Von der Park Avenue in Manhattan in die Gefängniszelle: Bernard Madoff, einst weltweit verehrter Starinvestor an der Wall Street, will sich am Donnerstag vor Gericht schuldig bekennen. Für seinen milliardenschweren Anlagebetrug will die Anklage ihm 150 Jahre Haft aufbrummen.

Washington. Drei Monate hatte Bernard Madoff Zeit, sich von seinem Leben als Starinvestor an der Wall Street zu verabschieden. Diese drei Monate verbrachte Madoff in luxuriösem Hausarrest an New Yorks feiner Park Avenue, nun rückt der Wechsel in die Gefängniszelle näher.

Am Donnerstag will sich der 70-Jährige nach Angaben seiner Verteidiger vor Gericht des Anlagebetrugs schuldig bekennen - und er muss damit rechnen, den Rest seines Lebens hinter Gittern zu verbringen. Die Anklage will 150 Jahre Haft beantragen. Verlassen, verfemt und verachtet erwartet das vermeintliche Börsengenie Madoff ein ruhmloses Ende.

Auch mit Madoffs Schuldgeständnis bleiben große Fragen im Raum stehen: Wie konnte es so weit kommen? Wie konnte ein einziger Mann durch einen simplen Trick über Jahrzehnte hinweg die Riesensumme von 50 Milliarden Dollar ergaunern, ohne dass irgend jemand etwas merkte?

Es galt als Privileg, bei Madoff zu investieren

Die Antwort ist zum einen in Madoffs Persönlichkeit zu suchen, wo sich außerordentliches geschäftliches Talent mit krimineller Raffinesse verband, und zum anderen in seinem Umfeld, wo ungebändigtes Profitstreben selbst den grundlegendsten aller Kontrollmechanismen, den gesunden Menschenverstand, außer Kraft setzte.

Zu Madoffs Gaben zählte, dass er Vertrauen schaffen konnte. Er galt als Seriösität in Person. Millionen Menschen vertrauten ihm in der Hoffnung auf satte Gewinne ihr Geld an. Die Liste reichte von Hollywood-Mogul Steven Spielberg über etablierte Banken in Europa bis hin zur Stiftung des Holocaust-Überlebenden Elie Wiesel, die fast ihr ganzes Vermögen verlor. Der Friedensnobelpreisträger gibt zu, Ma"doffs Charme erlegen zu sein. "Um ihn herum gab es einen Mythos", wurde Wiesel in der "New York Post" zitiert. "Er hat den Eindruck vermittelt, dass er einen Club mit hundert Mitgliedern unterhält."

Ohne dieses gediegene Club-Ambiente hätte Madoffs System nicht funktionieren können. Denn Madoff warb keineswegs selbst um Anleger; er ließ sie zu sich kommen. Durch Mund-zu-Mund-Propaganda verbreiteten sich in den wohlhabenden Zirkeln New Yorks und Floridas die Berichte über Madoffs einträglichen Investmentfonds. Neue Kunden wurden nur durch Empfehlung alter Kunden aufgenommen. Bei Madoff zu investieren, galt als Privileg. Ermittler sehen dies heute als den perfekten Vertrauens-Trick: Wer in den exklusiven Kreis der Anleger aufgenommen wurde, stellte keine kritischen Fragen.

Paradebeispiel für das Versagen des Kontrollsystems

Dabei hätte es für solche Fragen schon seit Jahren Anlass gegeben. Auffällig war, dass Madoff sein Milliardengeschäft aus einem kleinen Büro mit einer Handvoll Angestellten steuerte. Auf wundersame Weise losgelöst vom Auf und Ab der Börsen brachte sein Fonds den Anlegern über die Jahre gleichmäßig hohe Gewinne ein. Dass es sich dabei um ein Schneeball-System handelte, bei dem die Erträge nicht durch Börsengewinne, sondern allein durch die Einlagen neuer Kunden bezahlt wurden, wussten die Anleger nicht. Erst als im Dezember infolge der Finanzkrise zu viele Investoren ihr Geld abziehen wollten, brach das System zusammen.

Die US-Börsenaufsicht SEC hatte 2006 tatsächlich Ermittlungen gegen Madoff gestartet, doch diese verliefen im Sande. Der Fall Madoff steht exemplarisch für das Versagen des Kontrollsystems, das den immer waghalsigeren Investmentgeschäften an der Wall Street keinen Einhalt gebieten konnte. Der Selfmade-Mann Madoff, der es vom Bademeister zum Milliardär brachte, perfektionierte auf kriminelle Weise das, was die großen Banken ganz legal betrieben: Sie machten unrealistische Gewinnversprechen mit neuen Finanzinstrumenten, die immer komplexer und gefährlicher wurden.