Die europäische Union gerät immer mehr unter Druck. Finanzmarkt zeigt sich besorgt. Die Finanzminister beraten über Banken-Stresstests.
Brüssel. Die Euro-Staaten haben die Tür zu weit umfangreicheren Rettungsmaßnahmen für Pleitekandidaten aufgestoßen. Dennoch reagierten die Märkte am Dienstag teils panisch auf die vagen Ankündigungen aus der Nacht. Die Zinsen für italienische Staatsanleihen schossen zwischenzeitlich auf über sechs Prozent hoch. Die Mailänder Börse brach um fast vier Prozent ein, der Euro gab 1,1 Prozent auf 1,387 Dollar nach. „Die Situation ist sehr ernst, es gibt viele Dinge, die wir erledigen müssen“, sagte die finnische Finanzministerin Jutta Urpilainen.
In ihrer Marathonsitzung am Montag hatte sich die Eurogruppe mit „absoluter Entschlossenheit“ dazu bekannt, die Schuldenkrise einzudämmen. Dazu sollen nicht nur die Laufzeiten für die Notkredite verlängert und die Zinsen gesenkt werden. Auch wird wieder darüber diskutiert, dass der befristete Rettungsfonds EFSF Altschulden von Wackelkandidaten am Sekundärmarkt aufkaufen soll. Das würde bedeuten, dass der EFSF ein zweites Mal aufgestockt werden müsste. „Über die finanzielle Ausstattung werden wir reden müssen, je nach dem, wie ehrgeizig die neuen Aufgaben für den EFSF definiert werden“, hieß es aus Diplomatenkreisen eines großen Euro-Landes. Konkrete Entscheidungen gab es noch nicht. „Doch die Minister erkennen den Bedarf einer breiteren und weiter vorausschauenden politischen Antwort an, um der griechischen Regierung im Bemühen um eine stärkere Schuldentragfähigkeit zu helfen und damit die Finanzstabilität in der Eurozone zu bewahren“, heißt es in der Abschlusserklärung.
Gegen die Ermächtigung des Rettungsfonds EFSF, am Sekundärmarkt Altschulden von Pleitekandidaten aufzukaufen, hatte sich Deutschland lange gewehrt. Auch nun wird mit massivem Widerstand in Berliner Koalitionskreisen gerechnet. Ein Schuldenaufkauf durch den EFSF würde bedeuten, dass der Fonds dem Privatsektor griechische Staatsanleihen zu Marktpreisen abnimmt, also mit einem deutlichen Verlust, aber ohne Totalausfall. Sollten sich Banken und Fonds in großem Stil darauf einlassen, könnte die Schuldenlast der Euro-Sorgenkinder erheblich reduziert werden.
Im Ringen um die freiwillige Beteiligung des Privatsektors an einem zweiten Rettungspaket für Griechenland steckt die Eurogruppe aber weiter in der Sackgasse. In ihrer Erklärung werden lediglich „die Vorschläge des privaten Sektors für einen freiwilligen Beitrag begrüßt“. Der von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) geforderte „substanzielle“ Beitrag findet sich nicht mehr. Auch der Streit über die Modelle, also Laufzeitverlängerung bei Fälligkeit (Pariser Vorschlag) oder ein sofortiger Umtausch der Bonds zu besseren Konditionen für Athen (Berliner Vorschlag), blieb ungelöst.
Die Europäische Zentralbank (EZB) bekräftigte ihre Position, dass jedes Kreditereignis oder ein teilweiser Zahlungsausfall verhindert werden müsste. Der niederländische Finanzminister Jan Kees de Jager betonte indes, eine befristete selektive Zahlungsunfähigkeit werde von der Eurogruppe „nicht mehr ausgeschlossen“.
Obwohl die politische Krise in Italien ein Hauptgrund für die jüngste Zuspitzung der Schuldenkrise ist, wendeten sich die Euro-Finanzminister nicht ausdrücklich an Rom. „Wir sind uns gewahr, dass das Land im Visier der Märkte ist“, sagte Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker. Er zeigte sich aber zuversichtlich, dass die Laufzeitverlängerungen und Zinssenkungen für die Staaten am Euro-Tropf, also Griechenland, Irland und Portugal, zur Beruhigung beitragen werden. „Ihre Schuldenlast wird dadurch gesenkt.“ Die Größenordnung sowie einen Zeitpunkt, ab dem die Erleichterungen gelten sollen, blieben die Minister indes schuldig. „So schnell wie möglich“ werde darüber entschieden, sagte Juncker.
Am Dienstag nahmen die Finanzminister aller 27 EU-Staaten ihre Beratungen auf. Im Mittelpunkt standen die Vorbereitungen auf die EU-weiten Bankenstresstests, deren Ergebnisse am Freitag veröffentlicht werden sollten. „Man muss sich darauf vorbereiten, dass die ein oder andere Bank in Schwierigkeiten kommt“, sagte der luxemburgische Finanzminister Luc Frieden. Zu den Auffanglösungen gehörten eine Rekapitalisierung der schwächelnden Institute oder andere Maßnahmen, sagte er. Experten erwarten, dass sich die Zahl der Durchfaller wegen der strengeren Regeln gegenüber den Tests im Vorjahr von sieben auf etwa 15 verdoppeln könnte. Deutschland ist nach Ansicht von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gut für die Ergebnisse gerüstet. Unmittelbar vor der Veröffentlichung an diesem Freitag sieht der Minister keine Probleme für den deutschen Bankensektor, selbst wenn ein Institut durchfallen sollte: „Deutschland ist darauf gut vorbereitet, weil wir mit dem Banken-Restrukturierungsgesetz entsprechende Vorbereitungen getroffen haben“, sagte Schäuble am Dienstag beim Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel. Die Europäische Bankenaufsicht EBA habe Deutschland dafür ausdrücklich gelobt.
Über die Ergebnisse sagte der Minister nichts. Nach gängiger Einschätzung in EU-Kreisen haben alle 13 deutsche Banken diese zweite Runde der Stresstests bestanden. Dabei werden die Institute auf ihre Widerstandskraft im Fall von Krisen geprüft, wie sie also etwa mit einem Wirtschaftseinbruch oder einen Zinsschock zurecht kämen. Die EU-Minister versicherten in einer gemeinsamen Erklärung, dass sie bereit seien, Durchfaller mit Hilfsmaßnahmen zu unterstützen. Dazu zähle auch staatliche Unterstützung, wenn sie nötig sei
(dapd)