Der Gründer der Kirch-Gruppe starb im Alter von 84 Jahren. Kirch galt über Jahrzehnte als mächtigster Medienunternehmer Deutschlands.

München. Leo Kirch hat hoch gepokert und viel verloren. Aus eigener Kraft hat der Sohn eines fränkischen Winzers einen der mächtigsten Film- und Fernsehkonzerne Europas mit fast 10 000 Beschäftigten aufgebaut. Doch im Frühjahr 2002 musste Kirch im Alter von 75 Jahren zusehen, wie sein Lebenswerk zerbrach: Die Kirch-Gruppe war pleite. Umwerfen ließ sich Kirch davon aber nicht. „Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen“, sagte der gläubige Katholik lakonisch und arbeitete in den folgenden Jahren trotz gesundheitlicher Probleme infolge von Diabetes aus seinem Münchner Stadtbüro weiter und mischte im Verborgenen auch in der Medienbranche mit. „Kirch ist bis zum letzten Atemzug Unternehmer“, sagte ein langjähriger Vertrauter einmal über ihn. Am Donnerstag starb Leo Kirch im Alter von 84 Jahren im Kreise seiner Familie.

Jahrzehntelang war Kirch die graue Eminenz der deutschen Medienlandschaft. Kirch galt als unersättlich, gewieft und risikobereit – eine Kombination, die nicht nur seine Gegner fürchteten. Auch in der Öffentlichkeit mischte sich die Bewunderung für den „Herren der Filme“ mit zunehmender Größe seines Konzerns mit einer Furcht vor einem übermächtigen „Big Brother“ aus Bayern. Wie bei kaum einem anderen deutschen Unternehmen war der Name des Gründers verknüpft mit dem seines Konzerns. Lange Zeit konnte er aus seinem Büro in der Firmenzentrale in Ismaning bei München ohne Kontrollmechanismen Milliarden bewegen und die deutsche Medienkonkurrenz in Angst und Schrecken versetzen.

Durch seine Zurückhaltung in der Öffentlichkeit – lange Zeit gab es nicht einmal Fotos von dem Unternehmer – wurde der Mythos noch verstärkt. Einen seiner wenigen öffentlichen Auftritte hatte Kirch im Mai 2008 als Trauzeuge bei der zweiten Hochzeit von Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl, mit dem er persönlich befreundet war. Die guten Kontakte Kirchs zu einflussreichen Politikern und großzügige Kredite der Banken trugen in Kirchs besten Jahren zum Eindruck des machtbesessenen Medienmoguls bei. „Wenn Leo Kirch in Schwierigkeiten kommt, freut sich halb Deutschland“, schrieb der Medienwissenschaftler und SPD-Politiker Peter Glotz im Juni 1998 über den „ungeliebten Tycoon“. Damals war die Fusion des Digitalfernsehens DF1 mit Premiere untersagt worden – für Kirch eine schwere Niederlage.

Bis zuletzt schaffte es Kirch nicht, mit seinem Traum vom Bezahlfernsehen Geld zu machen. Am Ende wurden ihm die Milliardeninvestitionen in seinem Abo-Sender Premiere und das waghalsige Engagement in der Formel 1 zum Verhängnis. Wie ein Kartenhaus brach sein Imperium im Frühjahr 2002 zusammen. Kirch verabschiedete sich damals in einem Brief von den Mitarbeitern, dankte ihnen für die treue Zusammenarbeit und wünschte Ihnen „Gottes Segen“.

Aber Kirch hat trotz der Pleite viel bleibendes hinterlassen. Seine Firmengruppe wurde unter neuen Besitzern aufgeteilt und existiert größtenteils noch immer, die meisten Beschäftigten konnten ihre Jobs behalten. Für die Insolvenz machte Kirch den früheren Deutsche Bank-Chef Rolf Breuer verantwortlich, der sich in einer kritischen Phase öffentlich über die Kreditwürdigkeit der Kirch- Gruppe geäußert hatte. Kirch überzog Breuer und die Deutsche Bank mit Klagen, in denen er milliardenschweren Schadenersatz forderte. Im März trafen die beiden in einem Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht erstmals aufeinander. Kirch saß nach jahrelanger Krankheit im Rollstuhl, machte dabei aber einen fast vergnügten Eindruck.

Seinen Geschäftssinn hatte Leo Kirch bereits im Alter von 29 Jahren bewiesen. Damals sicherte er sich mit geliehenem Geld in Italien die Rechte an dem Filmklassiker „La Strada“. In den Jahren darauf wurde er zu einem der wichtigsten Zulieferer der Filmbranche in Europa. Neben der größten Spielfilm-Sammlung mit weit über 10 000 Titeln sowie rund 40 000 Stunden Serien gehörten ihm bis zur Insolvenz die Fernsehsender ProSieben, SAT.1, N24 und DSF.

Zusätzlich sicherte sich Kirch für Milliarden die Übertragungsrechte an Fußball- Weltmeisterschaften. Auch bei der WM

2010 wollte Kirch im Alter von 83 Jahren, inzwischen schon fast blind, noch einmal mitmischen. Seinen Plan für schwimmende Luxushotels in den Häfen der südafrikanischen WM-Städte Durban und Port Elisabeth blies er kurz vor Beginn aber mangels Nachfrage ab. Leo Kirch blieb zwar bis zuletzt Unternehmer – aber nicht mehr um jeden Preis. (dpa)

Die Reaktionen:

Politik und Medien haben das Lebenswerk des am Donnerstag gestorbenen Film- und TV-Unternehmers Leo Kirch gewürdigt.

„Die Lebensleistung und Selbstdisziplin von Leo Kirch erfüllen uns alle, Freunde und Kritiker, mit Respekt. (...) Seine Unternehmen können in der Rückschau als „Kaderschmiede“ für innovative Köpfe angesehen werden.“ (Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) nach Angaben der Staatskanzlei in München)

„Leo Kirch hat aus bescheidenen Verhältnissen kommend mit großer Tatkraft und der Bereitschaft zum unternehmerischen Risiko eines der größten Medienunternehmen Europas aufgebaut. (...) Kirch hat so die deutsche Medienlandschaft wie nur wenig andere geprägt.“ (Außenminister Guido Westerwelle (FDP) am Donnerstag während eines Besuchs in Kolumbien)

„Leo Kirch war ein Visionär, ein Mann der ersten Stunde, der die deutsche Medienlandschaft nachhaltig geprägt hat. Persönlich hat mich sehr beeindruckt, wie er trotz seiner schweren Krankheit bis zuletzt unternehmerisch aktiv war.“ (Die ARD-Vorsitzende und WDR-Intendantin Monika Piel laut einer Sprecherin)

„Leo Kirch war ein großer Unternehmer und ein Vorreiter des deutschen Privatfernsehens. Ich habe ihn als beeindruckenden Menschen in Erinnerung, der trotz seiner Bedeutung immer sehr unprätentiös auftrat.“ (Gerhard Zeiler, Geschäftsführer des Fernsehkonzerns RTL Group in Luxemburg)

„Ohne den unternehmerischen Weitblick und den Mut von Leo Kirch wäre der erfolgreiche Start und der Aufbau des privaten Fernsehens 1984 in Deutschland nicht möglich gewesen. In tiefer Betroffenheit trauern wir um eine der großen Unternehmerpersönlichkeiten unserer Republik.“ (Jürgen Doetz, Präsident des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien, VPRT, in einer Mitteilung)