Die Europäische Zentralbank (EZB) akzeptiert einem Bericht zufolge so lange griechische Staatsanleihen als Sicherheit für Geldgeschäfte, bis alle Ratingagenturen einen Zahlungsausfall feststellen. „Die EZB hält an ihrem Prinzip fest, auf das beste Rating aller Agenturen zu achten“, berichtete die Financial Times am Dienstag unter Berufung auf Finanzkreise. Eine EZB-Sprecherin lehnte eine Stellungnahme ab. Die EZB könnte damit die Tür für einen Kompromiss zur Lösung der griechischen Schuldenkrise offenlassen, der eine Beteiligung der privaten Gläubiger vorsieht, solange nicht alle Ratingagenturen dabei ihre Bewertung auf die schlechteste Note absenken.

Derweil stehen die Ratingagenturen in der Kritik, nachdem gestern Standard & Poor's verkündete, man würde trotz der Bankenbeteiligung nach französischem Modell darüber nachdenken, Griechenland als "zahlungsunfähig" einzustufen. EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny äußerte sich kritisch: ihm sei aufgefallen, dass die Agenturen in der Eurokrise „viel strikter“ seien, als in vergleichbaren Situationen – etwa in Südamerika. „Das ist schon etwas, worüber man nachdenken muss“, sagte Nowotny.

Auch Bayerns Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) hat gefordert, schnell mit dem Aufbau europäischer Ratingagenturen zu beginnen. Das Verhalten von Standard & Poor's sei „unangemessen und wenig hilfreich“, sagte Fahrenschon. Gerade die US-Rating-Agenturen hätten im Vorfeld der Finanzmarktkrise als Frühwarnsystem und bei den Einschätzungen der Risiken eklatant versagt. Wenn nun dieselben Rating-Unternehmen notwendige Rettungsmaßnahmen der Länder der Eurozone und des IWF zusätzlich erschwerten, zeuge das von mangelnder Verantwortung und könne nur als bewusste Provokation gegenüber den europäischen Steuerzahlern gewertet werden, sagte der bayerische Finanzminister. Die Ratingagentur Standard & Poor’s hatte am Montag damit gedroht, die französischen Pläne zur Beteiligung der Banken an den Kosten der Krise als teilweisen Zahlungsausfall zu bewerten und damit neue Unsicherheit geschürt. Fitch Ratings hatte vor Bekanntwerden der Einzelheiten des französischen Plans signalisiert, nicht so weit gehen zu wollen.


Wie funktionieren Ratingagenturen?

Ratingagenturen bewerten nicht nur die Kreditwürdigkeit von Firmen und Staaten, sondern auch die Qualität von Fonds und anderen Wertpapieren. Ihre Einstufung entscheidet darüber, zu welchen Konditionen Konzerne, Banken oder Länder auf den Kapitalmärkten Geld leihen können. Den Bewertungsagenturen kommt damit eine enorme Macht zu. Je besser die Einstufung, also die erwartete Rückzahlungsfähigkeit, desto niedriger die Zinsen. Umgekehrt führt eine Herabstufung dazu, dass der potenzielle Schuldner Geld nur zu höheren Zinsen aufnehmen kann. Dies trifft auf Griechenland, Irland und Portugal zu. Üblich ist eine Herauf- oder Herabstufung um eine Stufe. Eine Herabstufung um fünf Stufen wie im Dezember bei Irland durch Moody’s ist extrem selten.

Auf dem Weltmarkt sind drei Agenturen mit weitem Abstand bestimmend: die US-Unternehmen Standard & Poor’s (S&P) und Moody’s sowie die britische Agentur Fitch Ratings. Firmen, die in den USA auf dem Kapitalmarkt agieren wollen, müssen sich von mindestens zwei dieser drei von der Börsenaufsicht SEC allein zugelassenen Agenturen bewerten lassen. Die Abstufung lässt sich mit Schulnoten vergleichen. Eine Eins plus entspricht dem besten S&P-Rating AAA. Der Kreditgeber nimmt ein Ausfallrisiko von 0,02 Prozent im wörtlichen Sinn „in Kauf“. Je niedriger das Ausfallrisiko, umso geringer muss der Kredit mit Eigenkapital der Bank hinterlegt sein. Umso mehr Verhandlungsspielraum hat auch der Kunde. Beim AAA-Rating eines Unternehmens beträgt die Eigenkapitalquote 1,6 Prozent. Note Zwei gibt es bei AA+ (besser als AA) bis AA- (schlechter als AA), und so weiter bis hinab zu D, was einer „Acht“ bei Schulnoten entspräche. Bei D wird mit 20 Prozent Ausfallrisiko oder einem Totalausfall kalkuliert, der Kredit – wenn er überhaupt noch gewährt wird – muss mit 12 Prozent Eigenkapital der Bank unterlegt sein.

Die Bewertungsagenturen sind auf Gewinn ausgerichtete Privatfirmen. Kritik entzündet sich nicht erst seit der Finanzmarktkrise daran, dass die Unternehmen, die von den Agenturen bewertet werden, diese auch bezahlen. Seit längerem gibt es Gedankenspiele in der EU, eine eigene Bewertungsagentur zu gründen. Sie sind aber bislang nicht Wirklichkeit geworden. In der Finanzmarktkrise wurde den Ratingagenturen vorgeworfen, Asset Backed Securities (ABS, forderungsbesicherte Wertpapiere) mit Höchstnoten bewertet zu haben, die später durch den Einbruch des US-Hypothekenmarktes massiv verloren. Banken konnten aber zuvor mit den Höchstnoten bewertete ABS an andere verkaufen, um Geld für neue Geschäfte zu bekommen.

(abendblatt.de/dapd)