Bei Firmenpleite müssen Bürger für AKW-Rückbau bluten, so Greenpeace. Umweltschützer fordern Fonds für Endlagerung – Konzerne lehnen ab.

Berlin. Der Abriss alter Atomkraftwerke und die Endlagerung von Strahlenmüll könnte einer Studie von Greenpeace zufolge die Steuerzahler ab 2022 teuer zu stehen kommen. Dann endet die entsprechende Vereinbarung, wonach alle vier Energiekonzerne beim Rückbau für ihre jeweiligen Kernkraft-Tochterfirmen einstehen müssen, wie die Autorin der Studie, Bettina Meyer, am Mittwoch in Berlin erläuterte.

Greenpeace forderte deshalb, die Konzerne sollten die von ihnen zur Seite gelegten Milliarden für die Endlagerung von Atommüll in einen öffentlichen Fonds einzahlen. Das Geld für die Demontage könnte bei den Unternehmen bleiben.

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Die Bundesregierung wies den Vorschlag für einen Staatsfonds umgehend zurück. Auch das Deutsche Atomforum als Interessenvertretung der Energiekonzerne hält jedoch am bisherigen System fest. „Die KKW-Betreiber haben sich in der Vergangenheit zu ihrer Verantwortung bekannt und werden das uneingeschränkt auch in Zukunft tun“, sagte Atomforums-Präsident Ralf Güldner. Er sah kein Risiko, dass die Kosten aus dem Ruder laufen könnten. Durch die Erfahrungen beim Rückbau könnten die Aufwendungen „zuverlässig eingeschätzt werden“.

Greenpeace hält Kosten von 34 Milliarden Euro für den Abbau und die Endlagerung für realistisch. Dennoch rechnen die Umweltexperten auch mit einem hohen Risiko, die die Ausgaben schnell auf 44 Milliarden Euro katapultieren könnten. Die jahrzehntelangen Arbeiten könnten gar bis zu 60 Milliarden erfordern, sagte Greenpeace-Energieexperte Thomas Breuer.

Die Energiekonzerne halten laut Atomforum derzeit rund 30 Milliarden Euro bereit, haben Greenpeace-Schätzungen zufolge aber vergangenes Jahr weitere drei bis vier Milliarden angesammelt. Diese Rückstellungen seien intransparent, kritisierte Greenpeace. Sie seien in der Bilanz jedes Konzerns verbucht – mit ihnen könnten die Firmen aber weiter wirtschaften.

Umweltschützer befürchten, die Energiekonzerne könnten sich bei den Kosten für den Rückbau alter Atomkraftwerke aus der Verantwortung stehlen. Meyer zufolge wäre es denkbar, dass sich ein Energiekonzern von seiner Atomsparte trenne. Weil diese Sparte ohne laufendes Atomkraftwerk kein Geld mehr verdiene, lebte sie fortan nur von den Rücklagen. „Kommen unvorhergesehene Kosten, sind sie pleite“, sagte Meyer. Möglich wäre dieses Szenario ab April 2022 - dann laufe eine entsprechende Solidarvereinbarung aus dem Jahr 2001 aus, die die Konzerne an die Entsorgungspflichten ihrer Atom-Tochterfirmen binde.

Den Steuerzahlern drohe dann ein „finanzielles Desaster“, warnte Breuer. Er forderte die Bundesregierung auf, die Konzerne dauerhaft per Gesetz und nicht nur per Vereinbarung zum Bezahlen zu verpflichten. „Auch nach dem Verschluss des Endlagers müssen Konzerne für die weiteren Kosten aufkommen“, sagte Breuer. Er unterstützt deshalb das von der Autorin Meyer vorgeschlagene Fondsmodell. Die Idee ist einem bereits in der Schweiz bestehenden Fonds entlehnt.

In den Fonds sollen schon bestehende Rückstellungen fließen und weitere zehn Milliarden „frisches Geld“. Davon solle die Endlagerung finanziert werden – der Fonds müsse also über Jahrzehnte eine sichere Anlage bieten. Wer den Stock auffülle, wenn das Geld doch nicht ausreicht oder ein Börsencrash Kapital vernichtet, konnte Breuer nicht sagen.