Nach dem jüngsten Ratingurteilen durch S&P wollen Politiker aus dem Euro-Raum den Einfluss der Agenturen verringern.

Berlin. Die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) hat den Daumen über neun der 17 Euro-Länder gesenkt und ihre Bonität herabgestuft. Im Gegenzug wird in der Politik der Ruf lauter, den Einfluss der Ratingagenturen an den Weltfinanzmärkten zu verringern. Auf EU-Ebene laufen die Arbeiten dazu bereits auf Hochtouren. Auch die Koalition hat sich im November in einem Bundestags-Entschließungsantrag des Themas angenommen. Ein Überblick:

Wie ist die Situation heute?

Vor der Finanzkrise 2008 agierten die Bonitätswächter im luftleeren Raum, eine Regulierung fand nicht statt. Das hat sich mit der EU-Richtlinie CRA I geändert, die 2010 in Kraft trat. Seitdem dürfen die Agenturen keine Finanzprodukte mehr bewerten, an deren Strukturierung sie beteiligt waren. Auch müssen sie ihre Methoden offenlegen und sich von der EU-Finanzaufsicht ESMA kontrollieren lassen. Bei Verstößen drohen ihnen empfindliche Bußgelder. Schließlich muss das Management hohe Standards erfüllen, und Analysten müssen regelmäßig ihre Bereiche wechseln, um eine zu enge Geschäftsbeziehung zu den bewerteten Kunden zu vermeiden.

Seit dem 1. Juli 2011 werden die Ratingagenturen unter der Richtlinie CRA II alleine von der Europäischen Aufsichtsbehörde ESMA kontrolliert. Zuvor standen sie in Deutschland unter der Kontrolle der Börsenaufsicht BaFin. Diese neuen Standards gelten auch für die drei großen amerikanischen Ratingagenturen S&P, Moody’s und Fitch, wenn sie in der EU tätig sind.

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Was kommt auf die Ratingagenturen zu?

EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier hat im November einen Vorschlag für eine weitere Regulierungsrichtlinie vorgelegt. Die EU-Kommission will vier Problembereiche angehen: Die Bewertung der Bonität staatlicher Emittenten ist wenig durchschaubar; die Anleger verlassen sich wegen vieler gesetzlicher Regeln zu stark auf die Noten der Agenturen; diese sind nicht unabhängig genug von den Emittenten, die die Agenturen bezahlen; der Markt wird von drei großen US-Anbietern dominiert.

Um die Unabhängigkeit der Agenturen zu stärken und den rund zehn kleineren Konkurrenten der großen Drei mehr Chancen zu geben, will die EU eine Rotationsregel einführen: Eine Agentur darf in der Regel nur zehn aufeinanderfolgende Produkte eines Emittenten bewerten oder die Anleihen eines Kunden maximal drei Jahre benoten. Die Kommission rüttelte jedoch nicht an dem umstrittenen Prinzip, dass der Emittent und nicht der Investor für die Benotung bezahlt. Um Gefälligkeitsurteile zu verhindern, sind jedoch Vorgaben zur Gebührengestaltung vorgesehen. Die EU-Staaten und das Eurpäische Parlament sollen die Richtlinie in diesem Jahr verabschieden.

Welche Regeln gelten künftig für Staatenratings?

Die Vorwarnzeit über Notenänderungen an staatliche Anleihen-Emittenten soll künftig auf einen Arbeitstag verlängert werden. Die Bewertung von Staaten muss außerdem ausführlicher begründet werden. Barnier scheiterte jedoch in der Kommission mit dem Vorschlag, die Bekanntgabe von Ratings für Krisenländer zeitweise von der Aufsicht verbieten lassen zu können. Dazu müssten die Kriterien noch genauer festgelegt werden. Auch eine Ahndung von Fehlern, wie S&P sie im vergangenen Jahr mit einer fälschlich versandten, noch gar nicht entschiedenen Herabstufung Frankreichs unterlief, könnte im Lauf der Beratungen noch in das Gesetz eingebaut werden.

In die ferne Zukunft verschob die Kommission den Versuch, eine europäische Ratingagentur per Gesetz zu schaffen. Zu teuer und womöglich nicht glaubwürdig genug wäre eine staatlich finanzierte Institution, so die Begründung.

Was passiert in Deutschland?

Die Stoßrichtung der Koalition stimmt im Wesentlichen überein mit den Ideen der EU-Kommission. Einen besonderen Schwerpunkt legen Union und FDP aber darauf, die Verknüpfung gesetzlicher Vorgaben mit externen Ratings zu verringern. Auch die EU durchforstet die Finanzregulierung auf entsprechende Vorschriften mit dem Ziel, die Abhängigkeit vom Urteil der Agenturen abzubauern. Denn externe Ratings sind in zahllosen Vorschriften für Finanzaxteure vorgeschrieben, etwa bei der Eigenkapitalunterlegung von Krediten oder in Vorgaben für Versicherer, wie sie Prämiengelder anlegen dürfen.

Diese feste Verankerung in Regulierungsvorschriften habe bei vielen Marktteilnehmern zu einer übermäßigen und mechanistischen Orientierung an externen Ratings geführt, heißt es in dem Entschließungsantrag des Bundestags. Dadurch sei es bei Investoren zu einer Vernachlässigung ihrer Sorgfaltspflicht gekommen. Abrupte Änderungen externer Ratings könnten deshalb Störungen im Finanzsystem verstärken oder sogar verursachen.

Wie genau diese Entflechtung aussehen soll, ist noch unklar. Unter anderem wird daran gedacht, dass insbesondere größere Geldinstitute bei der Berechnung ihrer Kapitalunterlegung von Kreditrisiken verstärkt auf interne Risikobewertungsmodelle zurückgreifen, die seitens der Aufsicht genehmigt werden. Zudem sollen Marktteilnehmer nicht mehr in strukturierte oder andere Finanzinstrumente (Derivate) investieren dürfen, wenn sie nicht die zugrundeliegenden Kreditrisiken selbst bewerten können. (Reuters/abendblatt.de)