Eine Staatspleite ist vorerst abgewendet. Das griechische Parlament hat sich für das Sparpaket ausgesprochen. Proteste gehen weiter.
Athen. Das griechische Parlament hat den Weg für weitere internationale Finanzhilfen geebnet, mit denen eine Staatspleite abgewendet werden soll. Die Abgeordneten billigten am Donnerstag das Ausführungsgesetz des am Vortag verabschiedeten 28-Milliarden-Euro-Sparpakets der sozialistischen Regierung von Ministerpräsident Giorgos Papandreou. EU und IWF hatten die Zustimmung zur Bedingung für die Auszahlung der nächsten Kredittranche von zwölf Milliarden Euro gemacht. Begleitet wurde die Entscheidung von gewaltsamen Protesten und einem Generalstreik. Die deutschen Banken und Versicherungen erklärten sich derweil grundsätzlich bereit, sich mit 3,2 Milliarden Euro an Hilfen zu beteiligen. Das auf fünf Jahre angelegte Sparprogramm sieht Leistungskürzungen, Steuererhöhungen und Privatisierungen vor. Zur Abstimmung standen das Gesamtpaket sowie Dutzende Einzelartikel des Gesetzes. Eine Abgeordnete der regierenden Pasok-Partei lehnte zwar die vorgesehene Schaffung einer Privatisierungsbehörde ab, stimmte aber für den allgemeinen Teil des Gesetzes. Am Ende lautete das Ergebnis 155 Stimmen dafür und 136 dagegen.
Bereits im Vorfeld der zweiten Abstimmung erhielt Papandreou Rückenwind von der konservativen Opposition, die ein Ja-Votum für einige der Einzelbestimmungen in Aussicht stellte. „Wir werden alles tun, was wir können, um die Regierung zu unterstützen“, sagte der Abgeordnete Nikos Dendias. Um Wackelkandidaten unter den Parlamentariern auf Kurs zu bringen, bot Finanzminister Evangelos Venizelos Zugeständnisse vor allem bei der Steuergesetzgebung an.
Im Land kehrt Ruhe ein
Nach den gewaltsamen Protesten, die bis in die Nacht andauerten, kehrte am Donnerstag Ruhe in Athen ein. Kolonnen der Straßenreinigung beseitigten auf dem Syntagma-Platz vor dem Parlamentsgebäude die Spuren der Unruhen wie Glasscherben und herausgebrochene Mauersteine. Stehen ließen sie hingegen die Zelte und Protestplakate der Demonstranten, die dort seit Wochen aus Zorn über die Sparpolitik der Regierung ausharren. Meinungsforschern zufolge steht der Regierung nach dem Erfolg im Parlament die schwerste Aufgabe erst noch bevor. „Das Problem für Papandreou ist nicht das Parlament, es ist das, was außerhalb des Parlaments geschieht“, sagte Kostas Panagopoulos vom ALCO-Institut. „Es sind nicht die paar Hundert Demonstranten auf dem Syntagma-Platz, sondern die elf Millionen Menschen im das ganzen Land.“ Die Gewerkschaften haben bereits Widerstand gegen die Privatisierungsvorhaben und die Pläne zur Kürzung von Sozialleistungen angekündigt.
Nach der Parlamentsentscheidung können die Euro-Finanzminister am Sonntag nun die nächste Hilfstranche für Griechenland freigeben, der IWF dürfte am 5. Juli folgen. Belgiens Finanzminister Didier Reynders sagte, er halte eine Zustimmung der Euro-Staaten für wahrscheinlich. Danach müssen die Arbeiten an einem zweiten, langfristigen Hilfspaket abgeschlossen werden, das sich an das erste von 110 Milliarden Euro anschließen und eine ähnliche Größenordnung haben soll. Deutschland besteht auf eine Beteiligung der Banken und einigte sich mit seinen Instituten auf gemeinsame Griechenland-Hilfen. Finanzminister Wolfgang Schäuble sagte, er rechne mit einem Gesamtbeitrag deutscher Institute von 3,2 Milliarden Euro. Er sei zuversichtlich, bis Sonntag eine Lösung zu haben. Meldungen zufolge beläuft sich der Betrag der Deutschen Bank voraussichtlich auf unter eine Milliarde Euro, die Commerzbank muss demnach deutlich unter eine Milliarde Euro beisteuern. Die Titel der Commerzbank gehörten mit einem Plus von einem Prozent zu den größten Dax-Gewinnern. Die Papiere der Deutschen Bank legten 0,9 Prozent zu. Der europäische Bankenindex gewann 1,2 Prozent.
Reaktion der Börse
Auch die Anleger freuen sich. Zu den größten Gewinnern im Dax zählten die Aktien der Münchener Rück, die 1,7 Prozent auf 105,35 Euro zulegten. Nach Einschätzung von Börsianern hat die Aktie nach den Verlusten in den vergangenen Wochen „Nachholpotenzial“. Die Allianz konnte ihre Gewinne vom Vortag fortsetzen und verbuchte ein Plus von 1,2 Prozent. Weit oben auf der Verliererliste stand BMW mit einem Minus von 0,6 Prozent, nachdem das Bankhaus Metzler das Papier auf „Sell“ von „Buy“ heruntergestuft hatte. Auch Adidas stand nach den Zugewinnen der vergangenen Tage unter Druck und verlor ein Prozent. Im Nebenwerteindex MDax stachen GEA mit einem Plus von 4,3 Prozent hervor. Der Anlagenbauer hatte am Vorabend ein deutliches Auftragsplus für die ersten fünf Monate dieses Jahres gemeldet. „Das ist eine starke Auftragslage“, erklärte ein Händler. „Die Aussagen sind mehr als nur eine Bekräftigung“, fügte ein anderer hinzu. „Damit konnte das hohe Wachstumsniveau beigehalten werden.“ Die Analysten der DZ Bank bekräftigten ihre Kaufempfehlung.
Im TecDax standen viele Solarwerte nach einer Studie der Deutschen Bank unter Druck. Nach der Herunterstufung auf „Sell“ durch die Analysten waren Phoenix Solar mit einem Minus von fünf Prozent größter TecDax-Verlierer. Solarworld gaben 1,9 Prozent ab, nachdem die Empfehlung für die Papiere von der Bank auf „Hold“ gesenkt wurde. Im SDAX stiegen Hornbach nach Geschäftszahlen auf ein Jahreshoch von 117,15 Euro und lagen im Verlauf noch 6,5 Prozent im Plus bei 114 Euro. Die Baumarktkette hat im ersten Quartal ihres Geschäftsjahres deutliche Zuwächse beim Umsatz und Gewinn verbucht. „Hornbach hat sehr starke Quartalszahlen vorgelegt“, erklärte Equinet-Analyst Martin Possienke in einer Kurzstudie den Kursanstieg. Er erhöhte sein Kursziel um vier Euro auf 124 Euro. Im Sog von Hornbach legte auch die Praktiker-Aktie deutlich zu und verteuerte sich um 2,8 Prozent. „Die Zahlen wecken Spekulationen auf gute Zahlen bei Praktiker“, sagte ein Händler.
(abendblatt.de/dapd/Reuters)