Der Eigentümer des T-Shirt-Herstellers Trigema fordert: Manager und Aufsichtsräte müssen bei Fehlern haften.

Hamburg. Abendblatt:

Herr Grupp, mit Märklin, Rosenthal und jetzt auch Hertie und Schiesser melden immer mehr Traditionsfirmen Insolvenz an. Sind gute alte Marken nicht mehr gefragt?

Wolfgang Grupp:

Das hat damit nichts zu tun. Alle Firmen verbindet, dass Sie von Unternehmerpersönlichkeiten gegründet wurden, die lange Zeit erfolgreich waren. Doch dann sind sie selbst oder ihre Nachfolger dem Größenwahn verfallen.



Abendblatt:

Wieso Größenwahn?

Grupp:

Nachdem in jedem deutschen Haushalt vom Fernseher über den Kühlschrank alles vorhanden war, kamen wir in eine Situation, in der die Wirtschaft Bedürfnisse wecken musste, statt sie - wie in der Nachkriegszeit - nur zu decken. Die Kunden wurden anspruchsvoller und erwarteten von neuen Produkten einen Zusatznutzen wie Individualität oder technischen Fortschritt. Diesen Wandel haben viele Unternehmen nicht bemerkt. Statt ihr Heil in der Qualität und in der Individualität zu suchen, setzten sie auf Massenproduktion. Wir versuchen seit langem auf Flexibilität und Qualität zu setzen und in dieser Nische zu wachsen. Bedarf kann man nur mit innovativen Produkten wecken und nicht mit einer Massenproduktion.



Abendblatt:

Diese Fehler sind doch schon Geschichte.

Grupp:

Nein. Gerade bei Schiesser besteht heute das Problem, dass in der Vergangenheit viele Arbeitsplätze verlagert wurden und man damit die Problematik sicher nicht gelöst, sondern sie eher noch verschärft hat.



Abendblatt:

Zurück zur aktuellen Lage: Was haben Schiesser, Märklin oder Rosenthal falsch gemacht?

Grupp:

Die Probleme, die jetzt öffentlich werden, sind nicht neu. Märklin und Schiesser kämpfen seit Jahren mit Verlusten, Rosenthal war schon einmal am Rande des Ruins und wurde nur durch eine Übernahme gerettet. All dies geschah, nachdem die Verantwortlichen den Wandel bezüglich der Bedürfnisse der Verbraucher nicht erkannten.



Abendblatt:

Welche Auswirkung hat die Finanzmarktkrise bei diesen Insolvenzen?

Grupp:

Sie deckt dieses Nichterkennen in der Vergangenheit auf. Bei Schiesser fehlen jetzt 65 Millionen Euro. Geld, das vermutlich für im Größenwahn getätigte Zukäufe ausgegeben wurde. Da haben wir es wieder: Als das Zeitalter der Bedarfsdeckung sich in Deutschland zum Ende neigte, haben die Unternehmen im Ausland wahllos expandiert, statt sich um ihr eigentliches Geschäft im Heimatland zu kümmern. Schiesser beschäftigte Mitte der 70er-Jahre 3500 Mitarbeiter und hat damit viel Geld verdient.



Abendblatt:

Sie sind selbst Unternehmer. Was unterscheidet Trigema von Betrieben, die von Managern geführt werden?

Grupp:

Ich gebe nur Geld aus, das ich auch habe. Und da es sich, anders als beim angestellten Manager, um mein eigenes Geld handelt, versuche ich jede Entscheidung möglichst richtig zu fällen. Die Eigenkapitalquote bei Trigema beträgt 100 Prozent. Wir haben keine Kredite. Ich entscheide allein im Unternehmen, aber ich muss auch für Fehler haften, wenn ich diese mache.



Abendblatt:

Manager müssen dies nicht.

Grupp:

Und das ist unser Problem. Wenn heute ein Management ein Unternehmen in die Krise führt, geht es einfach in die Insolvenz. Die Hauptlast aus den Fehlern der Verantwortlichen trägt damit stets der Steuerzahler. Das muss geändert werden. Manager sollten unbedingt mindestens mit ihren Bezügen haften müssen, wenn sie Fehler gemacht haben. Wäre das Gesetz, so wären viele Milliardenverluste in der Vergangenheit vermieden worden.



Abendblatt:

Bei Schiesser scheiterte die Rettung wohl daran, dass die Anteilseigner eine von dem Unternehmen benötigte Kapitalspritze verweigerten.

Grupp:

Das ist für mich im Prinzip ein Skandal. Die Muttergesellschaft von Schiesser sitzt in der Schweiz und hat damit sicherlich viele Millionen Steuern gespart. Denn sie hat lange Zeit gut an Schiesser verdient. Doch jetzt soll das Unternehmen mit deutschen Steuergeldern saniert werden. Das darf nicht sein. Da sollte doch der Gesetzgeber einschreiten. Nicht nur das Management, sondern auch die Aufsichtsräte und die Eigentümer müssten bei solchen Fehlentscheidungen eines Unternehmens haften. Verluste dürfen nicht sozialisiert werden, wenn Gewinne mit Selbstverständlichkeit privatisiert wurden.



Abendblatt:

Sie produzieren ausschließlich in Deutschland. Ist dies kein Wettbewerbsnachteil?

Grupp:

Das ist für mich ein Vorteil, weil die Verbraucher das honorieren. Wer ins Ausland geht und auf Massenproduktion setzt, hat schnell weitere Anbieter aus Billiglohnländern als Konkurrenten. Und die sind im Preis oft noch günstiger. Ein vermeintlicher Wettbewerbsvorteil kann so zum Nachteil werden.



Abendblatt:

Wie geht es Trigema in Zeiten der Finanzmarktkrise?

Grupp:

Im Moment spüren wir noch keinen Einbruch. Positiv für uns ist, dass die Verbraucher bisher noch zuversichtlich und sich ihrer Verantwortung als Verbraucher bewusst sind. Zudem unterstützen sie gerne einheimische Arbeitsplätze.



Abendblatt:

Man sagt von Ihnen, Sie seien sparsam. Wie wirkt sich das im Unternehmen aus?

Grupp:

Wir haben zum Beispiel keine Einzelbüros. Das hat aber vielleicht mit Sparen nichts zu tun, sondern damit, dass ich alle meine Mitarbeiter für meine täglichen Entscheidungen brauche und deshalb sitzen wir zusammen in einem Großraumbüro.



Abendblatt:

Es heißt, dass Sie jedes Blatt Papier sammeln, weil man die Rückseite beschriften kann.

Grupp:

Nur wichtige Schreiben werden abgeheftet. Die anderen werden selbstverständlich als Fax- oder Notizpapier verwendet. Was spricht dagegen, beim Papier zu sparen? Das schont die Umwelt. Und wir sparen sinnlose Papierausgaben. Hier erkennt man den echten Schwaben.