Während in NRW und Berlin 80.000 Beschäftigte streiken, setzt Verdi die Arbeitgeber vor der dritten Verhandlungsrunde unter Druck.
Düsseldorf/Berlin. Auf dem Höhepunkt der neuen Warnstreikwelle im öffentlichen Dienst hat Verdi-Chef Frank Bsirske den Arbeitgebern mit dem größten Arbeitskampf seit zwei Jahrzehnten gedroht. Sollten die Arbeitgeber ihren bisherigen Kurs fortsetzen, werde es einen Streik geben, „wie es ihn 20 Jahre nicht gegeben hat“, sagte Bsirske am Mittwoch auf einer Kundgebung in Köln. Wenn die entscheidende Verhandlungsrunde in der kommenden Woche nicht zu einem akzeptablen Ergebnis führe, „dann heißt es Urabstimmung und Arbeitskampf“, erklärte er.
Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen und in Berlin legten am Mittwoch nach Angaben der Gewerkschaft rund 80.000 Staatsbedienstete den ganzen Tag die Arbeit nieder. Allein in NRW waren es 71.000. Der Nahverkehr an Rhein und Ruhr stand für 24 Stunden fast flächendeckend still.
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Die kommunalen Arbeitgeber streben in der dritten Verhandlungsrunde am 28. und 29. März in Potsdam eine Einigung an und fordern Kompromissbereitschaft von den Gewerkschaften. „Wir wollen einen Abschluss“, sagte ihr Verhandlungsführer Manfred Hoffmann. Beide Seiten müssten sich aufeinander zu bewegen. „Die Arbeitgeber sind dazu bereit“, sagte er. Ein weiteres Angebot werde es nicht geben.
Verdi sowie dbb Beamtenbund und Tarifunion verlangen 6,5 Prozent mehr Lohn für die zwei Millionen Staatsbediensteten von Bund und Kommunen. Die Arbeitgeber bieten bislang 3,3 Prozent Lohnsteigerung über zwei Jahre.
In Nordrhein-Westfalen blieben zum Beginn der Frühschicht am Mittwoch Busse und Bahnen in den Depots . Gestreikt wurde auch bei der Müllabfuhr, in Kindertagesstätten, Sparkassen, Verwaltungen und Schwimmbädern. In Berlin traten unter anderem die Mitarbeiter von Stadtreinigung, landeseigenen Krankenhäusern, Wasserbetrieben sowie der Verwaltungen von Bundestag und Kanzleramt in den Ausstand.
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An einer ersten einwöchigen Warnstreikwelle hatten sich Anfang März laut ver.di bundesweit 130.000 Beschäftigte beteiligt. In dieser Woche seien es bereits nach drei Tagen 138.000 Mitarbeiter von Bund und Kommunen gewesen. Für Donnerstag sind Streiks in Baden-Württemberg, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen geplant.
Der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz forderte angesichts der Warnstreiks höhere gesetzliche Hürden für Ausstände. „Die Politik sollte die Zulässigkeit von Warnstreiks einschränken“, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrats der Online-Ausgabe der „Wirtschaftswoche“. Die Gesetze müssten vor jedem Streik ein Schlichtungsverfahren vorschreiben.
„Die Hürden für Streiks in Deutschland müssen generell höher gelegt werden“, verlangte Franz. Sinnvoll sei auch eine „Cooling-Off-Periode“ wie in den USA, wo der Präsident einen Arbeitskampf für bis zu 80 Tage aufschieben könne, wenn die gesamte Volkswirtschaft leide.
Das am Dienstag veröffentlichte Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum Urlaub für jüngere Beschäftigte will ver.di-Chef Bsirske im laufenden Tarifkonflikt außen vor lassen. „Das wird auf die Verhandlungen meiner Ansicht nach nicht ausstrahlen können“, sagte er. „Wir sprechen über Entgelt.“
Aus Sicht der kommunalen Arbeitgeber dagegen könnte das Urteil, das jüngeren Beschäftigten mehr Urlaub zubilligt, durchaus eine Rolle in den Verhandlungen spielen. „Jedenfalls insofern, als dass wir für die kommunalen Haushalte und die der kommunalen Unternehmen mit weiteren 250 Millionen Euro Belastung rechnen“, sagte der Verhandlungsführer Hoffmann im Deutschlandfunk.
Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hatte am Dienstag eine im Tarifvertrag vorgesehene altersabhängige Staffelung der Urlaubsdauer für rechtswidrig erklärt.