Sie galten als sicherer Hafen für konservative Anleger: die Staatsanleihen der Euro-Länder. Doch diese Zeiten sind seit dem griechischen Drama passé.
Berlin. Es ist noch nicht lange her, da galten Staatsanleihen als das sicherste Investment, das man sich vorstellen kann. Regierungstitel gleich welchen Euro-Landes waren das Kernelement eines jeden konservativen Portfolios. Die Griechenland-Krise hat diese Illusion gnadenlos zerstört.
Die gesamte Vorstellung von Staatsanleihen als sicherer Hafen ist plötzlich fragwürdig geworden. "Heute müssen Investoren ganz genau fragen, welches Land den Schuldtitel begeben hat", sagt der Mainzer Finanzstratege Antonio Sommese. Euro-Anleihe ist heute nicht mehr gleich Euro-Anleihe.
Griechische Papiere sind nur noch etwas für Spekulanten. Am Donnerstag konnte sich die Hellenen-Anleihe mit zweijähriger Restlaufzeit um sechs Prozent erholen, nachdem sie in den Tagen zuvor um 15 Prozent abgestürzt war. Der zehnjährige Regierungstitel schwankte in diesen zwei Wochen zwischen 94 und 77 Punkten hin und her. Die Renditen erscheinen mit 12,2 Prozent für den bis März 2012 (Isin: GR0110021236) und neun Prozent für den im Juni 2020 auslaufenden Titel (Isin: GR0124032666) sehr attraktiv. Doch viele offene Fragen machen das Investment zu einem wahren Vabanquespiel:
Kommt das Rettungspaket von Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds rechtzeitig? Kann die Regierung Papandreou weitere Spar- und Sanierungsprogramme durchsetzen? Wird Athen den Anlegern am Ende einen Kapitalschnitt zumuten? Lassen sich die großen Bond-Investoren der Wall Street überzeugen? Das alles entscheidet über Wohl und Wehe der Griechen-Papiere.
Den ruhenden Pol bilden die Anleihen der größten Volkswirtschaft auf dem Kontinent, der deutschen. Die Bundesrepublik muss für Schuldtitel mit zehn Jahren Laufzeit nur knapp über drei Prozent Zins bieten. Selten seit Ausbruch der Finanzkrise waren es mehr als 3,2 Prozent. Die zweijährigen werfen nur 0,8 Prozent im Jahr ab. Um etwas mehr zu erwirtschaften, haben viele private wie professionelle Anleger in den vergangenen anderthalb Jahren Papiere südeuropäischer Länder gekauft, die etwas mehr Rendite boten. Im Falle Griechenlands ist das böse danebengegangen: Das kalkulierte Risiko mündete nicht in einer Mehrrendite, sondern in herben Verlusten.
Dossier: Die Finanzkrise in Griechenland
Bei anderen Länder-Anleihen ging die Rechnung auf den Mehrzins jedoch auf. Wer Ende vergangenen Jahres zum Beispiel französische oder niederländische Anleihen kaufte, konnte neben der etwas höheren laufenden Verzinsung auch noch Kursgewinne erzielen.
"Was die Entwicklung von Zinspapieren angeht, ist in Europa eine klare Zweiteilung festzustellen", sagt Robert Senz, Bereichsleiter Renten bei der österreichischen Fondsgesellschaft Raiffeisen Capital Management (RCM) in Wien.
Die Halter von Rentenfonds können sehr genau sehen, auf welches Pferd die Manager gesetzt haben: die Kernstaaten oder die Peripherie. Sind die Notierungen in den vergangenen Tagen abgesackt, können Anleger davon ausgehen, dass das Portfolio einen größeren Anteil an Griechen-, Portugiesen- oder Iren-Anleihen aufweist.
"Welche Papiere ein Rentenfonds genau enthält, ist für private Anleger nicht leicht zu erkennen", sagt Werner Hedrich, Fondsanalyst bei der Ratingagentur Morningstar. Allerdings könnten Zusätze wie "plus" im Fondsnamen ein Hinweise darauf sein, dass der Manager eine eher aggressive Strategie fährt, also gezielt Risiken eingeht, um mehr Rendite zu erwirtschaften. In Zeiten wie diesen aber kann eine aggressive Strategie ins Auge gehen. Ist in der Fondsbeschreibung hingegen von einer konservativen Anlagestrategie die Rede, dürfte der Fonds in den vergangenen Tagen hingegen nicht verloren haben. In einer Gegenbewegung zum Absturz der Peripherieländer-Anleihen haben die Papiere vieler Kernländer der Euro-Zone sogar zugelegt.
Eine böse Überraschung gab es für so manchen konservativen Anleger, der aus Furcht vor einer drohenden Geldentwertung auf Inflationsschutz-Fonds gesetzt hatte.
Da Griechenland eine Reihe von inflationsindexierten Anleihen begeben hat, deren Rendite zudem höher war als die der entsprechenden deutschen oder französischen Produkte, finden sich Hellenen-Titel auch in zahlreichen derartigen Fonds wieder. Der DWS Invest Global Inflation Strategy hat in den zurückliegenden Tagen auffällig stark verloren. "Griechische Index-Anleihen schützen eben nur so lange vor der Inflation, wie Athen noch das Geld für Zins und Tilgung aufbringen kann", sagt Finanzexperte Sommese.
Für sicherheitsorientierte Investoren hat eine schwierige Zeit begonnen. Ob deutsche Papiere auch in Zukunft noch der Fels in der Brandung sein werden, ist schwer abzuschätzen. "Irgendwer wird am Ende einen Teil der griechischen Schulden übernehmen müssen", sagt Anleihen-Profi Senz. Die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich groß, dass Deutschland und die anderen Kern-Staaten die Rolle des Retters werden spielen müssen. Dann könnten sich südeuropäische Verbindlichkeiten in gesamteuropäische verwandeln: "Anleger würden bei Bundesanleihen dann vermutlich höhere Risikoprämien verlangen", sagt Senz. Sprich: Die Notierungen könnten unter Druck kommen. Haltern der Papiere drohen dann Kursverluste.
Während viele Strategen Bundesanleihen für überbewertet halten und Kursabschläge erwarten, sehen manche bei italienischen Titeln sogar Potenzial. Rom muss aktuell mehr als vier Prozent bieten - etwa ebenso viel wie Madrid. "Italien steht fiskalisch und ökonomisch besser da als Spanien", sagt Chiara Cremonesi, Analyst bei UniCredit in London. Im Verhältnis seien die italienischen Papiere attraktiv.