Zwei Milliarden betrug Handelsverlust der Großbank. Mutmaßlicher “Zocker“ in U-Haft. UBS-Angestellte fürchten Entlassungen.
London/Zürich. Die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma eröffnet gemeinsam mit ihren britischen Kollegen von der Financial Services Authority (FSA) eine umfassende Untersuchung des Handelsskandals bei der Großbank UBS. Ein außenstehendes Unternehmen werde beauftragt, die genauen Umstände der nicht autorisierten Handelsaktivitäten bei der Schweizer Bank abzuklären, teilte die Finma am Freitag mit.
Die Untersuchung habe das Ziel, mögliche Fehler in den internen Kontrollsystemen der UBS aufzudecken. Zudem werde grundsätzlich überprüft, wie die Bank nicht autorisierte oder kriminelle Aktivitäten in der Investmentbank zu verhindern versuche. Die Finma könne zurzeit nicht sagen, wie lange die Untersuchung dauern werde. "Selbstverständlich kooperiert die UBS in dieser Untersuchung vollumfänglich mit den Behörden“, erklärte eine Sprecherin der Bank.
Derweil kommt der mutmaßliche Verantwortliche für den UBS-Handelsverlust von zwei Milliarden Dollar in Untersuchungshaft. Die Behörden in London werfen dem 31 Jahre alten Kweku A. nach Angaben vom Freitag Betrug und Bilanzmanipulationen vor. Er wurde in der Nacht zum Donnerstag festgenommen, nachdem unerlaubte Geschäfte zutage gekommen waren. Der Mann arbeitete im Rang eines Direktors in einer Abteilung, die mit sogenannten synthetischen Aktienprodukten und Exchange Traded Funds (ETF) zu tun hatte. Am Freitagnachmittag wurde er dem Richter vorgeführt, der die Untersuchungshaft anordnete. Sie ist zunächst bis zum 22. September befristet.
Die Untersuchungsbehörden werfen A. Bilanzfälschung in zwei Fällen vor, von denen einer schon 2008 stattgefunden haben soll. Weitere Fälschungen von Unterlagen soll er seit Januar 2011 begangen haben. Die Betrugsvorwürfe beziehen sich auf den Zeitraum Januar bis September dieses Jahres. Als verantwortlicher Händler habe er um des eigenen Vorteils willen Verluste verursacht oder UBS einem Verlustrisiko ausgesetzt, hieß es in der Anklageschrift. Das seien ernste Vorwürfe, erklärte der Richter. Der Händler, der sich Tränen aus den Augen wischte, äußerte sich nicht zu den Vorwürfen.
Bewährte Verteidigung für Kweku A.
Seine Verteidigung hat die Anwaltskanzlei Kingsley Napley übernommen. Rechtsanwälte dieser Firma hatten schon Nick Leeson verteidigt, der 1995 mit Derivategeschäften die britischen Barings Bank einen Verlust von 1,4 Milliarden Dollar bescherte und seinen Arbeitgeber schließlich in den Konkurs trieb.
Wie Kweku A. bei UBS genau vorgegangen sein soll, wurde auch vor Gericht nicht klar. In der Londoner City konzentrierten sich die Spekulationen auf die These, dass er von der Entscheidung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) überrascht worden sein könnte, den Wechselkurs des Frankens an den Euro zu binden. Die Schweizer Aktien schossen daraufhin in die Höhe. UBS selbst wollte zu den Spekulationen keine Stellung nehmen. Der Mann habe im Aktienbereich gearbeitet, erklärte die Bank nur.
UBS-Aktie reagiert mit Kursanstieg
Die UBS-Aktie reagierte auf die Nachricht zunächst mit einem Kursanstieg um rund ein Prozent. Nach Einschätzung eines Händlers könnte die Anklageerhebung Spekulationen den Wind aus den Segeln nehmen, der Fall sei weitgehend auf Mängel im UBS-Risikomanagement zurückzuführen.
Zweifel an den UBS-Risiko-Systemen waren selbst bei Ratingagenturen aufgekommen. Sowohl Moody's als auch Standard & Poor's und Fitch setzten UBS auf die Beobachtungsliste für eine mögliche Rückstufung der Bonität. Die Agenturen haben Zweifel, ob die Bank das von Natur aus mit großen Risiken verbundene Investmentbanking im Griff hat. UBS sei den Beweis schuldig geblieben, dass sie nach der Finanzkrise ihr Risiko-Management gestärkt habe, erklärte Standard & Poor's.
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+++ Ratingagentur Moody's droht UBS mit Abwertung +++
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Analysten gingen am Freitag davon aus, dass die größte Schweizer Bank nach dem Handelsskandal ihr Investmentbanking verkleinern und neu ausrichten muss. Der Druck für einen solchen Schritt werden zunehmen, erklärte der Analyst Andreas Venditti von der Zürcher Kantonalbank (ZKB). Das würde auch den Abbau von Arbeitsplätzen implizieren. Auch an der Spitze der Sparte könnten Köpfe rollen, erwarteten Analysten von J.P. Morgan.
Londoner UBS-Angestellte haben Angst
Bei den Investmentbankern der UBS in London ist die Stimmung auf jeden Fall schlecht. Ein UBS-Händler sagte, die Londoner Belegschaft rechne in den kommenden zwei Wochen mit Entlassungen, und zudem werde es wohl kaum Boni geben. "In meinem Team haben die Leute Angst und wollen möglichst nicht auffallen“, sagte eine Person zu Reuters, die ihren Namen nicht genannt haben möchte. Die Leute hätten Angst um ihre Arbeitsplätze. In der gegenwärtigen Lage sei es schwierig, etwas Neues zu finden.
Ein anderer Banker sagte, sonst regelmäßig stattfindende Konferenzen und Besprechungen mit leitenden Bankern seien abgesagt worden. Das sei vermutlich geschehen, weil die Chefetage mit Krisensitzungen und Konferenzen mit den Bankenaufsichtsbehörden in London und in der Schweiz beschäftigt sei. "Die Moral ist schrecklich. Das alles ist ein riesiger Schaden für unsere Reputation“, sagte ein Banker. "Das Aktiengeschäft war ein Bereich, von dem wir dachten, wir machen alles richtig“.
Der Reputationsschaden nach dem Handelsskandal könnte auch das Vermögensverwaltungsgeschäft in Mitleidenschaft ziehen. Aus Sicht reicher Kunden könne sich die Frage stellen, wie die Bank das Geld reicher Leute gut verwalten wolle, wenn das eigene Haus nicht in Ordnung halten könne, sagte der Finanzprofessor Melvyn Teo von der Singapore Management University. Genau aus diesem Grund komme es für UBS jetzt drauf an, den den Fall schnell und überzeugend aufzuarbeiten und die Märkte ebenso rasch umfassend und glaubwürdig zu informieren, erklärte der Bankenanalyst Rainer Skierka von der Bank Sarasin.
(rtr)