Um ihren Arbeitgeber zu retten, sind die Opel-Beschäftigten sogar zu hohem Lohnverzicht bereit. Unterdessen gerät die Steuerpolitik des Unternehmens in die Kritik: Der Autobauer soll Gewinne in den USA versteuert und Verluste in Deutschland geltend gemacht haben. Bildergalerie: Aufstieg und Fall des Mythos Opel.

Hamburg. Auf die Opel-Beschäftigten könnte nach Einschätzung des Betriebsrats ein Lohnverzicht im zweistelligen Prozentbereich zukommen. Sollte es zu einer Vereinbarung möglichst aller Opel-Werke über einen Lohnverzicht kommen, könnte es einen Ergänzungstarifvertrag geben, der den eigentlichen Tarifvertrag unterschreite, sagte der Eisenacher Opel-Betriebsratschef Harald Lieske der "Thüringer Allgemeinen" vom Montag. Es gebe Forderungen der US-Muttergesellschaft General Motors (GM) nach Lohnverzicht, die er aber in der Höhe nicht näher beziffern wolle.

Eine Lösung im Überlebenskampf des angeschlagenen Autobauers Opel wird immer schwieriger. Während der General-Motors-Tochter allmählich die Zeit davonläuft, streitet die Große Koalition zunehmend heftig über mögliche Staatshilfen. Ein "Focus"-Bericht, wonach Opel in den vergangenen Jahren in Deutschland keine Steuern gezahlt habe, verschärfte am Wochenende die Tonart in dem Konflikt und sorgte zusätzlich für Aufregung.

Mit Befremden reagierte das Kanzleramt am Sonntag auf Forderungen von SPD-Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier, die Bundesregierung solle bei Opel die Zeit nicht mit Warten verstreichen lassen und rasch handeln, berichtete das "Handelsblatt". Die Politik solle mit den Verantwortlichen des Autobauers in Gespräche über tragfähige Zukunftskonzepte eintreten. Man müsse "alles Mögliche und Verantwortbare tun", um die Opel-Arbeitsplätze zu retten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zuvor versprochen, sich um eine Rettung des Autobauers zu bemühen.

Sie ließ jedoch offen, ob es dazu kommen werde. Zunächst müsse das Rettungskonzept für Opel nachgebessert werden. "Wir werden helfen, wenn der Nutzen für alle Menschen größer ist als der Schaden. An diesem Punkt sind wir leider noch nicht." Die Regierung sei es aber den Mitarbeitern von Opel schuldig, "dass wir alles daransetzen zu sehen, ob wir eine solche Lösung finden", sagte die Kanzlerin in ihrer Videobotschaft. Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser sprach sich derweil gegen staatliche Hilfen aus. "Wenn ein großer Automobilhersteller gescheitert ist, dann ist er gescheitert", sagte Kannegiesser.

Heftige Kritik löste ein Bericht aus, wonach Opel in Deutschland keine Steuern bezahlt haben soll. Der Autobauer habe seine Gewinne an den Mutterkonzern General Motors in die USA überwiesen, Verluste aber in Deutschland steuerlich geltend gemacht, schrieb "Focus" unter Berufung auf Mitglieder des Bundeskabinetts. "Opel hat 655 Millionen Euro Patentgebühren an General Motors (GM) gezahlt. Damit waren alle Gewinne weg", kritisierte der CDU-Wirtschaftsexperte Michael Fuchs in der "BamS". "Es darf nicht sein, dass der deutsche Steuerzahler eine Firma retten soll, die ihre Gewinne in die USA überweist."

Auch FDP-Generalsekretär Dirk Niebel zeigte sich empört: "Die Steuern in Amerika zu zahlen, aber die Staatshilfe in Deutschland zu beantragen, das passt nicht zusammen." Ein Opel-Sprecher sagte zu dem Vorgang, dass Opel ein Teil von GM sei. "Und General Motors versteuert seinen Gewinn in den USA."

Opel-Betriebsratschef Klaus Franz nannte die Berichte dagegen irreführend. Die Adam Opel GmbH habe in den vergangenen Jahren zwar keine Gewinne gemacht, zuvor habe Opel als AG aber Milliarden an Dividenden an den Mutterkonzern gezahlt und diese auch versteuert.

Kritik an der angeblichen "Steuerflucht" kam derweil auch von Wirtschaftswissenschaftlern: "Das Vorgehen von Opel ist nicht akzeptabel, auch wenn es legal ist", sagte der Präsident des Bayerischen Finanz Zentrums, Wolfgang Gerke, dem Abendblatt. Auch der Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), Thomas Straubhaar, bezeichnete die Steuerpraxis als "moralisch mehr als verwerflich". Allerdings sei das Verfahren legal und bei internationalen Konzernen generelle Praxis, sagte Straubhaar.

Der Hamburger Wirtschaftsprofessor Karl-Werner Hansmann ergänzte zur Steuerpolitik des Unternehmens, es sei "allerdings ein Fehlverhalten des Mutterkonzerns General Motors und nicht von Opel. Er verhält sich ähnlich wie ein Hedgefonds, holt aus dem Tochterunternehmen das Maximale heraus und macht damit das Unternehmen kaputt", sagte Hansmann.

Kurt Kröger, Geschäftsführender Gesellschafter des Hamburger Opel-Händlers Dello forderte wiederum, die Diskussion zu versachlichen. "Immerhin zahlen in Deutschland 30.000 Mitarbeiter von Opel ihre Steuern, die Händler, deren 30.000 Beschäftigte und die betroffenen Zulieferer", sagte Kröger und warnte davor, eine mögliche Rettung kaputt zu reden.

Die Ökonomen Straubhaar und Gerke sprachen sich gegen staatliche Hilfen für Opel aus und plädierten für eine Insolvenz. Straubhaar sagte, die Insolvenz würde Opel "am schnellsten helfen, Altlasten zu minimieren und mit einem neuen Geschäftsmodell einen gesunden Neuanfang hinzulegen. Damit könnte man auf mittlere Sicht am meisten für die Arbeitsplätze tun." Die öffentlichen Überlegungen in der Bundesregierung zu einer Insolvenz, die ursprünglich Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ins Gespräch gebracht hatte, stießen allerdings erneut parteienübergreifend auf Kritik.

Auch GM lehnt einen Insolvenzantrag von Opel weiter ab. "Dieses Szenario steht im Moment nicht auf der Tagesordnung", sagte ein Sprecher von GM Europe. Um bei einer möglichen Pleite von GM nicht mitgerissen zu werden, hat Opel in ganz Europa 3,3 Milliarden Euro an Staatshilfen beantragt und will sich mit Investoren von der Mutter unabhängiger machen. Bis dahin hängt das Schicksal des Autobauers aber an jenem der US-Mutter, die auf weitere Kredite der US-Regierung hofft.

Opel-Betriebsratschef Franz geht davon aus, dass bis zu einer Entscheidung über die Opel-Rettung noch vier bis acht Wochen vergehen könnten. Diese Zeit sei notwendig, um Fragen zur Zukunft von GM in den USA zu klären, sagte Franz. Es sei ausreichend Liquidität für die Auszahlung der Löhne und die Bezahlung von Zulieferern vorhanden, beruhigte er. "Ich bitte, uns diese Zeit zu lassen", sagte Franz, der auch im Opel-Aufsichtsrat sitzt.

In dem Opel-Werk in Eisenach wird ein Kleinwagen vom Typ Corsa montiert. Bei dem Autobauer arbeiten in Deutschland knapp 30.000 Menschen. Europaweit hängen 50.000 Arbeitsplätze an Opel. Die Konzernmutter General Motors überlebt nur dank der Unterstützung der US-Regierung und könnte ohne weitere Milliardenhilfen schon in wenigen Wochen pleitegehen. Das erhöht auch den Druck, in Deutschland möglichst schnell eine Lösung für Opel zu finden.