Ein Händler verzockte sich um zwei Milliarden Dollar. Jetzt steigt der Druck, das risikoreiche Investmentbanking zu verkleinern.

Zürich. Schock für die Finanzwelt: Das nicht autorisierte Vorgehen eines Händlers hat der Schweizer Großbank UBS nach eigenen Angaben einen Handelsverlust von schätzungsweise zwei Milliarden Dollar beschert. Analysten zufolge steigt nun der Druck auf die Bank, das risikoreiche Investmentbanking zu verkleinern. Die UBS teilte mit, dass in London ein 31 Jahre alter Mitarbeiter der Bank wegen Betrugsverdacht verhaftet wurde. Nähere Informationen, etwa in welchem Bereich und in welcher Position das Mann tätig war, wurden zunächst nicht mitgeteilt. Die „Neue Zürcher Zeitung“ berichtete auf ihrer Website, es handle sich um einen Aktienhändler. Der Betrug sei am Mittwochnachmittag entdeckt worden. Der Spekulationsfall erinnert an die französische Großbank Societe Generale , die vom Wertpapierhändler Jerome Kerviel Anfang 2008 an den Rande des Zusammenbruchs gebracht worden war.

UBS gibt Gewinnwarunung

In ihrer Mitteilung, die sie nur Minuten vor Börseneröffnung verbreitete, schloss die UBS nicht aus, dass sie im dritten Quartal nun einen Verlust macht. Analysten hatten bisher mit einem Quartalsgewinn von 1,1 Milliarden Franken und einem Jahresgewinn von gut fünf Milliarden Franken gerechnet. Die UBS-Aktie verlor bis gegen Mittag gut sieben Prozent auf 10,10 Franken. Jenseits der finanziellen Folgen fällt nach Ansicht von Analysten vor allem der Reputationsschaden für die Bank ins Gewicht, die sich eben erst von den Folgen der Finanzkrise und dem Steuerstreit mit den USA erholt hat. Damals hatten reiche Kunden in Scharen die Flucht ergriffen, weil sie das Vertrauen in die Bank verloren hatten. Konzernchef Oswald Grübel war mit dem erklärten Ziel angetreten, dieses Vertrauen zurückzugewinnen. „Auch wenn die Summe nicht so hoch ist, das ist einmal mehr ein Vertrauensverlust und wirft ein sehr schlechtes Licht auf die UBS“, sagte Trading Analyst Claude Zehnder von der Zürcher Kantonalbank. Angesichts der Kapitalbasis der UBS sei der Verlust verkraftbar, erklärte ein Analyst beim Lokalrivalen Credit Suisse. „Aber man muss genau beobachten, ob es nicht in naher Zukunft zu einem weiteren Reputationsschaden für die Bank kommt.“ Das alles reiche weit über das Investmentbanking hinaus, erklärte ein Analyst einer amerikanischen Bank.

Die Bankenaufsicht FINMA erklärte, sie sei über den Milliardenverlust umgehend informiert worden. „Wir haben Kenntnis von dem Fall“, sagte ein Sprecher. Genaueres wollte er nicht sagen. „Wir stehen in engem Kontakt mit der Bank.“ Der Verlust trifft die Bank mitten in der Diskussion über die Zukunft ihres Investmentbanking. Das Parlament in Bern nahm am Donnerstag die Beratungen über ein neues Bankengesetz auf, das eine Erhöhung der Eigenmittel auf 19 Prozent für Schweizer Großbanken vorsieht. Entsprechend kündigte die Bank erst vor einigen Wochen an 3500 Stellen zu streichen. Das sind rund fünf Prozent der gesamten Belegschaft. Die meisten Arbeitsplätze sollen wie bei anderen Banken im zuletzt schwachen Investmentbanking gestrichen werden,. Erst kürzlich hatte die UBS ein Sparprogramm noch ohne Details zu nennen angekündigt. Die Konzerne müssen aufgrund härterer Kapitalanforderungen nach der Finanzkrise mehr sparen. Der UBS-Konzern will bis Ende 2013 nach eigenen Angaben rund zwei Milliarden Franken (rund 1,77 Mrd Euro) sparen. Im vergangenen Jahr lagen die Personalaufwendungen der UBS bei knapp 17 Milliarden Franken. Die Bank rechnet damit, dass der Stellenabbau rund 550 Millionen Franken kosten wird.

Nicht der erste Börsenskandal

Der Vorfall weckt böse Erinnerungen an zwei andere Finanzjongleure, den Briten Nick Leeson und den Franzosen Jérôme Kerviel. Leeson spekulierte, wohl nicht zuletzt aus Geltungssucht, die traditionsreiche britische Barings Bank in den Ruin. Er hinterließ, 28-jährig, mit seinen Fehlspekulationen 1995 Verluste in Höhe von 1,4 Milliarden Dollar und verursachte eine weltweite Devisenkrise. In der Folge verbesserten viele Banken ihre Kontrollen. Kerviel, Broker der französischen Großbank Société Générale, verspielte mit Scheingeschäften die Riesensumme von fast fünf Milliarden Euro und flog 2008 auf. Sein Name steht für den größten Einzelbetrug in der Finanzwelt. Seine Bank, die dabei fast ihre Unabhängigkeit verloren hätte, sprach von einem „nicht zu erklärenden Akt der Böswilligkeit“ des damals 30-Jährigen. Die Bankenaufsicht hatte wiederum versagt.

Die beiden Vorgänger-Fälle zum jetzigen UBS-Skandal hatten auf den Märkten und bei den Anlegern für erhebliche Turbulenzen gesorgt. Auch bei der jetzt betroffenen UBS scheint ein Einzeltäter am Werk gewesen zu sein. Spekulant Kerviel jedenfalls sah sich als Sündenbock: „Ich habe das Gefühl, dass sie mich für alle bezahlen lassen wollten“, sagte er nach seiner Verurteilung zu fünf Jahren Haft und Rückzahlung von 4,9 Milliarden Euro im Jahr 2010.

Hellsichtig erscheint heute die Aussage des Pariser Finanzwissenschaftlers Olivier Pastré zum Fall Kerviel aus dem Jahr 2008: „Selbst das beste Kontrollsystem hat Schwächen. Es wird immer verrückte Broker geben, die durchschlüpfen.“

(abendblatt.de/dpa/Reuters)