Schicksal des Konzerns und seiner Tochter Opel ungewiss. Peugeot streicht Jobs. VW will sparsame Autos.

Hamburg. Die Szenerie wirkt gespenstisch. Kaum Beleuchtung, kein Personal, keine Präsentationen und schon gar keine Partys: Die Messestände der US-Automobilkonzerne General Motors (GM) und Chrysler bei der "Los Angeles Auto Show", die heute für das breite Publikum beginnt, sind verwaist. Früher war dies ein Heimspiel für die amerikanische Automobilindustrie, derzeit sind die schwer angeschlagenen Unternehmen aus Detroit kaum mehr als Zaungäste ihrer europäischen und asiatischen Konkurrenten. Lediglich bei Ford feiert man die Neuauflage des Sportwagenklassikers Mustang. GM verzichtet auf Neuvorstellungen: "Unter den gegebenen Umständen ist der Zeitpunkt für uns denkbar ungünstig", erklärte der Konzern.

Die amerikanischen Automobilkonzerne stecken in einer existenziellen Krise. In Washington ringen die Topmanager und die Lobbyisten der "großen Drei" aus Detroit um staatliche Kredite von 25 Milliarden Dollar. Monat für Monat verbrennen GM, Chrysler und Ford Milliarden Dollar an liquiden Mitteln. Ihre Autos werden sie nur mit massiven Rabatten los, wenn überhaupt. Im Oktober brachen die Absatzzahlen am US-Automarkt um mehr als 30 Prozent ein.

GM und Chrysler könnten schon zum Jahresende zahlungsunfähig sein, auch Ford droht der Kollaps. Die Zeit ist dramatisch knapp. Am heutigen Freitag endet die letzte Sitzungswoche des US-Kongresses in der verbleibenden Amtszeit von Präsident George W. Bush.

Republikaner und Demokraten konnten sich bislang nicht auf Kredithilfen für die Konzerne einigen. Es geht um insgesamt 25 Milliarden Dollar. Gestern Abend ist ein Vorstoß einiger Senatoren vorerst gescheitert. Die Autokonzerne erhielten aber eine weitere Chance, wenn sie bis zum 2. Dezember einen Ausgabenplan für die Hilfen im Umfang von 25 Milliarden Dollar vorlegten. Der Vorschlag könne dann in der Woche vor dem 8. Dezember den Kongress passieren. "Solange sie uns keinen Plan vorlegen, können wir kein Geld flüssig machen", sagte die demokratische Präsidentin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi.

Sollten die Unternehmen zahlungsunfähig werden, könnten sie Schutz unter dem sogenannten "Chapter 11" des US-Insolvenzrechts suchen. Eine Reihe von US-Konzernen, etwa aus der Luftfahrtbranche, hat nur mit dieser großzügigen Form des Gläubigerschutzes die Folgen des 11. September 2001 überlebt. Die Gläubiger müssten dann einen großen Teil ihrer Forderungen abschreiben, die betroffenen Unternehmen bekämen die Chance, von Verbindlichkeiten entsprechend erleichtert einen Neustart zu versuchen.

Was das für die deutsche GM-Tochter Opel bedeuten würde, ist völlig offen. Die Mitarbeiter und das Management des Unternehmens hoffen auf staatliche Bürgschaften von bis zu einer Milliarde Euro, um im Falle einer Insolvenz bei GM weiterarbeiten zu können. GM will sich von Opel nicht trennen - zu wertvoll sind die Marke, die Anlagen und das Wissen der Entwickler bei dem deutschen Traditionsunternehmen. Nach Darstellung von Opel schuldet GM dem Tochterunternehmen mehrere Milliarden Dollar vor allem für Entwicklungsleistungen aus Deutschland. Mit Modellen wie dem neuen Mittelklassewagen Insignia, der am Sonnabend bei den Händlern eingeführt wird, will Opel im Wettbewerb mit großen Konkurrenten wie VW wieder aufholen.

Marktexperten sind sich nicht einig darüber, ob Opel im schlimmsten Fall - dem Untergang von GM - auch allein am Markt bestehen könnte. "Das ist eine Illusion. Opel kann nur gerettet werden, wenn der Mutterkonzern General Motors in den USA gerettet wird", sagte Professor Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule Nürtingen der Deutschen Presse-Agentur. "Alles andere hilft Opel nicht langfristig. Opel ist nicht groß genug, um allein zu überleben", so Diez. Diese Einschätzung teilt sein Kollege Professor Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg.

In der deutschen Wirtschaft denkt man über die Substanz der Traditionsmarke Opel aber offenbar anders. Der Solarunternehmer Frank Asbeck hatte vorgeschlagen, Opel zu übernehmen und daraus einen Hersteller von Ökoautos zu machen - ein Ansinnen, das GM sofort zurückwies. Asbeck betonte gestern, dass diese Offerte ernst gewesen sei: "Wer eine Milliarde in ein Unternehmen stecken will, der macht das nicht aus Spaß am Tun, sondern um etwas zu bewirken", sagte er dem Deutschlandradio. "Wir müssen endlich Fahrzeuge der Zukunft bauen: Elektroantriebe, Hybridantriebe. Das kann nicht nur japanischen Herstellern vorbehalten sein."

Nach einem Bericht der Fachzeitung "Automobilwoche" wird im Kreis der rund 2000 deutschen Opel-Händler ebenfalls darüber diskutiert, den Hersteller zu übernehmen. Diese Überlegungen seien "ernsthaft" und könnten auch realisiert werden, zitierte das Blatt einen Stuttgarter Opel-Händler.

Die Wirtschaftskrise zieht unterdessen auch in der Automobilbranche weitere Kreise. Der französische Hersteller Peugeot Citroën kündigte gestern an, aufgrund der rückläufigen Nachfrage 3550 seiner insgesamt 114 000 Stellen in den französischen Werken zu streichen.

Volkswagen will auf die schwere Branchenkrise mit einer forcierten Entwicklung von spritsparenden Fahrzeugen reagieren, die zugleich deutlich weniger Treibhausgas Kohlendioxid ausstoßen. Der Konzern will dafür jährlich mehr als acht Milliarden Euro für technologische Innovationen investieren, unter anderem auch für die Entwicklung von Elektroantrieben, heißt es in einer Erklärung von gestern. So soll die Zahl der Fahrzeuge deutlich steigen, die weniger als 100 Gramm Kohlendioxid je Kilometer ausstoßen. Nach langem politischen Ringen hat die EU-Kommission kürzlich einen Grenzwert von 120 Gramm Kohlendioxid je Kilometer festgesetzt, der aber erst ab 2015 für alle Neuwagen gelten soll.