Während die Inhaber von Fachgeschäften die Firmenpolitik kritisieren, fürchten Kunden um ihre Ware.

Stade/Harburg/Lüneburg. Sie sind die wahren Lieblinge vieler Männer und Jungen: Die Modelleisenbahnen des Traditionsherstellers Märklin. Am Mittwoch kam für Sammler der Marken Märklin (Spur HO, 1 und Z), Trix (Spur HO und N) und LGB (Spur G) eine schockierende Nachricht über den Ticker: Märklin ist insolvent. Das Unternehmen hat einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Auch wenn die Geschäftsführung verlautbarte, "das Traditionsunternehmen mit Kultstatus zu sanieren und dauerhaft im Markt zu etablieren", stellten sich gestern viele Händler in der Region die Frage: "Kann ich Märklin weiter verkaufen oder müssen die Sammler bald auf andere Fabrikate zurückgreifen?"

Auch die Kunden von Rainer Bliefernicht, Chef des gleichnamigen Buxtehuder Spielwarenhandels in der zweiten Generation, fragen sich, ob die Marke eine Zukunft hat: "Viele wollen wissen: Kriege ich meine bestellte Ware noch?", sagt Bliefernicht. Für den Händler indes ist klar: Märklin wird nicht untergehen.

Auch Bliefernichts Herz schlägt für Märklin. Er gehört zu den Jägern und Sammlern, die Hunderte Euro für eine exklusive Lok hinblättern würden. Als Siebenjähriger trat er einmal in einem TV-Werbespot auf, er lag da in einem Schienenkreis, um ihn herum raste eine Märklin-Eisenbahn - so etwas prägt fürs Leben. "Die Krise ist ein Folge von Missmanagement", sagt er. "Märklin hat in den letzten Jahren versäumt, den stationären Handel zu stärken. Aber die Marke ist so stark, die wird überleben."

20 Prozent seines Umsatzes generiere er durch den Verkauf der Märklin-Artikel. 30 000 hat er im Sortiment, von Ersatzeilen wie Schleifern und Zahnrädern bis hin zur Dampflok für 500 Euro. Das teuerste Märklin-Produkt, eine Yacht, kostet bei ihm 1900 Euro. Die teuerste Märklin, die er je für einen Fan besorgt hat, lag damals bei 70 000 Mark.

250 Mitglieder hat sein "Märklin Insider Club". Wer dazugehört, hat Zugang zu exklusiven Produkten. Selbst im ungünstigsten Fall könne er seine Kunden noch Monate, gar Jahre mit Märklin-Artikeln versorgen. Bliefernicht: "Mein Lagerraum ist bis oben gefüllt."

Im "Harburger Lokschuppen" von Ingo Czekai (43) in der Denickestraße 92 (Eißendorf) war Märklin gestern auch das Gesprächsthema Nummer 1. Er hofft, dass die Banken "Einsicht in diese eigenartige Geschäftspolitik bekommen, denn Märklin handelt nach dem Motto: 'Du machst zu wenig Umsatz, dann bist du bei uns nicht willkommen.'" Zudem seien viele Sammler mit den hohen Preisen und mit der Qualität unzufrieden, seitdem die Ware aus China und Ungarn kommt. Für die Waggons aus China gebe es keine Ersatzteile mehr.

Benedikt Schmittmann (50), Geschäftsführer von Bene's Spielshop in Winsen und Lüneburg, sagt: "Wir werden etwa die Hälfte des Wertes unseres Bestandes an Märklin-Produkten abschreiben." In seinen Filialen gingen im vergangenen Jahr Lokomotiven und Zubehör im Wert von rund einer Viertelmillion Euro über den Ladentisch. Der hohe Anteil am Gesamtumsatz der Firma spiegelt aber nicht den Beitrag von Märklin-Produkten am Ertrag wider - der beträgt nur drei bis fünf Prozent.

Sammler der Modelle des deutschen Marktführers brauchen nach Meinung von Schmittmann nicht in Panik zu verfallen. "Ich bin mir sicher, dass die Firma übernommen wird und der Markenname Märklin bestehen bleibt." Außerdem würden vom Insolvenzverwalter in den kommenden Monaten wohl alle Bestände aus der laufenden Produktion auf den Markt gebracht, um sie zu Geld zu machen. Er selbst hält seine Ware für die nächsten Jahre zurück: "In fünf bis sechs Jahren dürfte es wieder normale Preise am Markt geben."

Der Händler erwartet, dass etwa die Hälfte seiner Mitbewerber mit deutlich niedrigerem Umsatz die anstehende Durststrecke "nicht überlebt". Denn zum einen müssten sie die Restposten im Lager deutlich unter ihrem Wert verkaufen, zum anderen hätten sie dafür selbst deutlich höhere Preise zahlen müssen als Großkunden wie Schmittmann. Wegen der Krise hat der Händler Märklin nach zehn Jahren Zusammenarbeit seinen Auftrag zum Lastschrifteinzug gekündigt. Nun zahlt er nur noch bei Lieferung und verzichtet auf Skonto.