Der „Tatort“ hat 2014 Rekorde gebrochen: Unzählige Leichen, grausame Fälle und überraschende Quoten prägten das Krimi-Jahr. Ein Überblick nach Orten und Figuren der Lieblingskrimis der Deutschen.
Hamburg. Spötter sagen, dass es in Deutschland bald keine einzige mittelgroße Stadt ohne „Tatort“-Team mehr gibt. Das ist natürlich übertrieben. Aber wer als bislang „Tatort“-loser Bürgermeister oder Stadtrat der ARD noch keine Marketingleute geschickt hat, der handelt im Grunde fahrlässig – eine ähnlich große Reichweite als Werbeträger hat nur der örtliche Fußballverein. Weshalb in jeder Folge mindestens ein Clubwimpel zu sehen ist.
Die Facts: Der „Tatort im Jahr 2014: Der 900. Film seit 1970, eine neue Bestquote seit mehr als 22 Jahren, ein absoluter Leichenrekord (150 Tote in einem Jahr laut „Tatort-Fundus“) sowie das 25. Jubiläum für Ulrike Folkerts. Das ist bloß eine Auswahl von Ereignissen bei Deutschlands beliebtester Krimireihe, die immer wieder außergewöhnliche, aber auch kontrovers diskutierte Filme hervorbringt. 36 „Tatort“-Erstausstrahlungen standen 2014 im ARD-Programm. 20 der aktuell eingesetzten 21 Teams waren im Einsatz. Ein Überblick:
KÖLN: Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) waren viermal im Einsatz – zur Eröffnung des Tatort-Jahrs am 5.1. mit dem aufsehenerregenden Fall „Franziska“, in dem die gleichnamige Assistentin (Tessa Mittelstaedt) bei einer Geiselnahme im Gefängnis von einem brillant böse spielenden Hinnerk Schönemann getötet wurde, am 23.3. mit „Der Fall Reinhardt“ (ein Feuer- und Familiendrama mit Ben Becker), am 11.5. mit dem Fall „Ohnmacht“ (über gefühlskalte jugendliche U-Bahn-Mörder) und am 28.9. mit dem Partneragentur-Krimi „Wahre Liebe“ (in dem Christian Tasche letztmals als Staatsanwalt von Prinz zu sehen war. Er starb im November 2013 während der Dreharbeiten).
HAMBURG: Hamburgs Chef-Ermittler Nick Tschiller (Til Schweiger) orientierte sich an den Kino-Blockbustern eines Michael Bay („Transformers“) und an sich selbst als starker Marke. Tschiller und Yalcin Gümer (Fahri Yardim) brillierten am 9.3. im Action-Krimi „Kopfgeld“, in dem es um ein gigantisches Drogengeschäft ging und in dem sich Schweigers Figur mit einem mächtigen Clan anlegte. Zu erwarten steht, dass Till Schweiger 2015 mit Helene Fischer in einer Nebenrolle jedenfalls wieder ganz dem Massen-Appeal entspricht – und actionmäßig noch einmal nachlegen wird. In Sachen „Bodycount“ 2014 so deutlich gegen die Hessen verloren zu haben, das wird Schweiger-Tschiller wohl nicht auf sich sitzen lassen.
KIEL: Klaus Borowski (Axel Milberg) und Sarah Brandt (Sibel Kekilli) waren einmal zu sehen – am 30.3. mit dem Ostsee-Krimi „Borowski und das Meer“.
HAMBURG/WILHELMSHAVEN: Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Katharina Lorenz (Petra Schmidt-Schaller) hatten zwei Einsätze – am 27.4. mit dem Menschenhandel-Krimi „Kaltstart“ und gegen Ende des Jahres am 30.11. mit dem Syrer-Drama „Die Feigheit des Löwen“.
Um zur „Tatort“-Inflation zurückzukommen: Wilhelmshaven oder Oldenburg sind jetzt auch mit dabei. Zumindest zeitweise. Genauso wie Langeoog und Emden. Wenn der NDR Wotan Wilke Möhring als Thorsten Falke durch die norddeutsche Provinz schickt, dann zeigt er damit auch, dass das Verbrechen hinter jeder Milchkanne lauert. Spannend gestaltet sich das Verhältnis zwischen Falke und Kollegin Katharina Lorenz (Petra Schmidt-Schaller). In der Folge „Feigheit des Löwen“ verbrachten beide eine Nacht im Hotel. Fortsetzung folgt.
HANNOVER: Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) war nach zwei Jahren Pause erstmals wieder im Programm – und zwar am 7.12. mit dem Fleischindustrie-Fall „Der sanfte Tod“, in dem Heino Ferch als zwiespältiger Fleischfabrikant hervorstach.
BREMEN: Inga Lürsen (Sabine Postel) und Nils Stedefreund (Oliver Mommsen) waren zweimal zu sehen – am 23.2. mit „Brüder“ (über Verwicklungen eines Clans, der Polizei und Stadt im Griff zu haben scheint) und am 18.5. mit dem Müllmänner-Mafia-Fall „Alle meine Jungs“.
BERLIN: Die Figur Till Ritter (Dominic Raacke) verabschiedete sich ohne große Abschiedsnummer nach 15 Jahren am 9.2. mit dem Briefbomben-Fall „Großer schwarzer Vogel“, Kollege Felix Stark (Boris Aljinovic) hatte am 16.11. nach 13 Jahren mit dem obskuren Fall „Vielleicht“ einen starken Abgang. Darin war Olsen Lise Risom als hellseherische Norwegerin Trude zu sehen, die manchen faszinierte und manchen nervte. Schon 2015 bringt der Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB) ein neues Team ins Programm.
MÜNCHEN: Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) waren dreimal im Einsatz – am 4.5. im Film „Am Ende des Flurs“ (in dem es Leitmayr mit dem Tod einer verflossenen Liebe zu tun bekam und am Ende tot zu sein schien), am 14.9. in der Groteske „Der Wüstensohn“ (über einen ausschweifend lebenden, arabischen Potentatensohn) und am 28.12. mit dem Krimi „Das verkaufte Lächeln“ (in dem Teenager viel mehr als nur ihr Lachen verkauften).
Bordell-Drama „Der Hammer“
MÜNSTER: Frank Thiel (Axel Prahl) und Rechtsmediziner Prof. Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) waren zweimal im Einsatz - am 13.4. im Bordell-Drama „Der Hammer“ mit Milan Peschel als verzweifeltem Hausbesitzer und Rächer sowie am 21.9. mit dem überdrehten Krankenhauskrimi „Mord ist die beste Medizin“, der mit mehr als 13 Millionen Zuschauern die beste Einschaltquote seit 22 Jahren holte.
LUDWIGSHAFEN: Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) war in ihrem 25. Jubiläumsjahr zweimal im Einsatz – am 16.2. mit „Zirkuskind“ (es war der 900. „Tatort“ überhaupt) und am 26.10. mit „Blackout“, in dem die Figur zu ihrem 25. Dienstjubiläum so verletzlich und ausgebrannt wirkte wie nie zuvor.
WIEN: Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) waren zweimal im Einsatz – am 2.3. mit dem Fall „Abgründe“ (der rund um berüchtigte Missbrauchsfälle kreiste, wie es sie in Österreich ja auch in der Realität gab und die mögliche Verstrickung dunkler Eliten) und am 31.8. mit „Paradies“ (in dem Peter Weck als schmuggelnder Rentner brillierte).
LEIPZIG: Eva Saalfeld (Simone Thomalla) und Andreas Keppler (Martin Wuttke), die ab 2016 von einem Sachsen-Team in Dresden ersetzt werden sollen, waren zweimal im Einsatz – am 1.1. mit „Türkischer Honig“ (über die angebliche Entführung von Saalfelds Schwester) und am 16.3. mit dem Krimi „Frühstück für immer“ (in dem es um Single-Partys und SM-Sex ging).
KONSTANZ/BODENSEE: Klara Blum (Eva Mattes) und Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) waren zweimal im Einsatz – am 19.1. mit dem High-Society-Langeweile-Krimi „Todesspiel“ und am 5.10. mit dem Entführungs-Fall „Winternebel“. Im Dezember wurde verkündet, dass das Team 2016 zum letzten Mal zu sehen sein soll. Der Südwestrundfunk (SWR) will aber im Umfang der bisherigen Bodensee-Krimis einen neuen „Tatort“ produzieren. Wo dieser spielt, blieb zunächst unklar.
STUTTGART: Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) waren zweimal im Einsatz – am 9.6. mit dem Gefängnis-Fall „Freigang“ und am 23.11. mit dem Fall „Eine Frage des Gewissens“ (in dem es um einen geheimnisvollen Supermarktüberfall und interne Ermittlungen gegen die Kommissare ging).
SAARBRÜCKEN: Jens Stellbrink (Devid Striesow) und Lisa Marx (Elisabeth Brück) standen zweimal im Programm – am 26.1. mit „Adams Alptraum“ (über einen Schwimmtrainer, der des Kindesmissbrauchs verdächtigt wird) und am 26.12. mit „Weihnachtsgeld“.
LUZERN: Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) waren zweimal zu sehen – am 21.4. mit dem Fall „Zwischen zwei Welten“ (in dem auch ein Medium bei der Aufklärung helfen sollte) und am 7.9. mit dem Bankgeheimnis-Krimi „Verfolgt“.
Mischung aus Shakespeare und Western
WIESBADEN/HESSEN: Felix Murot (Ulrich Tukur) und Magda Wächter (Barbara Philipp) hatten dieses Jahr einen Fall – doch der hatte es in sich – am 12.10. lief „Im Schmerz geboren“, eine Mischung aus Shakespeare-Drama, Western und Tarantino-Filmästhetik. Viele waren begeistert, feierten den Krimi, in dem Ulrich Matthes als Gegenspieler von Tukur brillierte, als eines der gelungensten TV-Experimente seit langem. Die Seite „Tatort-Fundus“ zählte die Rekordzahl von 51 Leichen, einige mehr als der Hessische Rundfunk (HR) vorab kommuniziert hatte.
DORTMUND: Peter Faber (Jörg Hartmann) und Martina Bönisch (Anna Schudt) sowie Nora Dalay (Aylin Tezel) und Daniel Kossik (Stefan Konarske) waren einmal im Einsatz – am 2.2. mit dem Mädchenmord-Krimi „Auf ewig Dein“, in dem es zu einem spannenden Hochhausdach-Finale zwischen Faber und dem mutmaßlichen Mörder von dessen Frau und Tochter (gespielt von Florian Bartholomäi) kam.
FRANKFURT: Kriminalhauptkommissar Frank Steier (Joachim Król) war einmal im Einsatz („Der Eskimo“; 5.1.). Es war der sechste und vorletzte Film mit dem alkoholkranken Ermittler, in dem seine Ex-Frau, eine Lehrerin, in Gefahr geriet. 2015 tritt ein neues Team für den Hessischen Rundfunk in Frankfurt an.
ERFURT: Henry Funck (Friedrich Mücke) und Maik Schaffert (Benjamin Kramme) sowie Johanna Grewel (Alina Levshin) standen einmal im Programm – und zwar am 21.12 mit dem recht vorhersehbaren Polizistenmord-Fall „Der Maulwurf“, den manche Medien als den schlechtesten Film der Reihe in diesem Jahr beschrieben.
WEIMAR: Lessing (Christian Ulmen) und Kira Dorn (Nora Tschirner) waren 2014 nicht im Programm. Sie sind aber zum zweiten Mal nach ihrer Premiere Weihnachten 2013 am Neujahrstag 2015 zu sehen.
Dresden: Im Osten neu ist ein Dresdener Ermittler-Team, das von Martin Brambach und Alwara Höfels dargestellt wird: Das klingt vielversprechend.