Weniger Anschaffungen auf Pump, Urlaub auf Balkonien und ein paar Dollar auf die hohe Kante - die US-Amerikaner besinnen sich auf eine altbekannte Tugend: die Sparsamkeit. Was grundsätzlich lange überfällig ist, könnte für die rezessionsgeplagte Wirtschaft zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen.

Washington. Ökonomen sprechen deshalb vom "Paradox des Sparens": Was dem Einzelnen nützt - weniger ausgeben, mehr sparen - schadet der Wirtschaft, wenn es alle tun.

Die Sparquote in den USA stieg im letzten Quartal 2008 auf 2,9 Prozent. Das ist zwar ein Klacks verglichen mit dem soliden Sparverhalten der Deutschen (11,3 Prozent). Doch es bedeutet einen sprunghaften Zuwachs gegenüber dem Vorquartal mit 1,2 Prozent und dem Vorjahr mit weniger als einem Prozent.

Zugleich gingen die Verbraucherausgaben im Dezember den sechsten Monat am Stück zurück und verringerten sich angesichts befürchteter Entlassungen um ein Prozent.

Es ist wie auf der Wippe: Sparquote hoch, Ausgaben runter. Letztere aber machen 70 Prozent der Wirtschaftstätigkeit aus. Wenn die Verbraucher nicht kaufen, setzen die Firmen weniger ab, Beschäftigte werden entlassen, die Leute halten das Geld noch mehr zusammen und die Rezession vertieft sich.

Schluss mit dem Leben auf Pump

Die US-Amerikanerin Grace Case beschreibt sich selbst als "Kredit-aholic" ("Kreditsüchtige") auf dem Wege der Besserung. 13 Jahre lang lief bei ihr alles auf Pump: Autos, Kleidung, Reparaturen, Urlaub. Für den Kaufrausch für sich und ihre Familie mit Ehemann und zwei Kindern zahlte sie nur die Mindestraten auf ihrem Kreditkartenkonto ab.

Doch als die 38-Jährige aus Syracuse/New York vor zweieinhalb Jahren ihre Stelle als Buchhalterin verlor, fand sie einen neuen Job nur für 40.000 statt bislang 60.000 Dollar Jahresgehalt. Selbst die Mindest-Abzahlungen konnte sie nicht mehr leisten.

Jetzt gilt bei Cases strikter Sparkurs: Sie bleiben im Urlaub daheim, ziehen selbst Gemüse, kaufen nur noch Gebrauchtwagen und Prepaid-Handys. Grace Case hat seit zwei Jahren keine Kreditkarte mehr benutzt. "Das ist wirklich ein befreiendes Gefühl", sagt sie. "Wenn du etwas haben willst, brachst du erst das Geld dafür." Eine Erkenntnis, die für eine Amerikanerin nicht selbstverständlich ist, aber um sich greifen könnte.

"Schulden abzahlen ist Sparen"

Einige Wirtschaftsexperten erwarten, dass die Sparquote noch weiter steigt, möglicherweise bis auf sechs Prozent oder darüber. Ob das Geld aufs Sparbuch kommt oder ob damit Schulden abbezahlt werden, weiß niemand. Es ist aber auch egal, wie Robert Frank, Wirtschaftswissenschaftler an der Cornell University, erklärt: "Unter ökonomischen Gesichtspunkten ist Schuldentilgung und Sparen das Gleiche. Schulden aufnehmen ist negatives Sparen, Schulden abzahlen ist Sparen."

Frank geht von einer langfristigen Verhaltensänderung aus. Das Konsumverhalten der letzten zehn oder noch mehr Jahre könne so nicht weitergehen. Die Leute hätten nur deshalb so viel ausgeben können, weil sie ihr Wohneigentum als Bargeld betrachtet und beliehen hätten. "Das war nur eine Illusion."

Und das Erwachen war bitter. Manche Experten erwarten, dass den Amerikanern das Geld erst in Jahren wieder lockerer sitzt, wenn überhaupt. "Die Leute sparen nicht einfach, sie bauen Schutzbunker gegen die Finanzkrise", glaubt Unternehmensberater Mark Stevens.