Den Konzernlenker Rüdiger Grube erwarten große Aufgaben. Strategie und Pünktlichkeit auf dem Prüfstand.

Hamburg. Der Job als Bahnchef ist tatsächlich der ungewöhnlichste Managerposten. Dies zeigt schon Tag eins nach der Wahl des Daimler-Vorstands Rüdiger Grube (57) zum künftigen Lenker des größten deutschen Staatskonzerns durch die Bundesregierung. Obwohl Grube sein Amt noch nicht angetreten hat, steht er bereits im Kreuzfeuer der Kritik. Die Gewerkschaften nähern sich ihm nur mit Skepsis. Obwohl der Transnet-Chef Alexander Kirchner bereits ein "durchaus positives" Gespräch mit Grube geführt habe und der GDBA-Chef Klaus-Dieter Hommel ihm den Job durchaus zutraue ("Er könnte es können"), wollen die Gewerkschaften erst am Montag klären, ob sie der Personalie im Aufsichtsrat zustimmen werden oder nicht. Das verbrauchernahe Bündnis "Bahn für alle" sprach sich dagegen strikt gegen die Ernennung des "Auto-, Flugzeug- und Rüstungsmanns" aus, der, wie aus Aufsichtsrichtsratskreisen verlautete, noch im Mai sein Amt antreten soll.

Sein Vorgänger Hartmut Mehdorn hatte aus der Bahn durch milliardenschwere Zukäufe einen internationalen Logistikkonzern geschmiedet, der 2008 unterm Strich 1,3 Milliarden Euro Gewinn bei einem Umsatz von 33,5 Milliarden Euro erzielte. Trotz guter Zahlen erwarten Grube große Aufgaben. Wo sind neben der Achsenproblematik beim ICE künftig seine größten Baustellen?

Vertrauen schaffen Hauptaufgabe des neuen Bahnchefs ist es, durch die "Datenaffäre" verloren gegangenes Vertrauen bei den rund 240 000 Mitarbeitern wiederherzustellen. Sie fühlen sich auch durch das Abfangen von E-Mails ausspioniert. Gewerkschaften fordern eine lückenlose Aufklärung des Skandals. "Eventuell werden im Zuge der Aufklärung noch weitere Rücktritte im Vorstand notwendig", meint der Sprecher der Gewerkschaft GDBA, Uwe Reitz.

Integrierter Konzern Mehdorn hatte die Deutsche Bahn als integrierten Konzern aufgestellt. Unter dem Konzerndach vereinte er das Schienennetz und die Verkehrsbereiche. Die Gewerkschaften fordern eine Fortsetzung der Strategie, vor allem um den Stellenwechsel innerhalb des Konzerns zu ermöglichen. Andernfalls sei der zugesagte Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen in Gefahr.

Börsengang Der Bahn-Börsengang wurde wegen der Finanzmarktkrise im Herbst 2008 abgesagt. Die Bundesregierung, die in der Frage uneins ist, muss entscheiden, ob sie weiter am Börsengang festhält. Dies wird wohl erst die nächste Regierung entscheiden.

Konzernstrategie Mehdorn hat auf die Internationalisierung des Konzerns gesetzt und Logistikfirmen (u.a. Schenker, Bax Global) dazugekauft. Der Berliner Verkehrsprofessor Christian Böttger empfiehlt den Verkauf der Logistiksparte, da sie nur 15 Prozent zum Gewinn beitrage. "Die Bahn sollte sich auf den Ausbau des Schienenverkehrs in Deutschland konzentrieren." Dort würden vier Fünftel des Gewinns erzielt. Böttger kritisiert, dass durch das Auslandsengagement wichtige Investitionen für die Eisenbahn im Inland verloren gingen und weniger investiert worden sei.

Mehr Verkehr auf die Schiene Die Deutsche Bahn transportiert täglich 5,2 Millionen Fahrgäste, zudem betreibt sie 5400 eigene Güterzüge. Hier sind Steigerungen möglich. Derzeit liege der Marktanteil der Schiene im Personenverkehr bei etwa 7,6 Prozent und damit kaum höher als vor zehn Jahren. Ziel müssten mindestens 15 Prozent sein, so der Vorsitzende der Allianz pro Schiene, und GDBA-Chef, Hommel. Im Güterverkehr werden 17,3 Prozent der Waren per Zug transportiert, anzustreben seien 25 Prozent. Ob dies über günstigere Fahrpreise als Anreiz oder bessere Verbindungen geschehen kann, muss der neue Chef entscheiden.

Pünktlichkeit Mehr als 90 Prozent der Züge erreichen laut Bahn mit weniger als fünf Minuten Verspätung ihr Ziel - sind also "pünktlich". Dennoch ist dies ein Hauptkritikpunkt der Kunden. Oft verpassen Kunden Anschlussverbindungen, da ihr Zug Verspätung hatte. Hier herrscht dringend Verbesserungsbedarf.

Wettbewerb Die Bahn verliert im Nahverkehr immer mehr Strecken an Wettbewerber. Hier muss der Staatskonzern mit attraktiven Konzepten gegensteuern, sonst gehen weitere Tausende Arbeitsplätze verloren.