Wien/Hamburg. Patriarch Kyrill I. hofft auf einer Niederlage Russlands, um keine ESC-Künstler ins Land lassen zu müssen. Ann Sophie zuversichtlich.
Während der Eurovision Song Contest (ESC) mit den beiden Halbfinals in Wien bereits in seine 60. Runde gestartet ist, steigt auch in Hamburg die Spannung. Die Hansestadt stellt mit Ann Sophie nicht nur den deutschen Beitrag für den europäischen Sängerstreit beim Finale am Sonnabend (ab 20 Uhr im Liveticker auf abendblatt.de), sondern ist auch in diesem Jahr traditionell Schauplatz des größten ESC-Events außerhalb der österreichischen Hauptstadt.
Im Finale werden 27 Nationen vertreten sein, darunter auch Vorjahressieger Österreich und Gastland Australien. Für Deutschland hatten Nicole mit „Ein bißchen Frieden“ 1982 und Lena mit „Satellite“ 2010 den Sangeswettbewerb gewonnen. Das ESC-Finale werden voraussichtlich rund 100 Millionen TV-Zuschauer verfolgen.
60. Eurovision Song Contest in Wien
Abendblatt.de hält Sie auf dem Laufenden über den Wettbewerb, bei dem der Nachfolger von 2014er Siegerin Conchita Wurst gesucht wird:
Russischer Patriarch fürchtet bärtige Sängerinnen
13.56 Uhr: Aus Sorge vor "bärtigen Sängerinnen" hofft der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. auf eine Niederlage Russlands beim Eurovision Song Contest (ESC). Es wäre nicht gut, wenn die russische Kandidatin Polina Gagarina in Wien gewinnen würde; sonst würde der Wettbewerb 2016 dann mit "bärtigen Sängerinnen" in Russland stattfinden, sagte Kyrill I. laut der russischen Nachrichtenagentur Tass unter Anspielung auf den Vorjahressieger Thomas Neuwirth alias Conchita Wurst.
Solche Teilnehmer versuchten Werte aufzudrängen, "die unserer Kultur widersprechen", so der Patriarch. Russland solle stattdessen einen eigenen Wettbewerb organisieren, der die Kultur voranbringe. Im Mittelpunkt sollten "patriotische und geistliche Lieder" stehen.
Wiener Geistlicher vergleicht ESC mit Pfingsten
12.27 Uhr: Der ESC bekommt auch Unterstützung von kirchlicher Stelle: Das Event sei mehr als eine Riesenshow mit viel Glanz und Glamour, sagte der Wiener Kardinal Christoph Schönborn am Freitag in der Gratiszeitung "Heute". "Alle Völker Europas sind vertreten, mit ihrer Geschichte und ihrer Gegenwart, ihren Kriegen und Leiden, ihren Konflikten und Nöten. Aber jetzt in einer friedlichen Konkurrenz. Statt Waffenlärm ein Wettbewerb des Gesangs, der Musik."
Das frühe Ausscheiden der "berührenden behinderten" finnischen Punk-Rocker Pertti Kurikan Nimipäivät bedauerte der Kardinal. Es sei "leider ein Zeichen, dass ganz andere noch immer wenig Toleranz erleben".
Der Wiener Erzbischof verglich den ESC mit dem Pfingstfest, das am Sonntag gefeiert wird. Auch vor 2.000 Jahren seien in Jerusalem 50 Tage nach der Auferstehung Jesu "Menschen aus allen Ländern" und verschiedenster Sprachen zusammengekommen.
Als erste gehbehinderte Teilnehmerin tritt am Sonnabend die polnische ESC-Vertreterin Monika Kuszynska, die seit einem Autounfall im Jahr 2006 im Rollstuhl sitzt, beim Finale in Wien an. Im Vorfeld verwies die Katholikin auf ihren Glauben: "Wenn du an dich selbst glaubst und an die Hilfe von Gott, ist alles möglich." Sie habe nach ihrem Unfall wegen der Lähmungserscheinungen eine neue Gesangstechnik entwickeln müssen. "Ich musste quasi alles von Null auf lernen", sagte sie.
Jury-Mitglied Clio: "Ann Sophie kann mithalten"
8.46 Uhr: Sängerin Leslie Clio, die als deutsches Jury-Mitglied der Bewertung von Ann Sophie aussetzen muss, räumt der Hamburger Sängerin gute Chancen im Finale in. Sie sei zwar keine Lena Meyer-Landrut, sagte Clio im Abendblatt-Interview, sondern eine "andere Künstlerin mit einer anderen Performance. Sie kann mit allen anderen mithalten". Die Teilnahme am ESC-Finale sei an sich bereits ein Erfolg.
Besonderheiten beim 60. ESC
Spanierin Edurne bei Buchmacherin hoch im Kurs
7.49 Uhr: Spanien, Australien, Schweden und Aserbaidschan gelten übrigens als heißeste Anwärter auf den Sieg. Spanien hat die schönste Sängerin, Australien den Exotenbonus mit der guten Laune. Schweden geht mit der spektakulärsten Show ins Rennen und Aserbaidschan beeindruckt mit einem 5-Oktaven-Gesangswunder.
Einige Wettbüros sehen die äußerst attraktive Sängerin Edurne aus Spanien beim ESC weit vorn. Edurne singt ihre Ballade "Amanecer" (Morgengrauen) noch dazu auf Spanisch - das könnte beim Publikum gut ankommen. Der Titel wurde vom Komponisten der einstigen Siegerin Loreen ("Euphoria") geschrieben.
Um Guy Sebastian aus Australien gibt es einen wahren Hype. Der 33-Jährige aus Down Under ist als Ehrengast dabei und liefert eine moderne Popnummer ab. Er selbst ist genauso sympathisch wie seine Millionen Landsleute, die in Australien mitten in der Nacht aufstehen, um den Eurovision Song Contest zu sehen.
60. Eurovision Song Contest in Wien
Die spektakulärste Show zeigt sicherlich Mans Zelmerlöw aus Schweden. Die Lichtshow mit 3D-Projektionen und seine Interaktionen mit Strichmännchen hat man so noch nicht gesehen. Die Europop-Nummer "Heroes" ist vor allem durch diese Performance absolut mitreißend. Drei Monate soll Zelmerlöw, der in Schweden seit langem ein Superstar ist, für den Auftritt beim ESC geprobt haben.
Aserbaidschan setzt dagegen in diesem Jahr auf eine Ballade. Elnur Huseynov, der schon 2008 einmal beim ESC teilgenommen hat, präsentiert sein "Hour of the wolf" mit viel Pathos. Huseynov sang zuletzt beim türkischen "The Voice" alle an die Wand und ist vielleicht der begabteste Sänger von allen Teilnehmern. Die schöne Inszenierung mit mystischen Bildern und zwei Tänzern machen den Beitrag aus Aserbaidschan zum ganz großen Kino.
Ann Sophie geht spät ins Bett
7.27 Uhr: Nachdem Ann Sophie ihre Erkältung für auskuriert erklärt hat, steigt bei der 24-jährigen Hamburgerin die Vorfreude aufs Finale: "Das war so toll heute! Ich bin so glücklich, die Bühne mit so vielen fantastischen Künstlern teilen zu dürfen", schrieb Ann Sophie nach dem zweiten Halbfinale am frühen Morgen bei Facebook. "Am Sonnabend wird für uns alle ein Traum wahr werden", schrieb die Sängerin weiter.
Der Auftritt der deutschen ESC-Hoffnung im Finale scheint nun nicht mehr gefährdet zu sein. "Ich würde mir sehr wünschen, unter den ersten Zehn zu landen“, sagte Ann Sophie am Donnerstag sogar selbstbewusst.
Andreas Kümmert, der seinen deutschen Starterplatz an Ann Sophie abtrat, erwartet für seine Nachrückerin jedenfalls Sympathien in ganz Europa. „Bei deinem Potenzial bin ich überzeugt, dass du uns europaweit ganz viele Punkte einsammeln wirst!“, ließ er über die Internetseite eurovision.de ausrichten.
Ralph Siegel ist raus
7.16 Uhr: Die Finalteilnehmer stehen fest. Im zweiten Halbfinale am Donnerstagabend qualifizierten sich unter anderem Favorit Schweden sowie Norwegen und Slowenien für die Schlussrunde am Sonnabend. Nach den Abstimmungen der Zuschauer sowie der nationalen Jurys werden dort unter anderem auch Polen, Slowenien und Israel vertreten sein.
Tschechien scheiterte nach mehrjähriger ESC-Abstinenz ebenso wie San Marino. Den Song „Chain Of Lights“ des Duos Michele Perniola und Anita Simoncini hatte der deutsche ESC-Veteran Ralph Siegel geschrieben.
Im ersten Halbfinale am Dienstag hatten sich bereits unter anderem Russland, Ungarn, Griechenland und Belgien fürs Finale qualifiziert. Die bis dahin hoch eingeschätzte finnische Punkband Pertti Kurikan Nimipäivät (PKN) mit ihren vier behinderten Mitgliedern hatte den Sprung in die Endrunde nicht geschafft. (HA/dpa/kna)