Der größte Betrugsfall aller Zeiten an der Wall Street erschüttert die ohnehin schon angeschlagene Bankenbranche. Auch Zertifikateanleger sind...

Hamburg. Der größte Betrugsfall aller Zeiten an der Wall Street erschüttert die ohnehin schon angeschlagene Bankenbranche. Auch Zertifikateanleger sind betroffen. Der frühere Nasdaq-Chef Bernard Madoff soll Investoren mit einem Schneeballsystem um 50 Milliarden Dollar betrogen haben. Jetzt muss damit gerechnet werden, dass die Zahl der Opfer täglich zunimmt, weil die Auswirkungen erst allmählich sichtbar werden. "Wir haben Gesellschaften auf der ganzen Welt und sind dabei, die Auswirkungen zu ermitteln", sagte eine Sprecherin von Allianz Global Investors.

Deutsche Banken sind von dem Betrugsfall kaum betroffen. Deutsche Bank, Postbank und Commerzbank erklärten, Madoff sei für sie kein Thema. Die HypVereinsbank-Mutter UniCredit meldete, dass sie mit 75 Millionen Euro betroffen ist. Ob auch Versicherungen zu Schaden gekommen sind, lässt sich noch nicht absehen, hieß es aus der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht.

Wesentlich stärker hat es andere europäische Banken getroffen. So hat Spaniens größte Bank Santander 2,3 Milliarden Euro bei Madoff investiert. Auch die britische HSBC fürchtet Verluste von bis zu 740 Millionen Euro. Daneben bangen viele Prominente und Stiftungen um ihr Geld, neben dem Hollywood-Regisseur Steven Spielberg auch der Besitzer des Baseballteams New York Mets, Fred Wilpon. Stiftungen, deren Geld von Madoff verwaltet wurde, mussten bereits schließen.

Die Auswirkungen von Madoffs Finanzbetrug reichen bis in die Zertifikatebranche, die nach der Pleite von Lehman Brothers ohnehin angeschlagen ist. Heftige Wertverluste müssen Kunden befürchten, deren Zertifikate die Wertentwicklung, des Matterhorn-Dachfonds abbilden. Er investiert in verschiedene Hedgefonds, darunter auch von Madoff. Betroffen sind vor allem Kunden der Privatbank Hauck & Aufhäuser, die ein Matterhorn-Index-Hedge-Zertifikat aufgelegt hat. Da der Kurs des Papiers nur einmal monatlich festgestellt wird, gibt es keinen aktuellen Preis. "Wir werden bei der Preisfeststellung für November alle möglichen Verluste berücksichtigen", sagte ein Sprecher des Bankhauses dem Abendblatt. Die Manager des Zertifikats, die Schweizer Bankiers Reichmuth & Co., bezifferten den maximalen Verlust auf 9,6 Prozent. Bis Ende Oktober hatte das Zertifikat bereits einen Verlust von 12,5 Prozent erreicht. Auch die Deutsche Bank hatte ein Matterhorn-Zertifikat aufgelegt. "Wir können nicht ausschließen, dass der eine oder andere Kunde ein solches Zertifikat hat, aber aktiv haben wir diese Papiere nicht vertrieben", sagt Deutsche-Bank-Sprecher Ronald Weichert.

Unterdessen wächst das Unverständnis, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Madoffs Geständnis: "Es ist alles eine große Lüge, faktisch ein Schneeballsystem." Die Gewinne der Anleger werden mit dem Geld neuer Kunden bezahlt. Zum Einsturz kam das System, weil wegen der Finanzkrise mehr Geld als sonst aus seinen Fonds abgezogen wurde. Jetzt wird seine Investmentfirma abgewickelt, um noch etwas Geld der Opfer zu retten. Viel Hoffnung besteht nicht.

Der Aufstieg des inzwischen 70-jährigen Bernard Madoff begann vor 48 Jahren. Mit nur 5000 Dollar Eigenkapital gründete er eine Wertpapierfirma. Als Börsenmakler setzte er früher als andere auf die Computertechnik und wurde schließlich sogar Verwaltungsratsvorsitzender der elektronischen Börse Nasdaq.

Die Vermögenden liefen ihm die Tür ein, den er versprach eine Rendite von acht bis zwölf Prozent, unabhängig davon, wie sich die Börse entwickelte. Für den nachhaltigen Erfolg seiner Firma Madoff Investment Securities sorgte, dass er diese Versprechen auch einhielt - mir dem Geld neu geworbener Anleger. Offen bleibt, wie ein solches Schneeballsystem jahrelang unbemerkt bleiben konnte. Schon 1992 wurde die Firma wegen des Verdachts eines Schneeballsystems von der US-Börsenaufsicht SEC untersucht. Doch auch alle folgenden Überprüfungen verliefen im Sande. "Auch die von uns periodisch nachvollzogenen Transaktionen waren plausibel", wundert sich der Schweizer Bankier Christof Reichmuth.