Hans Thomas von Meerheimb stellt Produktion komplett um. Handel bietet bald nur noch Eier aus Bodenhaltung.

Tarbek. Hans Thomas von Meerheimb parkt seinen BMW vor der Eierfarm in Tarbek, eine Fahrstunde nördlich von Hamburg. Der Betrieb ist eine von 60 Stallungen mit drei Millionen Hühnern, die Meerheimb mit seiner Gutshof-Ei GmbH zum größten deutschen Lieferanten für den Handel machen. Beim näheren Hinsehen entpuppt sich eine Kühlerfigur auf der Limousine des Hausherrn als ein in die Lüfte startendes Huhn. Der Mann scheint Humor zu haben. Als Meerheimb durch die Hygieneschranke geht, meldet sich sein Handy - mit einem fröhlichen Gackern.

Ein paar Meter weiter öffnet der Chef die schwere Eisentür zum Stall. Anders als beim Klingelton herrscht hier ein heiseres, gedämpftes Gurren, einzelne Hühnerstimmen sind kaum auszumachen: Das Geräusch kommt aus den Kehlen von mehr als 100 000 Hennen. Im Angesicht seiner tierischen Belegschaft wird von Meerheimb geschäftlich: "Gutes Management, das Futter, ausreichend zu trinken, das alles beeinflusst die Legeleistung", sagt er, während die Tiere, die hier im Schnitt 0,8 Eier am Tag legen, um ihn herumtippeln und auf seine Schuhe picken. "Sie müssen sich wohlfühlen", schließt der "Hühnerbaron", der von Geburt her ein Freiherr ist.

Die Hühner leben bei ihm in Bodenhaltung: Die Haltung in klassischen Legebatterien ist seit Anfang des Jahres verboten. Von Meerheimbs Stall ist eine mehrstöckige Anlage aus Metall- und Kunststoffgittern. Die Hühner, alles Tiere der Rasse "selected leghorn", scharren auf dem Boden, im ersten Stock fressen und trinken einige, in Nestern dahinter können sie ihre Eier legen. Auch in den zweiten Stock sind einige Tiere geflattert, um sich dort auszuruhen. Die Wahl ihres Aufenthaltsortes bleibt den Hühnern anders als in der Käfighaltung selber überlassen. "Sie können sich hier überall frei bewegen", macht von Meerheimb eine weite Handbewegung über die Tiere hinweg.

Weil auch die Verbraucher ein wenig Freiheit für die Hühner wollen und kaum jemand mehr mit dem inneren Bild armer Kreaturen im engen Käfig vor dem Frühstücksei sitzen will, hat von Meerheimb bereits früh die Weichen gestellt für neue Ställe. Schon vor einigen Jahren hat er begonnen, die Käfige abzureißen. Seine Hühner leben ab diesem Jahr hauptsächlich in Boden-, aber auch in Freiland- und Biohaltung. In der Freilandhaltung leben die Hennen im gleichen Stall wie in der Bodenhaltung, können aber auch im Freien herumlaufen. Bei der Bioproduktion bekommen die Hühner Biogetreide und werden artgerecht gehalten.

Von Meerheimb, auf dessen Krawatte Hennen zu sehen sind, die kleine Wägelchen mit Eiern hinter sich her ziehen, hat mit seiner Entscheidung richtig gelegen: Praktisch der gesamte deutsche Lebensmitteleinzelhandel bietet bis zum Ende dieses Jahres nur noch Eier aus Boden- oder Freilandhaltung an, obwohl günstigere Käfigeier noch verfügbar sind, etwa aus dem Ausland. Weil Meerheimb zu den Nutznießern dieses Trends gehört, können er und seine 350 Mitarbeiter sich über zehn Prozent Absatzwachstum im vergangenen Jahr und eine stets wachsende Zahl von Vertragspartnern freuen, die zusätzlich zur eigenen Produktion von Gutshof ihre Eier über von Meerheimb vermarkten. Sein Betrieb mit Sitz in Schackendorf bei Bad Segeberg beliefert heute alle großen Handelsketten, ob Edeka, Famila, Marktkauf oder den Discounter Penny, bundesweit.

"Das Ei aus Bodenhaltung wird das Standardei", ist auch Thomas Janning, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutsches Ei, überzeugt, selbst wenn Tierschützer auch an dieser Haltung kritisieren, dass die Hühner durch Rangordnungskämpfe und unhygienische Bedingungen belastet werden. Die Eier aus Freilandhaltung dürften wegen hoher Kosten und Gesundheitsrisiken für die Hühner ein Nischenprodukt bleiben und die Zahl der Bioeier wegen des gestiegenen Gesundheitsbewusstseins leicht zunehmen.

"Die Verbraucher wünschen das so", ergänzt Brigitte Wenzel vom Deutschen Bauernverband über den Trend zur Bodenhaltung - eine Entwicklung, die der Verband übrigens mit Argwohn betrachtet. "Es war unklug, die günstigeren Eier gerade in der Krise aus den Regalen zu nehmen", sagt Wenzel. Schließlich kosten zehn Eier aus Käfighaltung derzeit rund 1,10 Euro, für das Paket aus Bodenhaltung muss der Verbraucher im Schnitt 1,40 bezahlen. Wenzels Verband sieht den Trend zur Bodenhaltung aber nicht nur wegen der höheren Preise für die Verbraucher negativ. Denn viele Bauern müssen jetzt in neue Ställe für die Bodenhaltung investieren. Das kostet schnell 30 Euro pro Huhn.

Besonders ärgerlich: Einige Landwirte haben gerade erst ihre Produktion umgestellt, nämlich von der Käfighaltung auf die Haltung in der "Kleingruppe", seitdem die herkömmlichen Käfige seit Januar verboten sind. Die Kleingruppe lebt ebenfalls im Käfig, der den Hühnern etwas mehr Platz bietet als die Legebatterie. Eineinhalb DIN-A4-Blätter pro Huhn statt wie bisher ein Blatt.

Mit den Eiern aus der in Deutschland entwickelten Kleingruppenhaltung, die nach wie vor die "3" als Kennzeichen für Käfighaltung tragen, können die Bauern wegen der Entscheidung des Handels derzeit praktisch nur noch die Industrie beliefern, die nur etwa jedes dritte Ei abnimmt. Oder sie finden Abnehmer im Ausland. Aber auch das ist schwierig: In den Nachbarländern gibt es noch die alten, engen Hühnerkäfige, die in der Produktion günstiger sind als die deutsche Gruppenhaltung. Aus vorauseilendem Gehorsam, wie viele Eierbetriebe beklagen, hat Deutschland die EU-Verordnung zum Verbot der herkömmlichen Käfige schon heute umgesetzt, während sich alle anderen Länder noch Zeit lassen. Die deutsche Kleingruppe ist nun das Pendant des "ausgestalteten Käfigs", der die innerhalb der EU ab 2012 verbotenen Legebatterien ersetzen muss.

"Das ergibt eine enorme Wettbewerbsverzerrung in der EU", sagt von Meerheimb, der in seinem Glauben an die Bodenhaltung sogar noch weitergeht: Er ist überzeugt, dass Käfigeier auch in der Industrie in Zukunft nur noch eine geringe Rolle spielen werden. "Das ist nur noch eine Frage der Zeit, weil der Kostenunterschied zwischen Bodenhaltung und Kleingruppenhaltung zu vernachlässigen ist. Und weil auch die Industrie dem Tierschutz einen größeren Stellenwert beimessen wird", sagt von Meerheimb, der 22 Jahre den von seinen Eltern gegründeten Betrieb führt und immer noch ein Eierfan ist. "Ich esse jeden Morgen zwei Stück, je nach meiner Verfassung weich gekocht oder als Spiegelei."