Ein Ofen im Zentrum für die Aufbereitung von schwach radioaktivem Material explodierte. Bisher soll keine Strahlung ausgetreten sein.
Paris. Die Atomanlage Marcoule, in der sich die folgenschwere Explosion ereignete, ist bei Atomkritikern seit Jahrzehnten für Sicherheitsprobleme bekannt. Wie es zum Unfall mit einem Toten und vier Verletzten rund 30 Kilometer vom südfranzösischen Avignon kam, ist noch unklar.
Bekannt ist mittlerweile folgendes: Der Zwischenfall ereignete sich in einem Zentrum für die Aufbereitung von schwach radioaktiven Materialien namens Centraco (Centre de traitement et de conditionnement de déchets de faible activité). Hier explodierte gegen 11.45 Uhr einer der Schmelzöfen für radioaktive Metallabfälle, etwa Ventile, Pumpen und Werkzeuge. Offenbar kommen die Abfälle aus Anlagen des Staatskonzerns EdF und des Energieriesen Areva.
Zu einer Freisetzung von Radioaktivität in die Umwelt sei es bislang nicht gekommen, gab die französische Atomaufsicht ASN bekannt. Auch die Organisation CRIIRAD, die unabhängige Strahlen-Messungen vornimmt, stellte bis zum frühen Nachmittag keine erhöhte Radioaktivität fest. Dennoch richtete die ASN eine Notfall-Zentrale in Paris ein.
+++ DIESER FILM ZEIGT, WIE EIN ATOMKRAFTWERK FUNKTIONIERT +++
Centraco gehört zum Kernforschungskomplex Marcoule, der auch drei stillgelegte Atomreaktoren umfasst. Direkt neben Centraco liegt die Aufbereitungsanlage MELOX. Hier werden die umstrittenen MOX-Brennstäbe hergestellt, die hochgiftiges Plutonium enthalten. Deshalb war in ersten Meldungen die Befürchtung geäußert worden, die Explosion sei im Zusammenhang mit der Produktion von MOX-Brennstäben zu sehen, also hochgefährlich auch für die Umwelt. Doch mit dem Mischoxid (MOX) scheint der betroffene Schmelzofen nichts zu tun gehabt zu haben.
„Die Explosion ist dramatisch für die betroffenen Menschen, ob sie aber darüber hinaus Folgen hat, ist noch unklar“, sagte Tobias Münchmeyer, Atomexperte der Umweltorganisation Greenpeace, der Nachrichtenagentur dapd.
Der britische Berater für Atom- und Energiepolitik, Shaun Burnie, war in den 1990er Jahren mehrfach in Marcoule, um sich mit den Auswirkungen der Anlage auf die Umwelt zu beschäftigen. „Marcoule hat Dekaden von Sicherheitsproblemen hinter sich“, sagte Burnie. „Dieser Unfall zeigt einmal mehr, wie gefährlich der Umgang mit radioaktiven Abfällen ist.“
Tatsächlich sind in Marcoule mehrfach erhöhte Strahlenwerte im Grundwasser gemessen worden. Die Atomaufsicht erteilte der MELOX-Anlage erst 1997, zwei Jahre später als beantragt, die Betriebserlaubnis. Die Begründung: Der Schutz der Arbeiter vor Radioaktivität sei ungenügend. (dapd)