Bis zum Mittag verliert der deutsche Leitindex fast ein Prozent. Ölkonzerne und Fluggesellschaften geraten dabei besonders unter Druck.
Die eskalierende Gewalt im Ölstaat Libyen hat die Aktienmärkte erneut nach unten gezogen. Angesichts des kräftig steigenden Ölpreises gerieten in Frankfurt vor allem die Anteilsscheine der Lufthansa unter Verkaufsdruck, auch die Titel des Chemieriesen BASF setzten ihre Talfahrt fort.
Der Dax rutschte um bis zu 0,85 Prozent auf 7259 Zähler ab. Noch zu Wochenbeginn hatte der Leitindex kurzzeitig ein Drei-Jahres-Hoch von 7441 Punkten erreicht. Der europäische Stoxx50 fiel ebenfalls um 0,6 Prozent.
„Hauptgrund für den schwachen Markt ist Libyen, die Ausschreitungen scheinen heftiger zu werden als zunächst vermutet“, sagte Helaba-Marktanalyst Christian Schmidt. „Bei der aktuellen Marktkorrektur muss man aber auch im Auge behalten, dass der Dax-Anstieg zuletzt nur noch von schwachen Umsätzen begleitet worden war“, erläuterte Schmidt.
Zusätzlich zu den Sorgen wegen der Krise im Nahen Osten belaste auch die negativere Einschätzung der Ratingagentur Moody's bezüglich der japanischen Kreditwürdigkeit die Stimmung der Investoren. „Das hat die asiatischen Börsen unter Druck gebracht, und dem können wir uns hier auch nicht entziehen.“ An einem solchen Tag gingen positive Nachrichten, wie zum Beispiel der erneut gestiegene GfK-Konsumklimaindex, unter.
Der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sind in Libyen in den vergangenen fünf Tagen mindestens 233 Menschen getötet worden. Staatschef Muammar Gaddafi hatte sich am Montagabend kurz im Fernsehen gezeigt, um Berichte zu widerlegen, er sei nach Venezuela geflohen. Am Nachmittag wird nun der UN-Sicherheitsrat über die Lage in Libyen beraten.
Anleger sorgen sich vor allem um mögliche Engpässe in der Versorgung mit Rohöl und um ein mögliches Übergreifen der Proteste auf den weltgrößten Ölproduzenten Saudi Arabien. Die Nervosität ließ den Ölpreis weiter kräftig ansteigen. Ein Fass der Nordseesorte Brent kostete zeitweise mehr als 108 Dollar. US-Öl der Sorte WTI verteuerte sich um mehr als sieben auf über 93 Dollar. Die Aktien der großen Ölkonzerne BP und Shell gaben jeweils gut ein Prozent nach und spiegelten damit die Sorge der Investoren vor erheblichen Umwälzungen in der Region wider. Denn grundlegende politische Veränderungen gefährden bestehende Lizenz- und Versorgungsvereinbarungen.
In Frankfurt verloren die im Leitindex schwer gewichteten BASF-Aktien wiederum rund zwei Prozent, nachdem sie am Vortag bereits um 2,7 Prozent nachgegeben hatten. Die Konzerntochter Wintershall ist in Libyen stark engagiert. Sie musste ihre dortige Produktion wegen der Proteste stark drosseln.
Auch Lufthansa setzten ihre Talfahrt fort, die Papiere waren mit einem Minus von 2,5 Prozent Schlusslicht im Dax. „Die Verteuerung des Rohöls spüren die Airlines natürlich als erstes. Deren Kosten steigen über den Ölpreis deutlich“, sagte ein Händler. Der europäische Branchenindex lag 0,9 Prozent im Minus. Air France verloren 3,7 Prozent und die aus dem Zusammenschluss von British Airways und Iberia hervorgegangene International Consolidated Airlines Group notierten 2,7 Prozent schwächer.
Die Dax-Gewinnerliste blieb kurz. MAN-Aktien wurden von Spekulationen auf eine Übernahme durch Scania auf Touren gebracht. Sie gewannen 1,8 Prozent auf 87,92 Euro. Die „FAZ“ hatte geschrieben, dass der schwedische Lkw-Hersteller im April ein Angebot vorlegen könnte. Scania lehnte einen Kommentar dazu ab. Bereits am Vortag waren entsprechende Spekulationen aufgekommen. Hinter den Bestrebungen um einen Zusammenschluss der beiden steht VW. Der Konzern hält etwas über 70 Prozent an Scania und fast 30 Prozent an MAN. VW-Aktien gewannen knapp ein Prozent. Scania lagen knapp ein Prozent im Minus.
Im TecDax stießen einen detaillierten Ausblick vermissende Anleger die Aktien von Q-Cells ab. Die Titel des Solarkonzerns rutschten um mehr als sieben Prozent auf 3,07 Euro ab. Für 2010 hat das Unternehmen zwar einen 70-prozentigen Umsatzanstieg vermeldet, zum laufenden Jahr äußerte sich der Konzern aber zurückhaltend. „Wir werden mit allen Mitteln daran arbeiten, den Umsatz erneut zu steigern“, sagte Firmenchef Nedim Cen lediglich in einer Telefonkonferenz.