Viele Firmen verkürzen die Arbeitszeit, um Kündigungen zu vermeiden. Die rund 5500 Kurzarbeiter in Hamburg haben zwar mehr Freizeit, aber weniger Geld - und oft Angst um ihre Jobs. Das Abendblatt hat eine betroffene Familie besucht.

Hamburg. Er "fährt" mit einem Kollegen eine Anlage, die pro Stunde bis zu 2100 Kilogramm Kunststoffgranulat für die Weiterverarbeitung bei Automobilzulieferern ausspuckt. Er ist Sprecher einer fünfköpfigen Arbeitsgruppe und Maschinenführer bei Albis Plastic in Hamburg und er teilt ein Schicksal mit vielen Hamburgern, deren Arbeitgeber durch die Konjunkturkrise zu wenig zu tun haben für ihre Belegschaft: Martin Steinbach (35) arbeitet seit Anfang Dezember kurz.

Die Zahl der Betroffenen ist nach Abendblatt-Informationen erneut gestiegen. Mehr als 5500 Menschen arbeiten derzeit in Hamburg kurz. Anfang Januar waren es noch 4800. So ist bei Hydro Aluminium seit dieser Woche die Maßnahme in Kraft. Bei Still sollen im Februar 1000 Beschäftigte eingeschränkt arbeiten. Am stärksten betroffen ist das Mercedes-Werk mit 1700 Mitarbeitern. Heute legt die Agentur für Arbeit aktuelle Zahlen vor.

Kurzarbeit bedeutet dabei nicht, dass die Betroffenen nur zu Hause sitzen. So auch bei Albis, einer Tochter der Otto Krahn Gruppe. In drei Schichten wird jetzt an drei statt fünf Tagen der Woche gearbeitet. Zum ersten Mal bei Albis, das 1961 gegründet wurde und mit 900 Mitarbeiter 700 Millionen Euro Umsatz erzielt. Steinbach, seine Frau Rita und der 15-jährige Sohn David müssen jetzt mit 84 Prozent des Nettogehalts auskommen, das seine Frau noch aufbessert. Denn für die beiden fehlenden Schichten überweist nun das Arbeitsamt wie bei allen Familien 67 Prozent des Nettoentgelts.

"Die erzwungene Freizeit wird zuviel"

"Es war keine berauschende Stimmung, als dies im November verkündet wurde", erinnert sich Steinbach. Kein Wunder bei Bruttogehältern für die Werker von 2000 bis 2500 Euro. Dennoch: Sein Arbeitgeber habe alles versucht, sagt Steinbach. Die Einstieg in die Kurzarbeit wurde hinausgeschoben, Überstundenkonten abgeräumt und mit der Kurzarbeit ein Personalabbau bei den knapp 400 Werkern in Hamburg vermieden.

Genau dies sehen Experten wie der Hamburger Chef der Agentur für Arbeit, Rolf Steil, als Vorteil der Regelung. Qualifizierte Kräfte stünden so bei einem Aufschwung wieder bereit. "Wir haben auch die Tariferhöhung um 2,5 Prozent zum 1. November ausgezahlt, obwohl sie bis zum 1. April hätte verschoben werden können", sagt Hans-Jochen Lorenzen, der Finanzgeschäftsführer von Albis Plastic.

Die Eheleute Steinbach sind trotz Krise zuversichtlich. Seit elf Jahren ist Steinbach bei Albis, hat vor zwei Jahren mit seiner Frau und deren Bruder das Einzelhaus in Rahlstedt mit dem tief heruntergezogenen Dach und dem alten Baumbestand auf 1500 Quadratmetern übernommen. Weil er noch Urlaub nehmen konnte, ist der Familienvater von den Kürzungen noch nicht so betroffen. "Für uns ist alles noch okay", sagen die Steinbachs.

Doch die Kurzarbeit, das Wissen, mit weniger auskommen zu müssen, ist dennoch bei den beiden "immer im Hinterkopf"."Es wird weniger unternommen, Eintrittsgelder werden gespart. "Manchmal denke ich schon, das hätte ich gern, aber dann lassen wir es lieber", sagt Rita Steinbach. Weil die Gedanken darum kreisen, was passiert, wenn sich die Lage weiter verschlechtert.

Sicher. Die unterbrochene Schichtarbeit lässt auch mehr Zeit für Unternehmungen. "Wir kochen jetzt mal gemeinsam oder ich fahre meinen Sohn zur Schule. Dann freut er sich", sagt Steinbach. Ausflüge zum Angeln an den Fischteich in Mechtersen bei Lüneburg sind öfter drin. Aber die erzwungene Freizeit werde ihm langsam zu viel. "Wir hoffen, dass es Ende Mai wieder vorbei ist mit der Kurzarbeit." Bis zu diesem Zeitpunkt hat Albis Plastic die Maßnahme angemeldet.