Le Bourget. Französische Ermittler sind sicher: Co-Pilot der Germanwings-Maschine spielte bereits auf dem Hinflug nach Barcelona am Autopiloten.

Neue Erkenntnisse im Fall Andreas L.: Die Flugschreiber des abgestürzten Germanwings-Flugzeugs bestätigen aus Sicht der französischen Untersuchungsbehörde Bea eine bewusste Handlung des Co-Piloten des Unglücksflugs 4U 9525.

„Man kann daraus schließen, dass er handlungsfähig war und dass alle seine Handlungen den gleichen Sinn hatten, nämlich das Flugzeug auf den Boden stürzen zu lassen“, sagte Bea-Direktor Rémy Jouty am Mittwoch in Le Bourget bei Paris.

So soll L. den Autopiloten nach Ermittlerangaben bereits auf dem Hinflug nach Barcelona mehrfach auf eine zu niedrige Flughöhe eingestellt haben. Dies sei während eines angeordneten Sinkflugs geschehen, heißt es im Zwischenbericht der französischen Untersuchungsbehörde.

Als der Kapitän nicht im Cockpit war, regelte der 27-jährige Copilot Andreas Lubitz die Flughöhe demnach wiederholt für einige Sekunden auf gut 30 Meter, korrigierte sie dann aber wieder.

„Er hat diesen Handgriff wiederholt“, sagte Bea-Direktor Rémi Jouty. Dies sei während eines ohnehin von der Flugsicherung vorgegebenen Sinkflugs geschehen, so dass für Lotsen und Crew keine ungewöhnlichen Flugbewegungen zu beobachten gewesen seien. Zuerst hatte die „Bild“-Zeitung am Mittwoch über die Manipulationen des Copiloten schon auf dem Hinflug berichtet.

Die Flugschreiber bestätigen aus Sicht der Behörde eine bewusste Handlung des Copiloten beim Absturz auf dem Rückflug. „Man kann daraus schließen, dass er handlungsfähig war und dass alle seine Handlungen den gleichen Sinn hatten, nämlich das Flugzeug auf den Boden stürzen zu lassen“, sagte der Bea-Direktor in Le Bourget bei Paris.

Der 27-jährige Co-Pilot soll die Maschine am 24. März auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf absichtlich in den französischen Alpen zum Absturz gebracht haben. Alle 150 Menschen an Bord starben.

Flugunfall-Behörde nicht für Schuldfrage zuständig

Die französische Behörde Bea ist übrigens das Gegenstück der deutschen Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung. Ihr vollständiger Name lautet „Büro für Untersuchungen und Analysen für die Sicherheit der zivilen Luftfahrt“.

Das geschah seit dem Absturz von 4U 9525

24. März

Der Airbus der Lufthansa-Tochter zerschellt auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf in den französischen Alpen.

25. März

Die Staatsanwaltschaft Marseille ermittelt wegen fahrlässiger Tötung. Frankreichs Präsident François Hollande, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft fliegen über den Unglücksort.

26. März

Die Auswertung des Stimmenrekorders nährt einen Verdacht: Co-Pilot Andreas L. steuerte den Airbus wohl mit Absicht in die Katastrophe. Der Pilot sei aus dem Cockpit ausgesperrt gewesen.

27. März

Ermittler berichten von zerrissenen Krankschreibungen des Co-Piloten, auch für den Absturztag. Die Lufthansa sagt den Hinterbliebenen eine Soforthilfe von jeweils bis zu 50.000 Euro zu.

30. März

Es wird offiziell mitgeteilt, dass L. vor Jahren als suizidgefährdet eingestuft wurde und in Psychotherapie war.

31. März

Die Lufthansa gibt bekannt, dass ihre Verkehrsfliegerschule während der Ausbildung des Co-Piloten von einer früheren Depression wusste. Versicherungen stellen nach Lufthansa-Angaben für Kosten der Katastrophe 278 Millionen Euro zurück.

2. April

Einsatzkräfte finden auch den Flugdatenschreiber. Laut Staatsanwaltschaft Düsseldorf informierte sich L. im Internet über Möglichkeiten der Selbsttötung und den Schutz von Cockpittüren.

3. April

Die Analyse der zweiten Blackbox ergibt, dass der Co-Pilot den Airbus bewusst in den Sinkflug brachte und dabei beschleunigte.

5. April

Vor dem Absturz wusste das Luftfahrtbundesamt nach eigener Darstellung nichts über L.'s medizinische Vorgeschichte.

7. April

Der Deutsche Fliegerarztverband fordert strengere Untersuchungen von Passagierflugzeug-Piloten.

15. April

Als Konsequenz aus der Katastrophe schlägt die Deutsche Flugsicherung für Notfälle eine Art Fernsteuerung von Flugzeugen vor.

17. April

Bei einer Trauerfeier mit 1400 Gästen im Kölner Dom gedenken Angehörige und die Staatsspitze der Opfer des Absturzes.

20. April

Am Unglücksort schließen Helfer die Bergung von Wrackteilen ab.

22. April

Nach genauer Auswertung beider Flugschreiber steht laut Verkehrsminister Alexander Dobrindt fest, dass der Co-Pilot mehrfach bewusst eingriff, um den Airbus absichtlich zum Absturz zu bringen.

30. April

Andreas L. wurde nach US-Angaben auch von der Luftfahrtbehörde FAA auf seine mentale Gesundheit kontrolliert. Der damalige Flugschüler habe Dokumente vorgelegt, die seine Genesung von einer depressiven Episode bescheinigten, und habe dann die Pilotenlizenz erhalten.

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Die Behörde ist nach Flugzeugunglücken für die sogenannte Sicherheitsuntersuchung zuständig. Dabei geht es darum, den Ablauf und die Ursachen nachzuvollziehen. Die Behörde befindet aber nicht über die strafrechtliche Schuldfrage - es geht vielmehr darum, Sicherheitslücken aufzuspüren und zu schließen. Allerdings fließen die Ergebnisse der technischen Auswertungen auch in die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ein.

Verlassen der Flughöhe nur in Ausnahmesituationen erlaubt

Will ein Pilot die vorgesehene Flugroute oder -höhe verlassen, muss er sich an genaue Vorschriften halten. Er darf nur dann von der Strecke abweichen oder in einen Steig- oder Sinkflug übergehen, wenn ihm der zuständige Fluglotse das erlaubt, wie eine Sprecherin der Deutschen Flugsicherung im hessischen Langen erläutert. Einzige Ausnahme: eine Notsituation, zum Beispiel ein Gewitter.

In einem derartigen Fall teilt der Pilot dem Lotsen mit, wie er das Unwetter umfliegen will. Der Lotse erteile dann nach Prüfung die Freigabe, da nur er das gesamte Bild im Flugraum im Blick habe, erklärte die Sprecherin. Das gleiche Prinzip gelte auch für Notlandungen, da der Lotse dafür sorgen müsse, dass keine anderen Maschinen in dieser Situation in diesen Luftraum hineingelassen werden. (dpa/HA)