Bei Verhandlungen mit Republikanern soll Präsident Obama genervt den Raum verlassen haben. Moody's droht mit schlechterem Rating.

Washington. Die Verhandlungen befinden sich bereits in der vierten Runde. Doch im Weißen Haus liegen die Nerven blank, konkrete Ergebnisse oder Anährungen gibt es nicht. Vielmehr wird von erheblichen Spannungen bei den Treffen zwischen Obama und den Republikanern im Kongress berichtet. Der Fernsehsender CNN berichtet von einem verbalen Schlagabtausch zwischen Präsident mit dem Fraktionschef der Republikaner im Abgeordnetenhaus, Eric Cantor. Obama habe empört das Treffen abgebrochen und den Raum verlassen.

Über die Version des zornigen Obamas wird allerdings in US-Medien gestritten. So berichtet die „Washington Post“ unter Berufung auf einen Demokraten, der mit dem Ablauf des Treffens vertraut sei, dass Obama nicht aus dem Verhandlungsraum gestürmt sei. Vielmehr habe der Präsident das Treffen nach fast zwei Stunden ohnehin beenden wollen, als Cantor einen bereits mehrfach diskutierten Vorschlag erneut vorgebracht habe. Daraufhin habe ein „genervter“ Obama den Beteiligten gesagt, am Donnerstag wiederzukommen, und den Raum verlassen.

Der Druck auf eine politische Einigung wächst. Die Ratingagentur Moody's kündigte an, die Bonität des Landes herunterzustufen, sollte es nicht zu einer baldigen Einigung kommen. Die Gefahr, habe sich erhöht, dass die Schuldengrenze nicht rechtzeitig zum 2. August angehoben werden kann. Die amerikanische Ratingagentur Moody's hat ihre Drohung bekräftigt, die Kreditwürdigkeit der USA herabzustufen. Es bestehe ein kleines, aber zunehmendes Risiko, dass Washington demnächst seine Schulden nicht mehr bezahlen könne, teilte Moody's am Mittwoch mit. Bereits im Juni hatte Moody's eine Herabstufung der Dreifach-A-Einstufung angekündigt, sollte bis Mitte Juli kein Fortschritt bei der Anhebung der Schuldenobergrenze zu erkennen sein, ohne die die USA am 2. August ihren Schuldendienst einstellen müssen. Die USA haben 14,3 Billionen Dollar Schulden; die Schuldenobergrenze wurde bereits im Mai erreicht. Die anderen Ratingagenturen Standard & Poor's und Fitch haben ähnliche Schritte wie Moody's angekündigt.

Eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA würde zu höheren Zinsen für Staatsanleihen, teurere Hypothekendarlehen und Verbraucherkredite zur Folge haben. Präsident Barack Obama und seine Demokraten sehen sich im Kongress mit einer republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus konfrontiert, die massive Ausgabenkürzungen fordert und zugleich die von den Demokraten geforderten Steuererhöhungen für Besserverdienende ablehnt. Trotz mehrerer Verhandlungsrunden hat es bisher keine Annäherung gegeben.

Auch US-Staatsunternehmen könnten von einer Aberkennung des Topratings betroffen sein, darunter etwa die Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac. Das Finanzministerium bezeichnete Moody's Entscheidung als wichtigen Warnschuss. „Es ist eine rechtzeitige Erinnerung für den Kongress, sich schnell zu bewegen“, sagte der zuständige Staatssekretär Jeffrey Goldstein laut einer Mitteilung.

(abendblatt.de/dpa)

Kommentar
Schlapper Riese Amerika

Die Vereinigten Staaten haben aus der Weltwirtschafts- und Finanzmarktkrise nichts gelernt. Die größte Volkswirtschaft der Welt treibt ihre Verschuldung voran wie ehedem. Bis Anfang August muss die Obergrenze für die Staatsverschuldung vom Kongress erneut erhöht werden. Derzeit liegt sie bei 14,3 Billionen Dollar - 14 300 Milliarden. Andernfalls droht der Zentralregierung in Washington die Zahlungsunfähigkeit. Die aktuelle Schuldenlast ist der höchste Wert in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Optimisten weisen darauf hin, dass es den USA noch immer gelungen sei, ihre Verschuldung wieder zurückzufahren, zuletzt in den 90er-Jahren während der Regierungszeit von Präsident Bill Clinton. Wenig allerdings spricht dafür, dass sich alte Erfolgsgeschichten an der Schuldenfront heute wiederholen lassen.

Die Terroranschläge des 11. September 2001 haben alles verändert, vor allem auch den Militärhaushalt der Vereinigten Staaten. Er ist so groß wie nie, und eine Trendwende - etwa ein kompletter Abzug der USA aus Afghanistan - ist nicht abzusehen. Doch auch ungeachtet dieser geostrategischen Hypothek sind die USA des Jahres 2011 weit von denen der 90er-Jahre entfernt. Jahrzehntelang war das Land die dynamischste Volkswirtschaft der Welt. Die Globalisierung des Welthandels und die Ausbreitung einer arbeitsteiligen Industrie bis in die letzten Winkel der Erde gehen letztlich vor allem auf den Schwung Amerikas zurück. Derzeit aber sind die USA ein schlapper Riese, während China und andere asiatische Staaten wirtschaftlich rasant aufholen.

Die Beharrungskräfte sind in Amerika stärker als die der Modernisierer. Der Politik gelingt es nicht, ein gerechteres Steuersystem einzuführen, das die Spitzenverdiener stärker heranzieht. Die Vereinigten Staaten ignorieren weitgehend die immensen Chancen, die ein Ausbau der erneuerbaren Energien gerade diesem riesigen sonnen- und windreichen Land bietet. Letztlich ist die US-Wirtschaft insgesamt veraltet - amerikanische Unternehmen produzieren zu wenige Güter, die Menschen brauchen und kaufen.

Stattdessen setzt das Land weiterhin auf Konsumismus und steigende Verschuldung und nimmt als einen Preis dafür eine wachsende Zahl armer Menschen in Kauf. Bedenklich ist das vor allem deshalb, weil Barack Obama vor allem mit dem Charisma des Erneuerers Präsident geworden ist. Leider konnte er diese Strahlkraft bislang nicht in wirtschaftliche Stärke verwandeln. (Olaf Preuss)