgriffsrechte und Vertragsänderungen dürfen dafür auch kein Tabu sein“, sagte Merkel.

Der EU-Gipfel beschloss, die Frage „begrenzter Vertragsänderungen“ zu prüfen. Rompuy wurde beauftragt, im Dezember einen Bericht dazu vorzulegen. Er werde „überlegen, was wir brauchen, um die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu verbessern“, sagte der Gipfelchef. Gegen dieses Projekt formiert sich bereits Widerstand. Für Änderungen ist ein äußert langwieriges Verfahren mit Zustimmung der nationalen Parlamente nötig – dies dürfte mindestens zwei Jahre dauern. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann warnte: "Für die kurzfristigen Probleme bringt eine Vertragsänderung nichts.“

Für den kommenden Mittwoch ist nun die endgültige Einigung geplant. Dazu werden alle 27 Staats- und Regierungschefs zusammenkommen, anschließend tagt dann der Gipfel der 17 Euro-Staaten. Gemeinsam mit der Kanzlerin verteidigte Sarkozy die Idee der zwei Gipfel, die von mehreren Partnern kritisiert worden war. Die Probleme seien sehr komplex und kompliziert.

(abendblatt.de/dpa)