Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Brennelementesteuer. Sie sollte helfen, den Etat zu entlasten. Jetzt könnte sie kippen.

Hamburg. Wird die umstrittene Brennelementesteuer juristisch wieder gekippt? Das Finanzgericht Hamburg äußerte jetzt erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Kernbrennstoffgesetzes. In einer bundesweit ersten Gerichtsentscheidung gab der 4. Senat des Finanzgerichts einem Eilantrag des Energiekonzerns E.on statt. Das Unternehmen hatte die Rückzahlung von knapp 100 Millionen Euro Kernbrennstoffsteuer verlangt.

Im Juni 2010 hatte das Bundeskabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beschlossen, den Verbrauch von Kernbrennstoff zu besteuern. Im Januar 2011 trat das Gesetz in Kraft, die Regierung versprach sich jährliche Einnahmen in Höhe von 2,3 Milliarden Euro. Nach der Abschaltung von acht der 17 deutschen Kernkraftwerke geht der Bund bis 2016 immer noch von Einnahmen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro pro Jahr aus. Das Geld soll zur Konsolidierung des Haushalts und zur Sanierung des maroden Atommülllagers Asse dienen.

Diese Einnahmen sind nun infrage gestellt. „Das Gericht hat ernstliche Zweifel, ob der Bund zum Erlass einer Brennelementesteuer überhaupt berechtigt ist“, sagte Christoph Schoenfeld, Vizepräsident des Finanzgerichts, dem Abendblatt. Die entscheidende Frage ist, ob es sich bei der Brennelementesteuer um eine in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes fallende Verbrauchssteuer handelt – wie etwa die Tabak- oder die Mineralölsteuer, die an typische Güter des ständigen Bedarfs gebunden sind. Und bei denen letztlich der Endverbraucher belastet wird.

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Kernbrennstoffe, so der Gerichtsbeschluss, seien kein Konsumgut, sondern würden ausschließlich zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendet, ohne dabei in den allgemeinen Wirtschaftsverkehr zu gelangen. Außerdem äußerte das Hamburger Gericht erhebliche Vorbehalte gegen ein „Steuerfindungsrecht“ und fragt, ob der Gesetzgeber neben den im Grundgesetz genannten Steuern und Steuerarten noch neuartige Steuern einführen darf. „Wir sehen die Gefahr, dass die von der Finanzverfassung sorgsam ausbalancierte Verteilung der Steuereinnahmen zwischen Bund und Ländern umgangen werden könnte“, sagt Schoenfeld.

„Diese Entscheidung stellt für uns eine sehr positive Entwicklung dar“, sagte ein E.on-Sprecher. Das Gesetz verpflichtet die Betreiber, die Kernbrennstoffsteuer selbst zu berechnen und bei dem für sie zuständigen Hauptzollamt anzumelden. Im Juli gab E.on eine Steueranmeldung ab, zahlte rund 96 Millionen Euro und reichte zugleich beim zuständigen Finanzgericht Hamburg einen vorläufigen Rechtsschutzantrag auf Rückzahlung ein.

Im Berliner Finanzministerium verwies man darauf, dass es sich bei dem Beschluss der Hamburger Richter nicht um eine Entscheidung im Hauptverfahren handele. „Hier ging es um eine schnelle Prüfung zur Vermeidung unbilliger Härten und nicht um eine höchstrichterliche Entscheidung“, sagte ein Sprecher zum Abendblatt.

Für den Berliner Verfassungsrechtler Professor Ulrich Battis hat der Beschluss aber „Signalwirkung“. Er geht davon aus, dass letztlich das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit der Kernbrennstoffsteuer entscheiden wird.

Hintergrund:

Die Brennelementesteuer war im vergangenen Jahr als Teil des Sparpakets der Bundesregierung beschlossen worden. Schon damals rebellierten die Energiekonzerne. Sie sehen die neue Abgabe als einseitige Diskriminierung ihrer Branche im Energiesektor und wehren sich juristisch. Die Steuer sollte ursprünglich 2,3 Milliarden Euro pro Jahr bringen. Durch die Stilllegung von acht Kernkraftwerken sinkt das Aufkommen aus der Brennelementesteuer um rund eine auf etwa 1,3 Milliarden Euro pro Jahr. Bei der Steuer werden erstmals im Reaktor eingesetzte Brennelemente mit 145 Euro je Gramm Kernbrennstoff besteuert, wenn die Anlage wieder ans Netz geht. Die Steuer soll nach bisherigen Planungen bis 2016 erhoben werden. Bei neun verbleibenden Meilern liegt die Steuerbelastung pro AKW im Schnitt bei knapp 150 Millionen Euro jährlich. Die Einnahmen sollen vor allem der Sanierung des maroden Atomlagers Asse und der Haushaltskonsolidierung dienen. (abendblatt.de/dpa)