Die Ratingagentur “Standard & Poor's“ hat neun Euroländer herabgestuft. Darunter auch das wirtschaftliche Schwergewicht Frankreich.
Paris/London/Berlin/Luxemburg. Das wilde Herabstufen geht weiter: Die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) hat mit einem Schlag neun Euro-Länder herabgestuft. Die Ratingagentur stufte Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Zypern, Malta, Slowakei und Slowenien herab. Deutschland bleibt dagegen verschont und behält sein Top-Rating. Teilweise stufte Standard & Poor's die Eurostaaten um bis zu zwei Stufen herab. Das dürfte es schwerer und teurer machen, sich frisches Geld am Kapitalmarkt zu leihen. Damit steigt der Druck auf ganz Europa.
Deutschland dagegen kann aufatmen: Das wirtschaftliche Zugpferd der Eurozone behielt sein Spitzenrating von "AAA“, sogar mit einem stabilem Ausblick. Damit droht auch mittelfristig keine Abstufung. Die zweite große Euro-Volkswirtschaft hatte da weniger Glück: Nicht nur, dass die Franzosen ihre Spitzennote verloren haben, ein negativer Ausblick kündet auch von einer möglichen weiteren Abstufung in der Zukunft. Dies gilt als problematisch, weil die Herabstufung Frankreichs auch Auswirkungen auf den Rettungsfonds EFSF für Krisenstaaten haben könnte.
Der Ausblick ist für 14 Euroländer negativ, darunter auch einige, an denen der Kelch jetzt vorübergegangen war. Die Chance liege bei eins zu drei, dass die Staaten in diesem oder dem kommenden Jahr heruntergestuft würden, erklärte S&P in einer Mitteilung. Neben Deutschland hat einzig noch die Slowakei in der Eurozone einen stabilen Ausblick.
Europas Politiker hätten nicht genug getan, um die Schuldenkrise einzudämmen, begründete S&P den Rundumschlag. Die Benoter zeigten sich enttäuscht von den Ergebnissen des Eurogipfels im Dezember. Die Kreditkonditionen verschlechterten sich genauso wie die wirtschaftlichen Aussichten, warnte die Ratingagentur. Europas Politiker seien sich noch immer uneins, wie die Krise zu lösen sei.
Die größter der drei wichtigsten Ratingagenturen hatte Anfang Dezember die Noten fast aller Eurostaaten sowie des EFSF unter verschärfte Beobachtung gestellt. Neben der Bundesrepublik behalten in der Eurozone nur noch die kleineren Länder Niederlande, Finnland und Luxemburg ihre Top-Bonität, weltweit sind es abgesehen von Hongkong insgesamt 13 Staaten. Griechenland ist bereits auf Ramschstatus abgerutscht – das heißt, S&P geht von einer hohen Wahrscheinlichkeit eines Staatsbankrotts aus. Erwartet wird, dass auch die Ratingagenturen Moody's und Fitch in nächster Zeit neue Bewertungen veröffentlichen werden.
Die Bundesregierung hat die Herabstufung der Kreditwürdigkeit mehrerer Euro-Länder durch die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) "zur Kenntnis“ genommen. Das Finanzministerium erklärte am späten Freitagabend in Berlin, mit der Umsetzung der Gipfelbeschlüsse vom Dezember und mit der Vereinbarung konkreter Fiskalregeln in einem verbindlichen Abkommen würden die Finanzen der Mitgliedsstaaten der Eurozone nachhaltig stabilisiert.
Damit werde wieder das Vertrauen der Märkte in die Eurozone gewonnen und nachhaltig gestärkt: "Unser Konsolidierungswille und unsere Entschlossenheit, zur Überwindung der Staatsschuldenkrise im Euroraum unseren Beitrag zu leisten, stehen außer Frage“, hieß es. Dies gelte in gleicher Weise auch für die Partnerländer im Euroraum: "Wir haben in jüngster Zeit erfahren, dass die Märkte dieses bereits positiv zur Kenntnis nehmen.“
Unterdessen sagte der Vorsitzende der Euro-Finanzminister, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, am späten Freitagabend, dass der neue "Fiskalpakt“ für mehr Haushaltsdisziplin der Eurostaaten bereits beim nächsten EU-Gipfel Ende des Monats vereinbart werden solle.
"Wir unterstreichen noch einmal, dass die Staats- und Regierungschefs der Eurozone weitreichende Maßnahmen beschlossen haben, die – zusammen mit den Entscheidungen der EZB – dazu geführt haben, dass sich die Anspannungen am Staatsanleihen- und Interbankenmarkt unlängst deutlich abgeschwächt haben“, erklärte Juncker. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte vor Weihnachten die Bankenbranche mit Milliardensummen geflutet, um eine Kreditklemme zu verhindern.
Juncker sagte weiter, die Eurostaaten prüften, wie der Krisenfonds EFSF für klamme Mitgliedsländer für seine Anleihen die Einsernote AAA behalten könne. Der Fonds habe ausreichende Mittel, um seine Aufgabe bei derzeitigen und künftigen Programmen für Krisenländer zu bewältigen.
Juncker verwies auch darauf, das die EU-"Chefs“ im Dezember 2011 beschlossen, die Einrichtung des ständigen Krisenfonds ESM auf Juli dieses Jahres vorzuziehen. Dieser Fonds wird 80 Milliarden Euro eingezahltes Kapital haben und deshalb unabhängiger von den Garantien der Eurostaaten sein.
Der französische Finanzminister François Baroin reagierte auf die Herabstufung im Sender France-2: "Dies ist keine gute Nachricht." Baroin bestätigte auch die Herabstufung. "Es ist eine halbe Überraschung.“ Er fügte aber hinzu: "Das ist natürlich keine Katastrophe.“
Die Herabstufung könnte weitreichende Folgen haben. Frankreich ist als zweitgrößte Wirtschaft in der EU maßgeblich am Rettungsfonds EFSF beteiligt. Damit schadet die Herabstufung nicht nur den Bemühungen im Kampf gegen die Schuldenkrise in der Eurozone. Sie könnte auch die Chancen des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy beeinträchtigen, bei der bevorstehenden Präsidentschaftswahl eine zweite Amtszeit zu gewinnen.
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy wollte Deutschlands wichtigstem Handelspartner unter allen Umständen die Bestnote AAA erhalten. Nicht nur, um Europas zweitstärkster Volkswirtschaft die Kreditaufnahme zu günstigen Zinsen zu erhalten. Auf dem Spiel sah er auch seine eigene Wiederwahl, denn im April steht Präsidentenwahl an. Und im Wahljahr möchte Sarkozy weder die Wähler verprellen noch die schwächelnde Konjunktur abwürgen. Doch all der Einsatz war vergeblich, wie sich nun zeigte. Ausgerechnet am Freitag, dem 13. – auf den Tag genau 100 Tage vor dem ersten Wahldurchgang – stufte die Rating-Agentur Standard & Poor's die Kreditwürdigkeit des Landes herab.
Die Maßnahme kam nicht unerwartet. Im vergangenen November hatte die Agentur bereits für Turbulenzen an den Finanzmärkten gesorgt, als sie – nach eigenen Angaben versehentlich – Frankreichs Top-Bewertung in einer Mitteilung gesenkt hatte. Auch Moody's hatte Mitte Oktober angekündigt, die Bonität des Landes drei Monate lang genau unter die Lupe zu nehmen. Sarkozy hatte zuletzt daher die Öffentlichkeit auf das letztlich Unvermeidliche vorzubereiten versucht.
In seiner Neujahrs-Ansprache hatte er fast schon trotzig betont, dass weder die Kapitalmärkte noch die Ratingagenturen Frankreichs Politik bestimmen würden. Ein Verlust der Top-Bonität sei nicht unbedingt das Ende der Welt, der Verlust der magischen drei Buchstaben kein unlösbares Problem. Das staatliche Engagement zur Defizit-Reduzierung der öffentlichen Haushalte sei aber unantastbar und unabhängig von der wirtschaftlichen Lage.
Trotz brodelnder Gerüchteküche über die drohende Herabstufung hatte er damit zumindest zum Jahresauftakt Recht behalten. Bei einem ersten Test hatte Paris problemlos Milliardenbeträge am Kapitalmarkt aufgenommen und bei einer Auktion fast die maximal angestrebte Summe erreicht – wenn auch zu einem Zinssatz weit über jenem, den Deutschland zahlen muss.
Wirtschafts- und Finanzminister François Baroin bemühte sich um Gelassenheit: Die Herabstufung sei keine Katastrophe. „Es sind nicht die Ratingagenturen, die Frankreichs Politik diktieren.“ Selbst die Pariser Börse blieb am Freitagabend trotz leichter Minus-Tendenz eher gelassen – auch wenn die Herabstufung ein Signal aussendet, das den Wahlkampf durcheinanderzuwirbeln droht.
Denn auch die Opposition muss nun bei Wahlversprechen eine neue Bescheidenheit üben. Der sozialistische Abgeordnete Jean-Marie Le Guen sprach in einem TV-Interview allerdings noch vor der Verkündung der Entscheidung von einer "schrecklichen Nachricht“ und einem "dreifachen Scheitern Sarkozys“: "Ein Scheitern seiner fünfjährigen Wirtschaftspolitik, die Frankreich in diese Lage geführt hat, ein Scheitern des Krisenmanagements und ein soziales Scheitern.“
Frankreich steht schon seit Monaten schon wegen seines hohen Staatsdefizits unter erheblichem Druck der Märkte. "Auch wenn das Defizit 2012 deutlich schrumpft, wird es 82 Milliarden Euro erreichen. Dieser Betrag wird den astronomisch hohen Schuldenstand von 1650 Milliarden Euro weiter anschwellen lassen“, hatte selbst der regierungsnahe "Le Figaro“ vor Wochen gemahnt. Und angesichts der sich eintrübenden Wirtschaftslage tritt Frankreichs Wirtschaft nun auf der Stelle. Paris musste innerhalb von drei Monaten zwei Sparprogramme ankündigen, um die Ziele beim Schuldenabbau einhalten zu können.
Im Land des "savoir vivre“ lag das Haushaltsdefizit in den vergangenen 30 Jahren allerdings nie unter einem Prozent. Gewaltige Anstrengungen waren daher nötig, um den Haushalt zu bereinigen. Das Haushaltsdefizit trimmte Sarkozy von sieben Prozent in 2010 auf einen für vergangenes Jahr angepeilten Wert von knapp 5,7 Prozent – bis zum kommenden Jahr soll es nach den bisherigen Plänen auf drei Prozent reduziert sein. Höhere Zinsen am Kapitalmarkt erschweren das jedoch - kein Wunder, dass Sarkozy vor diesem Hintergrund bei der Finanztransaktionssteuer Druck macht, um sie notfalls auch im europäischen Alleingang umzusetzen.
Denn nach Informationen der Zeitung "Le Parisien“ geht Paris davon aus, dass die Herabstufung dem Land Mehrkosten in einem Volumen von mindestens 2 Milliarden Euro pro Jahr bescheren könnte. Der Spielraum für wahlkampftechnische Manöver wird damit arg eingeengt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Konjunktur lahmt: fürs laufende Jahr wird nur noch ein Prozent erwartet – und selbst das ist nicht unumstritten.
(abendblatt.de/dpa/dapd)