Euro-Finanzminister geben Notkredite frei – Neues Rettungspaket braucht noch Zeit

Brüssel/Hamburg. Nach dem grünen Licht der Euro-Partner ist die Chaos-Pleite Griechenlands fast in letzter Minute abgewendet. Athen soll nach einem Beschluss der Finanzminister bis zum 15. Juli weitere zwölf Milliarden Euro aus dem laufenden Rettungsprogramm erhalten. Dass auch der Internationale Währungsfonds (IWF) seinen Anteil von 3,3 Milliarden Euro beisteuert, soll am 8. Juli entschieden werden, gilt aber als gesichert. Ohne das Geld wäre Athen Mitte Juli zahlungsunfähig.

Mit seinem enormen Sparpaket hatte Griechenland am Donnerstag vorgelegt, am Wochenende zog die Eurogruppe nach. Allerdings nur zum Teil. Denn für das zweite Rettungspaket, das Griechenland für die kommenden zwei Jahre benötigt, nehmen sich die Finanzminister mehr Zeit. Eigentlich sollten am Sonntagabend Einzelheiten über die Höhe, aber auch über die Beteiligung des Privatsektors festgelegt werden. Doch das Treffen wurde abgesagt und die Verhandlungen zunächst auf den 11. Juli verschoben. Der Deal könnte sich aber noch bis zum September hinziehen, wie aus der Erklärung der Eurogruppe hervorgeht.

„Die Arbeiten an einem notwendigen neuen Programm für Griechenland gehen mit Hochdruck weiter“, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). An den bisherigen Zusagen deutscher Banken, sich daran zu beteiligen, gab es am Wochenende Kritik. Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ rechnete vor, dass die Banken von der öffentlich genannten Summe von 3,2 Milliarden Euro nur knapp eine Milliarde riskierten. Der Finanzwissenschaftler Kai Konrad sagte, die zugesagte Summe entspreche nicht dem Ernst der Lage. Auch aus den Reihen der SPD hieß es, die Beteiligung der Institute sei zu gering.

Nach dem F.A.S.-Bericht ist der „freiwillige“ Einsatz der Banken für diese gar ein gutes Geschäft, weil im Gegenzug eine Umschuldung Griechenlands und die damit einhergehenden Verluste vermieden würden. Nach dem von Frankreich vorgeschlagenen Modell sollen die Institute die bis 2014 auslaufenden Anleihen wieder in Staatspapiere aus Athen anlegen – aber nur zum Teil.

So lange um das zweite Rettungspaket gerungen wird, so lange hängt auch Athens mittelfristige Zukunft weiter in der Luft. Die EU-Kommission malte am Wochenende ein düsteres Szenario: „Die Verschuldung wird über Jahre auf hohem Niveau bleiben, mögliche widrige Entwicklungen können nicht vorhergesehen werden“, heißt es in einem Bericht vom Samstag. Ein Wachstum von nur einem Prozentpunkt unterhalb der Erwartungen würde die Schuldenlast demnach auf 170 Prozent der Wirtschaftsleistung treiben – und die Schuldentragfähigkeit erschüttern.

Auf der anderen Seite warnte die Kommission entschieden vor einer umfassende Umschuldung. Ein Schuldenschnitt von 40 Prozent würde nicht nur die griechische Bankenlandschaft kollabieren lassen, sondern könnte auch „zu selbsterfüllenden Prophezeiungen für verletzliche Staaten führen“. Also Irland, Portugal, am Ende gar Spanien oder Italien in den Abgrund ziehen.

Vor dem Hintergrund wappnet sich die Bundesregierung trotz aller Hilfsbemühungen für einen möglichen Staatsbankrott in Griechenland. „Natürlich bereiten wir uns als verantwortungsvolle Regierung für den unwahrscheinlichen Fall vor, dass es entgegen allen Erwartungen doch zu einem Ausfall griechischer Zahlungen kommt“, sagte Schäuble dem „Spiegel“. „Dann werden wir dafür sorgen, dass es zu keiner unkontrollierten Entwicklung kommt.“

Um das Pleite-Szenario abzuwenden, muss die Wirtschaft in Athen wieder auf die Beine kommen. Einer der führenden griechischen Wirtschaftswissenschaftler, Yannis Stournaras, sieht dafür schon erste Zeichen. „Unsere Exporte sind im ersten Quartal um 31,5 Prozent gestiegen“, sagte er der „Wirtschaftswoche“. Wenn die EU, wie das jetzt in der Diskussion sei, bisher nicht genutzte Fördermittel von rund 17 Milliarden Euro für Griechenland vorzeitig auszahle, könne Athen zahlreiche Infrastrukturprojekte anpacken und damit die Wirtschaft wiederbeleben.

Ab Dienstag beschäftigt sich auch das Bundesverfassungsgericht mit der Griechenland-Hilfe. Dann beginnen die Verhandlungen, nachdem eine Gruppe von Klägern durch den milliardenschweren Rettungsschirm die Rechte des Bundestages unrechtmäßig beschnitten sehen. Einer der Kläger, der Wirtschaftswissenschaftler Joachim Starbatty, verlangte den Rausschmiss Athens aus der Eurozone. „Griechenland ist bereits bankrott“, sagte er den Zeitungen der WAZ-Gruppe (Montagausgabe). Die Kredite seien „keine Hilfe für Griechenland, sondern für die Gläubigerbanken“. (dapd/abendblatt.de)