Die Ratingagentur Moody’s setzt die Kreditwürdigkeit von Portugal auf “Ramsch“-Niveau. Finanzminister Schäuble kritisiert die Entscheidung.
London. Die Ratingagentur Moody’s senkt die Kreditwürdigkeit von Portugal auf "Ramsch"-Niveau. Portugal soll im Jahr 2013 wieder Geld am Finanzmarkt aufnehmen. Moody's geht allerdings davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit höher wäre, dass das Land ein zweites Hilfspaket benötigt, bevor es an die Kapitalmärkte zurückkehren kann. Somit sinkt das Rating der Agentur um ganze vier Stufen auf "Ba2". Der Ausblick sei negativ. Das Land bekommt bereits Finanzhilfen der Europäischen Union und des Internationalem Währungsfonds (IWF) über 78 Milliarden Euro.
Nach Bekanntgabe der Herabstufung wurde kritik laut: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble äußert sich überrascht über das Urteil und könne nicht erkennen, was dieser Einschätzung zugrunde liege. Portugal habe eine neue Regierung und liege bei der Umsetzung des vereinbarten Sparprogramms nicht nur voll im Plan, sondern sogar darüber. Es gebe daher zu diesem Zeitpunkt keine sachlichen Gründe, zu so einer Einschätzung zu kommen. Schäuble bekräftigte seine Forderung, den Einfluss der Ratingagenturen zu begrenzen. Es müsse versucht werden, das Oligopol der drei Agenturen – Moody’s, Standard & Poor’s sowie Fitch - aufzubrechen.
Portugals Regierung erklärt, Moody’s würde die jüngst eingeführte Sondersteuer und die politische Unterstützung für den Sparkurs nicht berücksichtigen. Im Gegensatz zu Griechenland stoßen in Portugal die Sparpläne auch auf die Unterstützung der Opposition. Die neue Mitte-Rechts Regierung versichert, es werde alles getan, um die verschärften Sparanstrengungen zu bewältigen. Moody’s hingegen sagt, es habe große Bedenken, dass Portugal nicht in der Lage sein wird, die mit der EU und dem IWF vereinbarten Defizitziele zu erreichen. Der Staat steht laut Moody’s vor Herausforderungen bei der Kürzung der Staatsausgaben, den Hilfen für das Finanzsystem sowie einer Ankurbelung des Wirtschaftswachstums.
Analyst Robert Tipp von Prudential sah die Herunterstufung als Beleg dafür, dass die Schuldenkrise – auch, wenn Griechenland ein zweites Paket erhält – nicht vor anderen Ländern Halt macht. Diese Situation werde auch im nächsten oder übernächsten Jahr andauern. Nach Bekanntgabe des Ratings fiel der Euro auf ein Tagestief. Investoren verschreckt die Aussicht, dass neben Griechenland ein weiterer Euro-Staat zusätzliche Unterstützung beantragen könnte.
Nicht erst seit der Finanzkrise in Griechenland wird über die fragwürdige Macht der Ratingagenturen diskutiert. Jetzt äußerte sich auch Deutschlandchef von Standard & Poor’s, Torsten Hinrichs und verteidigt seine Branche. „Wir stufen Länder nicht immer herab, wenn sie Geld einsammeln müssen, sondern wir haben eine kontinuierliche und andauernde Überwachung aller Schuldner an den Märkten“, sagte er am Mittwoch im ARD-„Morgenmagazin“. Die Bewertung von Ländern und anderer Kapitalmarktteilnehmer sei „absolut wichtig“ für Investoren. „Nur so ist gewährleistet, dass die Investoren sich ein breites Bild machen können über die Qualitäten an den Kapitalmärkten und eine Wahl treffen können, in welche Papiere sie investieren wollen.“
Es gäbe weltweit rund hundert Ratingagenturen, sagt der Deutschlandchef der US-Ratingagentur und verweist auf die besondere Stellung der "großen Drei": Man habe sich die Bedeutung über die letzten Jahrzehnte durch Treffgenauigkeit erarbeitet.
An den Märkten lösten die Aussagen Moody’s vor allem bei den Bankenwerten einen Ausverkauf aus. Allen voran standen die Aktien portugiesischer Kreditinstitute auf den Verkaufszetteln: Die Aktienkurse der Banco BPI, Millennium BCP und Banco Espirito Santo stürzten um fünf bis sieben Prozent ab. Die Lissaboner Börse verzeichnete unter den größeren europäischen Börsen mit einem Minus von 2,5 Prozent im Standardwerte-Index den größten Verlust. In Mailand traf es die Titel der in Deutschland durch die HVB in München vertretenen italienischen Großbank Unicredit, die mehr als fünf Prozent einbüßten. Auch Aktien von Frankreichs und Deutschlands Banken wollte niemand haben: ob Societe Generale oder Deutsche Bank oder Commerzbank – sie alle standen auf den Verliererlisten mit Abschlägen von zwei bis drei Prozent ganz oben. Von Panik mochten Händler in Frankfurt aber nichts wissen. Der deutsche Leitindex Dax verlor kaum, und auch in Paris und London waren die Verluste gering.
(abendblatt.de/Reuters/dpa)