Entscheidung in Brüssel: Die EU einigt sich auf ein Auffangnetz von rund 720 Milliarden Euro für finanzschwache Euro-Staaten.

Brüssel. Mit einem beispiellosen Hilfspaket in Höhe von bis zu 720 Milliarden Euro wollen EU und Internationaler Währungsfonds (IWF) die Einheitswährung stabilisieren. 440 Milliarden kommen in Form von Garantien und Krediten von den Euromitgliedern, 60 Milliarden Euro stelle die Kommission bereit, erklärte der deutsche Innenminister Thomas de Maizière nach einer Krisensitzung der EU-Finanzminister am frühen Montagmorgen in Brüssel.

Die spanische Finanzministerin Elena Salgado sagte, der IMF werde zusätzlich bis zu 220 Milliarden Euro bereitstellen. Im Gegenzug verpflichteten sich die Sorgenkinder des Euroraums, Spanien und Portugal, zu erheblichen zusätzlichen Sparmaßnahmen, erklärte de Maizière, der den plötzlich erkrankten Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in Brüssel vertreten hatte. Deutschland werde für die Unterstützung ein Gesetz verabschieden müssen, sagte der Minister. Er rechne damit, dass dies schon in den kommenden Tagen geschehen könne.

Als rechtliche Grundlage für den neuen Mechanismus zur Abwehr von Spekulanten solle Artikel 122 des Lissabon-Vertrages dienen. Er erlaubt finanziellen Beistand der Union „aufgrund von außergewöhnlichen Ereignissen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen“. Im Falle Griechenlands war ein Rückgriff auf diese Klausel noch vermieden worden, weil das hellenische Schuldendrama nicht erst durch die Wirtschafts- und Finanzmarktkrise ausgelöst wurde.

Die Einführung eines Mechanismus' zur Stabilisierung für die Eurozone war in der Nacht zum Sonnabend von den Staats- und Regierungschefs der Eurozone beschlossen worden. Den Finanzministern der EU erteilten sie den Auftrag, noch vor Börsenöffnung am Montagmorgen einen konkreten Eil-Beschluss zu fassen. Zuvor hatten weltweit fallende Kurse und ein Abschmieren des Euros für große Nervosität gesorgt. Die Attacken von Spekulanten auf die Einheitswährung glichen „dem Verhalten von Wolfsrudeln“, warnte der schwedische Finanzminister Anders Borg in Brüssel. „Wenn wir dieses Rudel nicht stoppen, werden sie die schwächsten Länder zerreißen.“

Bundesinnenminister Thomas de Maizière leitete die deutsche Delegation. Während des brisanten Krisentreffens war Finanzminister Wolfgang Schäuble in ein Brüsseler Krankenhaus gebracht werden. Er hatte offensichtlich ein Medikament nicht vertragen. Der seit einem Attentat im Rollstuhl sitzende Schäuble hat sich nach einer Routine-Operation vor Ostern nicht vollständig erholt. Dem 67-Jährigen ging es am Abend zwar verhältnismäßig gut, er sollte dennoch über Nacht zur Beobachtung in der Klinik bleiben.

Ebenfalls am Sonntag telefonierte US-Präsident Barack Obama mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, die danach die zuständigen Bundesminister zu einer rund einstündigen Sitzung im Kanzleramt zusammenrief. Beobachter werfen Deutschland seit Wochen einen Verzögerungskurs vor. Der Euro ist wegen der griechischen Schuldenkrise massiv unter Druck geraten und hat gegenüber dem Dollar erheblich an Wert eingebüßt.

Erst am Freitag hatten die EU-Staats- und Regierungschefs ein einmaliges, 110 Milliarden Euro schweres Rettungspaket für Griechenland beschlossen, um das Land vor der Pleite zu retten. Da die Krise auf andere Euro-Länder wie Spanien und Portugal überzugreifen droht und um die nervösen Finanzmärkte zu beruhigen, wollen sich die 27 EU-Länder jetzt grundsätzlich auf ein Notfallsystem einigen. „Wir werden den Euro verteidigen“, sagte die spanische Finanzministerin und amtierende Ratsvorsitzende Elena Salgado.