45.000 Menschen warem im August 1992 ins Volksparkstadion zu einem Konzert von Michael Jackson gekommen. Was sie erlebten war sowohl die gigantische Inszenierung eines Entertainers als auch eine immer farbloser wirkende lebende Legende.
Folgende Kritik eines Konzerts von Michael Jackson im Hamburger Volksparkstadion war im Hamburger Abendblatt vom 12. August 1982 zu lesen:
Hamburg. Was war es, das fast 45 000 Menschen im Volksparkstadion so in seinen Bann zog? Ein perfekter Entertainer? Oder die Lust an einer mitreißenden Show voller Spezial-Effekte und liebgewordener Ohrwürmer?
Die langen Haare ins Gesicht gezogen, die geliftete Haut gebleicht - so tanzte, kiekste und stöhnte Michael Jackson knapp zwei Stunden vor den Augen seiner Fans. Sehen konnten ihn die wenigsten. In der Weite des Stadions blieb von dem Weltstar nur ein glitzernder Strich übrig, eingetaucht ins Dickicht aus Nebel, Laserblitzen und sprühenden Funken. Alternativ bot sich der Blick auf die schmalen Videowände seitlich der Bühne an. Im Hochformat zeigten sie Jackson, wie er gesehen werden sollte: als dynamischer Wirbelwind, ohne Nahaufnahmen seines eingefallenen Gesichtes.
Wer gekommen war, um den berühmten Moonwalk live zu sehen, mußte besonders genau hinsehen. Nur wenige Schritte, eher angedeutet als getanzt, mehr gab es nicht vom Markenzeichen des Mega-Stars. Ob Michael immer live sang oder nicht - darüber darf spekuliert werden. Mal klang seine Stimme wie auf CD, mal waren es saft- und kraftlose Gesänge. Am lockeren Mikrophon, das dem Sänger mehrfach aus dem Gesicht rutschte, kann es nicht gelegen haben.
Musikalisch waren es die erfolgreichen Zeiten von "Thriller" bis "Man In The Mirror", die im Volksparkstadion wiederholt wurden. Es sprach für sich selbst, daß aus dem jüngsten Album "Dangerous" nur vier Songs im Programm waren. Gegenüber alten Hits zeigte nur "Black Or White" Farbe - und animierte auch die letzten Besucher zum Mitwippen. Das ohnehin seichte "Heal The World" verlieh dem Lichtermeer im Stadion den Charme eines vorgezogenen Christkindlmarktes. Zwei Songs, die bei der Tournee-Premiere in München mit viel Pomp über die Bühne gingen, fielen in Hamburg ersatzlos aus - es blieben immerhin 16 Stücke übrig.
Die Musik riß immer wieder mitten im Song ab - und Kunstfigur Michael verharrte fast eine Minute in derselben Position, gab sich regungslos dem brausenden Jubel hin. Dann setzte die Musik-Maschinerie wieder ein. Kaum ein Lied, das nicht in zwei Teile zerlegt wurde.
Es wirkt wie ein Symbol für die zunehmende Selbstdemontage Jacksons. Eine immer farbloser wirkende, lebende Legende als Dreh- und Angelpunkt einer gigantischen Inszenierung. Nur einmal überwand ein Mädchen offenbar alle Hürden, gelangte auf die Bühne zu Michael und umarmte ihn kurz. Sekunden später hatten die Ordner ihre Arbeit getan - das Image des unnahbaren Mega-Stars war gerettet. Wen wundert es, daß der Star nicht einmal seine Begleitmusiker vorstellte.
Fans, die bis zu 70 Mark für die Karte gezahlt hatten, mußten sich einen miserablen Sound gefallen lassen; die 240 000 Watt- Anlage klang übersteuert, dröhnte und pfiff. Aus dem letzten Loch schien auch Michael Jackson seine Kraft zu schöpfen, der am Ende des Konzertes ausgelaugt wirkte. Erschöpft am Boden liegend, schien er dem Zusammenbruch manchmal bedrohlich nahe.
Die Show war bunt, nur ihr Hauptdarsteller sah bedrohlich blaß aus - diesmal blasser, als ihm selbst recht sein dürfte.