Fünf Verhandlungstermine waren ohne Erfolg. Ein erneutes Scheitern der Gespräche würde “faktisch eine Steuererhöhung für alle“ bedeuten.

Washington. Der erbitterte Streit über die Erhöhung der US-Schuldengrenze steuert auf einen Höhepunkt zu. Präsident Barack Obama stellte den Parteispitzen im Kongress das Ultimatum, bis Samstag eine Einigung vorzulegen, um die Zahlungsfähigkeit des Landes zu sichern. Andernfalls will er sie am Wochenende zu Krisengesprächen ins Weiße Haus beordern. „Lasst uns wenigstens den Weltuntergang verhindern“, forderte er am Freitag bei einer Pressekonferenz in Washington. Auch die Wirtschaft erhöhte den Druck auf die Politik.

Der Präsident setzte die 36-Stunden-Frist, nachdem auch das fünfte Treffen in fünf Tagen im Weißen Haus am Donnerstagabend (Ortszeit) ohne Ergebnis zu Ende gegangen war. Er dringe weiter auf ein „großes Paket“ zur Defizitkürzung aus massiven Sparmaßnahmen und höheren Steuern für Reiche, sagte Obama. Aber das sei wegen des Widerstands der oppositionellen Republikaner gegen Steuereranhebungen schwer zu erreichen. Zur Not würde er zunächst eine kleinere Lösung, „eine Anzahlung auf den Defizitabbau“ akzeptieren.

Die Republikaner kündigten kurz vor dem Auftritt Obamas an, in der kommenden Woche im Repräsentantenhaus ein eigenes Gesetz über die Erhöhung der Schuldengrenze von derzeit 14,3 Billionen Dollar (10 Billionen Euro) auf 16,7 Billionen zur Abstimmung zu bringen. Es würde zugleich einen Verfassungszusatz vorsehen, nach der die USA ihren Staatshaushalt künftig ausgleichen müssten. Dem Gesetz wird keine Chance gegeben, da es im Senat keine Mehrheit fände. Auch würde Obama dagegen sein Veto einlegen.

Aussichtsreicher ist ein Kompromissvorschlag des Fraktionsführers der Republikaner im Senat, Mitch McConnell. Sein Gesetz würde dem Präsidenten erlauben, die Schuldengrenze bis Ende 2012 in drei Schritten zu erhöhen, wenn er gleichzeitig neue Einsparungen ankündigt. Obama lehnt zwar auch diesen Vorstoß ab, weil das Schuldenthema „uns für die kommenden Monate und Jahre plagen würde“, wie er sagte. Aber als Übergangslösung könne der Kompromiss notfalls dienen.

Die Kongressführer sollten sich umgehend mit ihren Gremien beraten und dann eine Lösung präsentieren, forderte Obama. Für Freitag wurde daher erstmals in dieser Woche keine Verhandlungsrunde angesetzt. „Wenn sie mir einen ernsthaften Plan zeigen, dann bin ich bereit, mich zu bewegen. Selbst wenn das einige harte Entscheidungen von mir erfordert“, sagte er.

Ohne die Erhöhung des Schuldenlimits würde den USA zum 2. August die Zahlungsunfähigkeit drohen. In dem Streit gibt es seit Wochen keine Bewegung, was auch in der Wirtschaftswelt für zunehmende Nervosität sorgt. Als weitere Ratingagentur kündigte Standard & Poors (S&P) am Donnerstagabend an, die langfristige Kreditwürdigkeit der USA mit einer mindestens 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit innerhalb der kommenden drei Monate herunterzustufen.

Damit würde der Staat erstmals seine Topnote „AAA“ verlieren, die S&P ihm vor 70 Jahren gegeben hatte. Auch den kurzfristigen Ausblick für die finanzielle Situation habe es auf „negativ“ gesetzt, hieß es in dem Bericht des Unternehmens. „Die politische Debatte über die finanzielle Position und der damit verbundene Streitpunkt der Schuldengrenze ist nach unserer Ansicht nur noch komplizierter geworden“, so die Analyse. Bereits am Vortag hatte Moody's wegen des Konflikts mit einer Aberkennung der Topbonität gedroht.

Die chinesische Ratingagentur Dagong hatte sogar noch deutlicher gedroht, die Kreditwürdigkeit der USA herabzusetzen. Selbst wenn sich die Politiker noch über die Erhöhung der Schuldengrenze einigten, werde die Maßnahme voraussichtlich erfolgen, hieß es am Donnerstag aus Peking. Nach Angaben des amerikanischen Finanzministeriums hielt China im April 1,152 Billionen US-Dollar an Schatzanleihen.

Angesichts des erhöhten Drucks appellierte US-Finanzminister Timothy Geithner nochmals eindringlich an die Gesetzgeber, die Schuldengrenze schnell zu erhöhen. „Die Augen der Welt sind auf uns gerichtet. Wir haben nicht viel Zeit“, sagte er am Donnerstag in Washington.

(dapd/abendblatt.de)

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Kommentar: Schlapper Riese Amerika

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Die Terroranschläge des 11. September 2001 haben alles verändert, vor allem auch den Militärhaushalt der Vereinigten Staaten. Er ist so groß wie nie, und eine Trendwende - etwa ein kompletter Abzug der USA aus Afghanistan - ist nicht abzusehen. Doch auch ungeachtet dieser geostrategischen Hypothek sind die USA des Jahres 2011 weit von denen der 90er-Jahre entfernt. Jahrzehntelang war das Land die dynamischste Volkswirtschaft der Welt. Die Globalisierung des Welthandels und die Ausbreitung einer arbeitsteiligen Industrie bis in die letzten Winkel der Erde gehen letztlich vor allem auf den Schwung Amerikas zurück. Derzeit aber sind die USA ein schlapper Riese, während China und andere asiatische Staaten wirtschaftlich rasant aufholen.

Die Beharrungskräfte sind in Amerika stärker als die der Modernisierer. Der Politik gelingt es nicht, ein gerechteres Steuersystem einzuführen, das die Spitzenverdiener stärker heranzieht. Die Vereinigten Staaten ignorieren weitgehend die immensen Chancen, die ein Ausbau der erneuerbaren Energien gerade diesem riesigen sonnen- und windreichen Land bietet. Letztlich ist die US-Wirtschaft insgesamt veraltet - amerikanische Unternehmen produzieren zu wenige Güter, die Menschen brauchen und kaufen.

Stattdessen setzt das Land weiterhin auf Konsumismus und steigende Verschuldung und nimmt als einen Preis dafür eine wachsende Zahl armer Menschen in Kauf. Bedenklich ist das vor allem deshalb, weil Barack Obama vor allem mit dem Charisma des Erneuerers Präsident geworden ist. Leider konnte er diese Strahlkraft bislang nicht in wirtschaftliche Stärke verwandeln. (Olaf Preuss)